Kapitel 2
Rachel fiel, dank der kreischenden Latinomusik die aus dem Radio dröhnte, fast aus dem Bett. Sie stolperte aus dem Bett und fiel über Klamotten, Schmuckstücke, Bilder und Papiere, die sie in einem Versuch ihr Leben etwas zu organisieren quer über den Boden verstreut hatte. Als sie endlich den Lichtschalter erreichte, ging der Alarm mysteriöserweise von selbst aus.
Nachdem sie nun schon so unhöflich geweckt worden war, lief sie zur Badezimmertür hinüber und griff nach dem Türgriff. Abgesperrt. Gerade als sie klopfte, hörte sie die Dusche angehen, und Sarahs Stimme Demi Lovato grölen. Sie klopfte lauter, in der Hoffnung, dass Sarah sie hören würde.
„Was? Ich kann dich nicht hören, ich bin in der Dusche!“ sagte Sarah.
„Wie lange brauchst du noch? Ich muß mich nämlich auch fertig machen, weisst du!“ sagte Rachel mit lauter Stimme, als sie ihr Gesicht gegen die Türspalte drückte. Rachel wartete, aber Sarah antwortete nicht.
Rachel lief zu einem Haufen zerstreuter Klamotten die auf dem Boden lagen. Nichts davon vermittelte jegliche Ordnung; ungleiche Sockenpaare, Pullis, ärmellose Hemden, Shorts, Jeans und ihr Lieblings- Rolling Stones Hemd, alles lag wahllos zu ihren Füßen.
Rachel öffnete die Rolladen, und schob das Fenster halbwegs hoch, um die Temperatur zu testen. Es war der 8. September, und sie konnte schon jetzt die kalte Herbstbrise spüren. Die Blätter in den großen Bäumen ausserhalb ihres Schlafzimmerfensters raschelten, und sie atmete die klare Luft tief ein. Draußen waren ein Vordergarten mit länglichem Rasen und ein paar verstreute Bäume, die am Gartenrand standen, zu sehen. An einem dieser Bäume hing eine alte Reifenschaukel die vom Ast schwang, und Rachel nahm an, dass es sich hier um ein überbleibsel der vorherigen Besitzer handelte. Der Rasen hatte eine stumpfe, grüne Farbe die mit braunen Flecken versehen war. Auf der linken Seite gab es einen kleinen Garten mit überwachsenen Blumen und Unkraut. Rachel starrte ihn einen Augenblick lang an und schloss dann das Fenster mit einem Knall.
„Was ziehe ich bloß an?“ dachte Rachel.
Plötzlich erinnerte sie sich an einen Ausflug zu JC Penney’s den sie vor ungefähr einem Monat mit Dana unternommen hatte. ‚Penney’s‘ brachte immer die besten Herbstsachen im Sommer raus, und Rachel und Dana hatten ein frühes Saisonsshopping veranstalted. Sie erinnerte sich, dass sie ein hübsches Paar ‚Boyfriend‘ Jeans, mit Flicken und kleinen Rissen an den Knien, gekauft hatte. Sie wusste, dass diese Jeans perfekt mit ihrem Stones Hemd aussehen würde.
Rachel hob Taschen und Gürtel auf, und kuckte in die große Kiste die ihr Zeugs enthielt. Die Jeans waren unauffindbar. Sie öffnete ihre Schlafzimmertür und schrie zu ihrer Mutter hinunter: „Mama, wo sind meine neuen Jeans hingekommen?“
Sie stand in der Tür und wartete auf eine Antwort von ihrer Mutter.
„Woher soll ich wissen, was du mit deinen Klammotten angestellt hast? Gieb mir nicht die Schuld nur weil du sie nicht finden kannst. Du warst diejenige, die letzte Woche unter Murren und Klagen gepackt hat, nicht ich mein Schatz.“ schrie ihre Mutter genervt zurück.
Rachel grunzte und schlug die Tür zu. Sie fand ein anderes Paar dunkelblauer Levi’s, die verknittert am Boden lagen.
Sie probierte sie an und versuchte sie mit den Händen glatt zu streichen.Sie fühlten sich etwas straffer als gewöhnlich an, also ging sie, um sie etwas auszudehnen, ein paarmal in die Hocke und blieb dann kurz in der Hocke sitzen.
RITSCH. Der Hosenschritt platzte.
