»Ich ...« Ich sollte sagen, dass es mir leidtut, dass ich es nicht so gemeint habe, aber ich schaffe es nicht, zu lügen, also presse ich meine Lippen zusammen, bevor ich es dadurch schlimmer mache, dass ich ihm sage, wie sehr ich ihn hasse.
»Du was?« Seine Stimme ist leise und hart. Er lehnt sich zu mir und beugt seinen Kopf nach vorn, bis seine Lippen am oberen Rand meines Ohres entlangfahren. »Was, Sara?«
Ich erzittere durch die feuchte Hitze seines Atems, meine Knie werden weich und mein Puls beschleunigt sich noch mehr. Allerdings ist der Grund diesmal nicht ausschließlich Angst. Seine Nähe überwältigt meine Sinne, und mein Körper zittert in erregter Erwartung seiner Berührung. Er war erst vor einigen Stunden in mir, und ich spüre immer noch die Nachwirkungen seiner Inbesitznahme, das innere Wundsein vom harten Rhythmus seiner Stöße. Zur gleichen Zeit bin ich mir schmerzlich meiner gehärteten Brustwarzen bewusst, die sich deutlich durch das geliehene T-Shirt abzeichnen, und die warme Feuchtigkeit, die sich zwischen meinen Beinen sammelt.
Selbst bekleidet fühle ich mich in seinen Armen nackt.
Er hebt seinen Kopf, starrt auf mich hinab, und ich weiß, dass er sie auch fühlt, die magnetische Hitze, die dunkle Verbindung, die in der Luft um uns vibriert und sich jeden Moment intensiviert, bis sich eine Millisekunde anfühlt wie Stunden. Peters Männer befinden sich weniger als dreieinhalb Meter von uns entfernt und beobachten uns, aber es fühlt sich an, als seien wir in einer Blase sinnlicher Bedürfnisse und flüchtiger Spannungen. Mein Mund ist trocken, mein Körper pulsiert, da er sich seiner Gegenwart bewusst ist, und ich kann gerade noch verhindern, mich ihm entgegenzulehnen, still stehen zu bleiben, anstatt mich an ihn zu pressen und dem Verlangen nachzugeben, das mich von innen heraus verbrennt.
»Ptichka ...« Peters Stimme wird weicher und nimmt einen vertrauten Ton an, während das Eis in seinem Blick schmilzt. Seine Hand löst sich von der Wand, um sich um meine Wange zu legen, und die Fingerkuppe seines Daumens streicht über meine Lippen, während mein Atem stockt. Zur gleichen Zeit umfasst seine andere Hand meinen Ellenbogen, und sein Griff ist sanft, aber unausweichlich. »Komm, lass uns hinsetzen«, drängt er mich, während er mich von der Wand wegzieht. »Es ist gerade nicht sicher, hier zu stehen oder herumzugehen.«
Benebelt lasse ich mich von ihm zurück zum Sitz führen. Ich weiß, dass ich weiterkämpfen oder mich zumindest wehren sollte, aber die Wut, die mich erfüllt hat, ist verschwunden und hat Taubheit und Verzweiflung hinterlassen.
Trotz allem, was er getan hat, sehne ich mich nach ihm. Ich will ihn genauso sehr, wie ich ihn hasse.
Meine Füße, die nur in Socken gehüllt sind, sind durch das Laufen auf dem kalten Boden eisig, und ich bin dankbar, als Peter die Decke vom Tisch nimmt und sie um meine Beine wickelt, bevor er sich neben mich setzt. Er legt den Gurt um mich, schnallt mich an, und ich schließe meine Augen, weil ich die Wärme nicht sehen will, die jetzt seinen Blick erfüllt. So erschreckend die dunkle Seite von Peter auch ist, der Mann, der diese Dinge tut – der zarte, fürsorgliche Liebhaber – ist derjenige, der mir am meisten Angst einjagt.
Ich kann dem Monster widerstehen, aber der Mann ist eine andere Geschichte.
