Kapitel 3

835 Parole
3 Sara Ich spreche den Rest des Fluges nicht mit Peter. Stattdessen schlafe ich ein, und mein Gehirn schaltet sich aus, so als wolle es der Realität entfliehen. Ich bin dankbar dafür. Der Kopfschmerz ist unerbittlich, und jedes Mal, wenn ich versuche, meine Augen zu öffnen, spielen Schlagzeuger in meinem Kopf, und erst als wir mit der Landung beginnen schaffe ich es, genügend aufzuwachen, um mich ins Bad zu schleppen. Als ich zurückkomme, finde ich Peter, der an einem Laptop arbeitet, in meinem Nachbarsitz vor. Ich kann mir vorstellen, dass er dort den ganzen Flug lang gesessen hat, aber ich bin mir nicht sicher. Ich erinnere mich daran, dass ich eingeschlafen bin, als er meine Hand gehalten hat und seine starken Finger meine Handfläche massiert haben. Ich erinnere mich auch daran, dass er mich fester in die Decke gewickelt hat, als es in der Kabine kühler wurde. »Wie fühlst du dich?«, fragt er und schaut von seinem Laptop hoch, als ich um ihn herumgehe und mich in meinen weichen Ledersessel setze. Jetzt, da der anfängliche Schock über die Entführung vorbei ist, fällt mir auf, dass das Flugzeug ziemlich luxuriös, wenn auch klein ist. Im hinteren Bereich des Flugzeugs gibt es neben unserer Sitzreihe zwei weitere, und jeder Sitz ist groß und kann vollständig nach hinten geklappt werden. In der Mitte der Kabine steht ein beigefarbenes Sofa mit zwei an ihm befestigten Beistelltischchen. »Sara«, hakt Peter nach, als ich nicht antworte, und ich zucke als Antwort mit den Schultern, da ich nicht vorhabe, sein Gewissen damit zu beruhigen, dass ich zugebe, mich nach meinem langen Schlaf besser zu fühlen. Das Medikament muss seine Wirkung vollständig verloren haben, weil die Übelkeit und der Kopfschmerz, die mich gequält haben, verschwunden sind. Ich habe allerdings Hunger und Durst, weshalb ich nach der Wasserflasche und der Schale mit den Erdnüssen greife, die auf dem kleinen Tisch zwischen unseren Sitzen stehen. »Wir werden bald eine richtige Mahlzeit bekommen«, sagt Peter und schiebt die Schüssel zu mir. »Wir hatten nicht erwartet, das Land so plötzlich zu verlassen, und das ist alles, was wir an Bord hatten.« »Aha.« Ohne ihn anzublicken, trinke ich die halbe Flasche Wasser, esse eine Handvoll Nüsse und spüle mit dem Rest des Wassers nach. Ich bin nicht überrascht, von dem Mangel an Essen im Flugzeug zu erfahren; das Wunder ist, dass er ein Flugzeug im Standby-Modus hatte, Punkt. Ich weiß, dass ihm und seinem Team unglaublich hohe Geldsummen dafür bezahlt werden, um Verbrecherbosse und dergleichen zu ermorden, aber die Kosten für diesen mittelgroßen Jet müssen gut im achtstelligen Bereich liegen. Da ich meine Neugier nicht länger zügeln kann, werfe ich einen Blick auf meinen Entführer. »Ist das deins?« Ich bewege meine Hand durch den Raum, um auf meine Umgebung zu zeigen. »Hast du das gekauft?« »Nein.« Er schließt den Laptop und lächelt. »Ich habe es als Bezahlung von einem unserer Kunden bekommen.« »Ich verstehe.« Ich schaue weg und konzentriere mich auf den dunklen Himmel außerhalb des Fensters anstatt auf sein magnetisches Lächeln. Jetzt, da ich mich besser fühle, ist mir noch bitterer bewusst, was Peter getan hat – und wie hoffnungslos meine Situation ist. War ich zu Hause meinem Peiniger ausgeliefert, als ich Angst davor hatte, was passieren könnte, wenn ich zu den Behörden ginge, bin ich es jetzt doppelt. Peter Sokolov kann alles mit mir machen, mich gefangen halten, bis ich sterbe, wenn er das möchte. Seine Männer werden mir nicht helfen, und ich bin gerade dabei, in ein Land zu reisen, dessen Sprache ich nicht spreche und in dem ich nichts und niemanden kenne. Ich liebe Sushi, aber damit hört das, was ich über Japan weiß, auch schon auf. »Sara?« Peters tiefe Stimme dringt in meine Gedanken ein, und ich drehe mich instinktiv um, um ihn anzuschauen. »Schnall dich an.« Er nickt in Richtung des Sicherheitsgurts, der geöffnet neben mir liegt. »Wir werden in Kürze landen.« Ich lege den Sicherheitsgurt über meinen Schoß und schließe ihn, bevor ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Fenster schenke. Ich kann nicht viel in der Dunkelheit sehen – wir müssen lange genug geflogen sein, um Japan trotz des Zeitunterschieds in der Nacht zu erreichen – aber ich lasse meine Augen weiterhin auf den Himmel draußen gerichtet, da ich hoffe, etwas zu sehen und eine Unterhaltung mit Peter zu vermeiden. Ich werde mich nicht so benehmen, als seien wir wirklich ein Liebespaar, das eine Reise macht, nicht vorgeben, dass das hier irgendwie in Ordnung für mich ist. Das Druckmittel, das er hatte – seine Androhung, mich zu entführen, wenn ich nicht bei seiner häuslichen Glücksfantasie mitspiele – gibt es nicht mehr, und ich habe nicht vor, weiterhin sein folgsames Opfer zu sein. Ich hatte gerade begonnen nachzugeben, mich in seinen kranken Bann ziehen zu lassen, aber das ist jetzt vorbei. Peter Sokolov hat mich gequält, meinen Ehemann getötet, und jetzt hat er mich entführt. Zwischen uns gibt es nichts außer einer beschissenen Vergangenheit und einer noch beschisseneren Zukunft. Vielleicht hat er mich, aber er wird das nicht genießen. Das werde ich sicherstellen.
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