Gerade dann fing die Latino Tanzmusik wieder an im Radio zu spielen, und dieses Mal sogar noch lauter! Rachel watschelte in ihren Jeans auf der Suche nach dem Wecker umher. Sie hob ihre weiße, flaumige Northface Winterjacke auf und fand das Radio. Sie schlug die Hand auf den Ausknopf, und drehte die Tunerknöpfe wahllos.
Rachel öffnete die Knöpfe ihrer Levi's und zog sie von den Beinen. Sie war sich nicht bewusst gewesen, dass sie seit dem letzten Frühjahr ein paar Pfunde zugelegt hatte, aber anscheinend war dies der Fall.
Rachel sah ein Paar verwaschene, schwarze Leggings die am Boden zusammengeballt lagen. Da sie keine andere Wahl hatte - zumindest war nichts anderes ausgepackt- zog sie diese an. Das gute an Leggins war, egal wieviele Eiscremewaffeln man verdrückte, sie passten trotzdem noch, dachte Rachel.
Rachel griff nach ihrem 'Stones' Hemd und zog es an. Sie hatte keinen Spiegel in ihrem Zimmer, hoffte aber, dass ihr Outfit einigermaßen gut aussah.
Rachel nahm ihren schwarze Nylon Kulturbeutel, und klopfte nochmals an der Badezimmertür. Niemand antwortete. Rachel drehte den Türknauf; die Türe öffnete, und eine nach Seife riechende Dampfwolke schlug ihr entgegen.
Damit sie ihr Gesicht sehen konnte ballte Rachel ihre Faust und wischte einen grossen Kreis im Spiel ab. Sie kuckte in den Spieglel und sah einen Pickel der sich mitten in der Stirn zu formen began. Rasch griff sie nach ihrem Proactive, wusch ihr Gesicht, und trug die Pickelbehandlung auf. Sie hoffte, dass dieser Pickel bis um 8 Uhr verschwunden war; denn sie wollte ja nicht als die Neue mit dem riesen Pickel bekannt sein.
Als sie daran dachte wie spät es wohl war, und auf ihre lila Swatch Uhr schaute, bemerkte sie, dass sie nur noch 20 Minuten hatte, bis sie zur Schule aufbrechen musste.
Ein tiefer Seufzer entfuhr ihr und sie griff schnell nach ihrer Kosmetiktasche. Sie öffnete ihr Urban Decay Rouge und strich sich damit über die Wangen. Dann öffnete sie den Deckel ihrer Cover Girl Wimperntusche, und trug ein paar Schichten auf den Wimpern auf. Sie zog ihren babyblauen Maybelline Lidschatten heraus, trug eine Schicht auf jedem Lid auf, und schloss die Box. Sie griff ihre Haarbürste und fuhr sich damit durch die verwirrte, verknotete Unordnung die ihr Haar war. Es war zwar noch leicht verkraust, und garantiert nicht was sie sich für ihren ersten Tag erhofft hatte, aber es musste reichen.
Rachel schnappte sich ihre schwarzen High Top Converse, und ihren Kipling Rucksack und ging zum Frühstückstisch hinunter.
Als sie unten an der Treppe ankam, konnte sie Mark und Sarah bereits darüber steiten hören, wer im Vordersitz des Wagens zur Schule fahren durfte.
"Jetzt reichts aber," sagte ihr Vater mit lauter, fester Stimme. Rachel lief schnell in die dunkle, muffige Küche, die sie zutiefst verabscheute, und setzte sich an den Tisch.
Vor ihr standen zwei Schachteln Müsli, Golden Grahams und Cheerios. Rachel griff nach den Golden Grahams, neigte die Schachtel schräg nach vorne, aber heraus kam leider nichts. Leer.
Rachel blickte zu Mark und Rachel auf, die fröhlich ihre Golden Grahams, welche fast aus den Schüsseln quollen, verzehrten.
"Vielen Dank Leute" sagte Rachel.
"Dumm gelaufen," erwiederte Mark, den Mund voller Müsli.
Rachel griff nach der Schachtel Cheerio und schüttete ein wenig in ihre Schüssel. Sie hasste schlichte Cheerios. Sie hob ihren Löffel an den Mund, nahm einen kleien Bissen und fing an zu kauen.
"Seid ihr Kinder bereit für euren ersten Tag?" fragte ihr Vater.
"Jawohl," sagte Mark. "Neunte Klasse - High School, ich komme!"