Warme Finger streichen über meine Hand, und kaltes Metall drückt sich in meine Handfläche. Erschrocken öffne ich die Augen und schaue auf das Telefon, das Peter mir gerade gegeben hat.
Er muss es dort aufgehoben haben, wo ich es fallen gelassen habe.
»Wenn du deine Eltern anrufen möchtest, kannst du es jetzt gern tun«, sagt er sanft. »Nicht dass sie etwas hören, bevor du es ihnen sagst.«
Ich schlucke und starre auf das Telefon in meiner Hand. Peter hat recht, es gibt keine Zeit zu verlieren. Ich weiß nicht, was ich meinen Eltern erzählen werde, aber alles ist besser als das, was die FBI-Beamten wahrscheinlich sagen werden.
»Wie rufe ich an?« Ich schaue Peter an. »Gibt es einige spezielle Codes oder etwas anderes, was ich benutzen muss?«
»Nein. Alle meine Gespräche werden automatisch verschlüsselt. Gib einfach wie immer die Nummern ein.«
Ich atme tief durch und gebe die Handynummer meiner Mutter ein. Wahrscheinlich verfällt sie eher in Panik, wenn sie einen Anruf mitten in der Nacht bekommt, aber sie ist neun Jahre jünger als mein Vater und hat keine mir bekannten Herzprobleme. Ich halte das Telefon an mein Ohr, drehe mich von Peter weg und betrachte den Nachthimmel durch das Fenster, während ich darauf warte, dass der Anruf durchgeht.
Es klingelt ein Dutzend Mal, bevor die Voicemail anspringt.
Meine Mutter muss zu tief schlafen, um es zu hören, oder sie hat ihr Telefon nachts ausgestellt.
Frustriert versuche ich es noch einmal.
»Hallo?«, die Stimme meiner Mutter ist schläfrig und verärgert. »Wer ist da?«
Ich atme erleichtert aus. Es klingt nicht so, als hätten die FBI-Beamten bereits mit ihnen gesprochen; wäre das der Fall, hätte meine Mutter nicht so tief geschlafen.
»Hallo, Mama. Ich bin es, Sara.«
»Sara?« Meine Mutter hört sich sofort wacher an. »Was ist passiert? Woher rufst du an? Ist etwas passiert?«
»Nein, nein. Alles ist in Ordnung. Mir geht es hervorragend.« Ich hole Luft, und meine Gedanken überschlagen sich, als ich versuche, mir eine weniger beunruhigende Geschichte auszudenken. Irgendwann wird das FBI Kontakt zu meinen Eltern aufnehmen, und meine Geschichte wird als Lüge entlarvt werden. Trotzdem sollte die Tatsache, dass ich angerufen und eine Geschichte erzählt habe, meine Eltern beruhigen, da ich zum Zeitpunkt des Anrufes zumindest am Leben war. Außerdem sollte er das, was die Beamten ihnen sagen, weniger schlimm machen.
Ich festige meine Stimme und sage: »Es tut mir leid, dass ich so spät anrufe, Mama, aber ich verreise spontan und wollte dir Bescheid sagen, damit du dir keine Sorgen machst.«
»Du verreist?« Meine Mutter hört sich verwundert an. »Wohin? Warum?«
»Na ja ...« Ich zögere zuerst, aber dann beschließe ich, Peters Idee zu folgen. Dadurch werden meine Eltern, wenn sie von der Entführung erfahren, vielleicht denken, dass ich aus freien Stücken mit Peter mitgegangen bin. Was das FBI denken wird, ist eine andere Sache, aber darüber werde ich mir heute keine Gedanken machen. »Ich habe jemanden kennengelernt. Einen Mann.«
»Einen Mann?«
»Ja, ich treffe mich seit ein paar Wochen mit ihm. Ich wollte noch nichts sagen, weil ich ihn noch nicht so gut kannte und mir nicht sicher war, wie ernst die Sache ist.« Ich kann spüren, dass meine Mutter gleich mit einer Befragung beginnen wird, also sage ich schnell: »Auf jeden Fall muss er unerwartet das Land verlassen, und hat mich eingeladen, mitzukommen. Ich weiß, es ist völlig verrückt, aber ich musste mal weg. Weg von allem, weißt du? Und das hier schien eine gute Gelegenheit zu sein. Wir werden einige Wochen umherreisen, also ...«
»Was?« Die Stimme meiner Mutter wird schriller. »Sara, das ist ...«
»Verrückt? »Ich weiß.« Ich ziehe eine Grimasse und bin dankbar dafür, dass sie meinen schmerzhaften Ausdruck nicht sehen kann. Dadurch, dass ich sie anlüge, und meine Kopfschmerzen immer noch da sind, fühle ich mich beschissen. »Es tut mir leid, Mama. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst, aber das ist etwas, was ich tun musste. Ich hoffe, du und Papa, ihr versteht das.«
»Warte mal ganz kurz. Wer ist dieser Mann? Wie heißt er? Was macht er? Wo habt ihr euch getroffen?« Jede Frage schießt wie eine Kugel aus ihr heraus.
Ich drehe mich um, um Peter anzuschauen, und er nickt mir mit ausdruckslosem Gesicht leicht zu. Ich weiß nicht, ob er meine Unterhaltung hören kann, aber ich nehme an, dass das Nicken bedeutete, dass ich meinen Eltern noch ein wenig mehr erzählen kann.
»Sein Name ist Peter«, sage ich und beschließe, so nah wie möglich an der Wahrheit zu bleiben. »Er ist Unternehmer und arbeitet meistens im Ausland. Wir haben uns kennengelernt, als er in Chicago zu tun hatte, und seitdem haben wir uns regelmäßig gesehen. Ich wollte dir bei unserem Sushiessen von ihm erzählen, aber es schien irgendwie nicht der richtige Zeitpunkt zu sein.«
»Okay, aber ... aber was ist mit deiner Arbeit? Und der Klinik?«
Ich massiere meinen Nasenrücken. »Das werde ich alles klären, mach dir keine Gedanken.« Das werde ich natürlich nicht – selbst wenn Peter mich dort anrufen lässt, ist so etwas mit meiner Praxis im Krankenhaus nicht zu vereinbaren –, aber das kann ich meiner Mutter nicht sagen, ohne sie vorzeitig zu beunruhigen. Sie wird bald genug eine Panikattacke bekommen, wenn erst die Beamten auf ihrer Türschwelle stehen. Bis dahin können sie und mein Vater genauso gut denken, dass ich verrückt geworden bin.
Eine Tochter, die sich in letzter Zeit komisch benimmt, ist unendlich viel besser als eine Tochter, die vom Mörder ihres Ehemanns entführt wurde.
»Sara, Liebling ...« Meine Mutter klingt trotzdem besorgt. »Bist du dir damit sicher? Ich meine, du hast ja selbst gesagt, dass du nicht viel über diesen Mann weißt, und jetzt verlässt du das Land mit ihm? Das sieht dir gar nicht ähnlich. Du hast mir nicht einmal gesagt, wohin du gehst. Fliegt ihr oder fahrt ihr mit dem Auto? Und was ist das für eine Nummer, von der aus du anrufst? Sie wird als blockiert angezeigt, und der Empfang ist auch eigenartig, so als ob du ...«
»Mama.« Ich reibe mir die Stirn, da sich meine Kopfschmerzen verschlimmern. Ich kann keine weitere ihrer Fragen beantworten, also sage ich: »Hör zu, ich muss los. Unser Flugzeug wird gleich starten. Ich wollte dich das einfach nur kurz wissen lassen, damit du dir keine Gedanken machst, okay? Ich ruf’ dich noch mal an, sobald ich kann.«
»Aber, Sara ...«
»Tschüss, Mama. Bis bald!«
Ich lege auf, bevor sie etwas sagen kann, und Peter nimmt mir das Telefon ab, wobei ein zufriedenes Lächeln seinen Mund umspielt.