Mark hatte kein Problem mit dem Umzug, weil er gerade erst jetzt mit High School anfing und hatte daher keine Bedenken gehabt, Pennsylvania zu verlassen. Er wollte sowiso schon immer aus der kleinen Stadt raus, und deshalb war das für ihn eher ein Segen. Da er gerade erst mit der Neunten Klasse anfing, und dies deutlich besser war, als in der Zehnten neu anzufangen, war das alles einfach für Mark. In der Neunten Klasse erwartete man neue Schüler.
Sarah schaute auf ihr Blackberry und lächelte. "Gary sagt Hallo und wünscht allen einen großartigen Tag."
Sarahs Freund, Gary, hatte gerade an der Skidmore Universität angefangen, und glücklicherweise für Sarah, war dies nur eine kurze Zugfahrt entfernt.
Rachel schaute Sarah an und rollte die Augen. Sie verstand einfach nicht, wie ihre Schwester immer so quietschvergnügt und fröhlich sein konnte. Rachel's Mutter kam durch die Tür in die Küche geflitzt. "Kommt schon Kinder, ihr wollt doch an eurem ersten Tag nicht unpünktlich sein, Zeit zum gehen!" sagte sie.
Rachels Mutter küsste ihren Vater auf die Wange und sagte,"Ich seh dich wenn du von der Arbeit heimkommst. Ich wünsche dir einen ausgezeichneten Tag, ich liebe dich." Rachel, Mark und Sarah zogen alle ihre Schuhe an, griffen nach ihren Schulranzen - na ja Sarah nahm ihre schwarze Lackleder Schultertasche - und gingen zum Auto.
Sarah flitzte an Rachel vorbei und hüpfte in den Vordersitz, schloß die Tür, und fing an den Radioknöpfen herumzudrücken. Es gab eine Familienregel, nähmlich dass derjenige der im Vordersitz saß die Radiostation aussuchen durfte: was bedeutete, dass Rachel auf dem Weg zur Schule fröhliche Popmusik ertragen musste.
Es ging Rachel gewaltig auf die Nerven, als die Jonas Brothers aus dem Radio grölten. Die Spannung in ihrem Körper wuchs und sie fühlte sich kalt und feucht an. Sie hatte jetzt nur noch ein paar Minuten, bis sie zum ersten Mal in die AHS laufen würde.
Als ihre Mutter die kurvigen Landstraßen von Bedford, New York entlang fuhr, fühlten sich die Minuten fast wie Stunden an. Rachel blickte aus dem Fenster und sah Autos voller lächelnder, lachender Jugendlichen an ihnen vorbei fahren. Rachel wurde bei dem Gedanken neue Freundschaften zu schließen noch nervöser.
Einen Augenblick lang stellte sie sich vor, sie wäre auf einer Vergnügungsfahrt im Auto mit ihren neuen Freunden, lachend und über Jungs tratschend.
Rachels angenehme Gedanken wurden von einem summenden Geräusch, das aus ihrem Rucksack kam, unterbrochen.
1 Neue Nachtricht
Rachel öffnete ihr Motorola Klapphandy und sah eine SMS von Dana.
Dana: Schönen 1sten Tag! Wir vermissen dich!
XOXO.
Die Nachricht hatte einen Anhang, welches sich als ein bild herausstellte, das Dana mit ihrer Handykamera von der gesammten Clique daheim geknippst hatte.
Rachel schickte ein Smiley zurück, auch wenn das nicht gerade ihrer Stimmung entsprach.
Rachels Mutter betätigte den Blinker und nahm die letzte Einfahrt in Richtung Schule. Rachel blickte aus dem Fenster und sah ein großes Schild auf dem " Willkommen zurück, AHS Schüler," stand.
Als der Familienwagen langsam die vorderseite der Schule erreichte, griff Rachels Mutter nach ihrer Handtasche und kramte ihren Geldbeutel hervor. Rachel schaute nach unten, damit niemand ihr Gesicht sehen konnte. Langsam zog ihre Mutter zwölf verknitterte Dollarscheine heraus, und hielt jedem vier Dollar hin.
"Hier ist euer Pausengeld. Habt einen schönen Tag und macht viele neue Freunde," sagte ihre Mutter in einer übertrieben heiteren Stimme.
Als der Grauen 1997er Kombi vor die Schultür fuhr, fühlte sich Rachel total fehl am Platz. Sie sprang so schnell wie möglich aus dem Wagen, damit niemand sich daran erinnern konnte, aus welchem Wagen sie gekommen war. Sie sagte ihrer Mutter kurz auf Wiedersehen, schloss die Tür, und betrat das Meer neuer Gesichter an der AHS. Sie wünschte sich schon jetzt, dass der Tag endlich vorbei wäre.