»Gut gemacht. Du hast wirklich Talent dafür.«
»Dafür, meine Eltern anzulügen, um ihnen nicht zu sagen, dass ich entführt wurde? Ja, mit Sicherheit ein echtes Talent.« Bitterkeit tropft aus meinen Worten, und ich mache mir nicht die Mühe, sie zu unterdrücken. Ich bin fertig damit, nett und pflegeleicht zu sein.
Wir werden dieses Spiel nicht länger spielen.
Peter sieht nicht beunruhigt aus. »Du hast ihnen etwas gesagt, was ihre schlimmsten Sorgen zerstreuen wird. Ich weiß nicht, was die Agents sagen werden, aber das sollte deinen Eltern die Sicherheit geben, dass du heute lebst und es dir gut geht. Hoffentlich wird das ausreichen, bis du dich wieder bei ihnen meldest.«
Das Gleiche habe ich auch gedacht, und es beunruhigt mich, dass wir auf derselben Wellenlänge liegen. Es ist eine Kleinigkeit, diesmal derartig gleich zu denken, aber es fühlt sich an wie ein rutschiges Gefälle, wie ein Schritt in Richtung der Partnerschaft, die Peter erwähnt hat. In Richtung der Illusion, dass es ein »wir« gibt, dass unsere Beziehung irgendwie echt ist.
Ich kann – und werde – nicht noch einmal auf diese Lüge hereinfallen. Ich bin nicht Peters Partnerin, seine Freundin oder seine Geliebte.
Ich bin seine Gefangene, die Witwe eines Mannes, den er getötet hat, um seine Familie zu rächen, und diese Tatsache kann ich niemals vergessen.
Ich muss mich anstrengen, um meine Stimme ruhig zu halten, als ich frage: »Also werde ich die Gelegenheit bekommen, mich wieder bei ihnen zu melden?« Als Peter zustimmend nickt, bohre ich weiter: »Wann?«
Seine grauen Augen leuchten auf. »Sobald sie vom FBI gehört haben und eine Chance hatten, alles zu verdauen. Also, mit anderen Worten, bald.«
»Woher willst du wissen, wann sie vom FBI ...? Ach, schon gut. Du lässt auch meine Eltern gerade überwachen, stimmt’s?«
»Ich lasse ihr Haus überwachen, ja.« Er sieht nicht so aus, als sei ihm das auch nur das kleinste bisschen unangenehm. »Und deshalb werden wir wissen, was die Agents ihnen erzählen, und wann. Dann überlegen wir uns, was du sagen solltest und wie du dich wieder bei ihnen meldest.«
Ich presse meine Lippen zusammen. Da ist dieses hinterhältige »wir« wieder. Als sei das ein gemeinsames Projekt – wie ein Haus einzurichten oder eine Flasche Wein für ein Familientreffen auszuwählen. Erwartet er, dass ich dafür dankbar bin? Ihm dafür danke, dass er so nett und umsichtig bei der Logistik meine Entführung war?
Denkt er, dass ich vergessen werde, dass er mein Leben gestohlen hat, wenn er mich die Sorgen meiner Eltern lindern lässt?
Ich knirsche mit den Zähnen und drehe mich weg, um aus dem Fenster zu starren, bis mir klar wird, dass ich immer noch nicht die Antwort auf eine der Fragen meiner Mutter weiß.
Ich drehe mich wieder zu meinem Entführer um und erwidere seinen kühlen amüsierten Blick. »Wohin fliegen wir?«, frage ich und zwinge mich dabei dazu, ruhig zu sprechen. »Wo genau werden wir uns das alles überlegen?«
Peter grinst und legt dabei seine weißen Zähne frei, die unten leicht schief sind. Deswegen, und wegen der kleinen Narbe auf seiner Unterlippe, sollte sein Lächeln abstoßend sein, aber diese Makel unterstreichen seine gefährlich sinnliche Ausstrahlung nur noch.
»Wir werden es in Japan herausfinden, Ptichka«, sagt er und streckt sich über den Tisch aus, um meine Hand in seine große Handfläche zu nehmen. »Das Land der aufgehenden Sonne ist unser neues Zuhause.«