Kapitel 4

1278 Words
Graces Sicht Hunter atmete durch die Nase aus und rieb sich mit der Hand übers Kinn. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre.“ Ich sah ihn stirnrunzelnd an. Seit wann ging ihn mein Privatleben etwas an? Wenn er früher einmal daran teilhaben wollte, hätte ich ihm zugehört. Aber jetzt? Dieses Gespräch ärgerte mich. Welches Recht hatte er dazu? Er hatte die Person, mit der er sein Leben verbringen wollte. Hatte ich das etwa nicht auch? Ich schnaubte verächtlich. „Seit wann interessiert es dich, mit wem ich meine Zeit verbringe?“ Hunters Blick fixierte mich, sein Gesichtsausdruck war düster und undurchschaubar. „Weil es mich interessiert.“ Das überraschte mich. Doch dann sagte er etwas, das genau erklärte, warum er sich ein Recht auf eine Meinung herausnahm. „Du bist die Schwester meiner Frau. Ich denke, ich habe jedes Recht, mir Sorgen um meine Familie zu machen.“ Ich hörte die Frustration in seiner Stimme. Hunter mochte es nicht, infrage gestellt zu werden. „Ich bin zwar Helenas Schwester und deine Schwägerin, aber ich bin weit über dem gesetzlichen Mindestalter.“ Einen Moment lang hatte ich gehofft, dass es ihm wirklich wichtig war. „Wenn ich tausend Männer treffen will, dann kann und werde ich das tun, und du kannst mich nicht davon abhalten.“ „Das ist doch nicht dein Ernst.“ Hunters Stimme war scharf und durchbrach die drückende Stille des Konferenzraums. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und spiegelte seine Haltung wider, während ich ihn wütend anstarrte. „Doch, das ist mein Ernst.“ Meine Stimme klang trügerisch ruhig, doch darunter brodelte es. „Ich habe heute Abend etwas vor, Hunter. Und soweit ich weiß, brauche ich deine Erlaubnis nicht, um mit jemandem essen zu gehen.“ Hunters Kiefer verkrampfte sich, seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Du kennst ihn doch gar nicht.“ „Doch, ich kenne ihn gut genug. Ich steckte mit ihm im Aufzug fest, und ich weiß, dass er dein Freund ist. Also, was ist dein Problem?“ Ich sah einen Anflug von Wut in seinen braunen Augen aufblitzen. „Das reicht nicht“, fuhr er mich an und trat näher. „Grace, du könntest schwanger sein. Du solltest auf dich selbst aufpassen, anstatt mit so einem –“ „Sozusagen?“, unterbrach ich ihn mit erhobener Stimme. „Mit einem Mann, der mich tatsächlich als Mensch sieht, als Frau, nicht als wandelnden Brutkasten?“ Mir stieg die Wut in die Adern. „Denn genau das scheine ich für dich und Helena zu sein.“ Hunters Nasenflügel bebten, als er scharf ausatmete. „Das stimmt nicht.“ „Echt nicht?“, lachte ich bitter auf. „Du hast nicht gefragt, ob es mir gut geht, nachdem der Aufzug stehen geblieben war. Du hast nicht gefragt, ob ich Angst hatte oder ob ich verletzt wurde. Das Erste, was du getan hast, war, Max zu sagen, er solle mich loslassen, als hättest du das Recht, mir vorzuschreiben, wer mich berühren darf.“ Hunters Augen verfinsterten sich. „Ich … also … Max hat einen Ruf.“ Mir stockte der Atem, aber ich weigerte mich, mir darüber Gedanken zu machen. Im Gegenteil, es könnte sogar etwas Gutes sein. Vielleicht war er der Einzige, der das Eis um mein Herz brechen konnte. „Gott, ich hoffe es so sehr. Ich brauche etwas Aufregung in meinem Leben.“ Hunter blinzelte. Seine Lippen öffneten sich leicht, als wollte er etwas sagen, aber er brachte kein Wort heraus. Seine Augen verengten sich. „Was geht dich das an, Hunter?“, fragte ich eindringlich, meine Stimme nun leiser, aber gefährlicher. „Warum ist es dir wichtig, ob ich mit Max essen gehe?“ „Es ist dir einfach wichtig“, sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Das ist keine Antwort.“ Es ging um Kontrolle. Hunter mochte es nicht, wenn man ihm die Kontrolle nahm, und genau das tat ich gerade. Hunter wandte sich abrupt ab und fuhr sich frustriert durch die Haare. „Grace, ich habe keine Zeit für so etwas. Ich will nur sichergehen, dass du nichts Unüberlegtes tust.“ Ich lachte scharf auf. „Rücksichtslos? Ist ein Abendessen jetzt rücksichtslos?“ „Wie gesagt, du kennst Max nicht.“ Hunter war sichtlich unzufrieden mit mir, weil ich nicht nach seiner Pfeife tanzte, weil ich keine brave Angestellte war. Aber als mein Chef hatte er kein Recht, mit mir darüber zu reden. Als mein Schwager dachte er, er hätte es. „Aber du kennst ihn doch? Du kennst ihn als Freund, Hunter, nicht als potenziellen Partner. Also lass mich in Ruhe.“ „Ich weiß genug über seine Dating-Vergangenheit“, sagte Hunter finster. Ich legte den Kopf schief und musterte ihn aufmerksam. „Ist mir egal. Du suchst nur nach Ausreden, weil dir die Vorstellung nicht gefällt, dass ich ein Leben außerhalb dieser Vereinbarung habe.“ Hunter fluchte leise und wandte sich wieder mir zu. „Darum geht es nicht.“ „Was denn dann?“ Er presste die Zähne zusammen. Er wusste keine Antwort, und die Stille zwischen uns war von etwas Unausgesprochenem erfüllt. Plötzlich wurde mir bewusst, wie nah wir beieinander standen. Ich spürte die Wärme, die von seinem Körper ausging, die kaum verhohlene Spannung zwischen uns. Mein Puls raste. Für einen kurzen Augenblick huschte Hunters Blick zu meinen Lippen, bevor er ihn abrupt abwandte. Ich schluckte schwer. Nein. Auf keinen Fall. Ich musste es mir eingebildet haben. So lange hatte ich mir mehr gewünscht, also hatte ich etwas hineininterpretiert, was gar nicht da war. Langsam trat ich einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf, als wollte ich die plötzliche Flut der Erkenntnis vertreiben. „Du hast nicht das Recht, mich zu kontrollieren, Hunter. Du hast mir nicht vorzuschreiben, was ich darf und was nicht.“ Sein Kiefer spannte sich erneut an, seine Frustration war deutlich zu sehen. „Ich versuche nicht, dich zu kontrollieren, Grace.“ „Doch, das tust du.“ Ich holte zitternd Luft. „Und das werde ich nicht zulassen.“ Hunters Augen brannten sich in meine, seine Hände immer noch zu Fäusten geballt. Gerade als er den Mund zum Antworten öffnete … schwang die Tür auf. Ich erstarrte, als Helena hereinkam. Ihr Gesichtsausdruck war undurchschaubar. Ihr Blick huschte zwischen uns hin und her und nahm die angespannte Atmosphäre in sich auf. „Was ist los?“, fragte sie langsam. Hunter wich sofort zurück, die Veränderung in ihm war augenblicklich. Sein Gesicht wurde ausdruckslos, seine Haltung straffte sich, als wäre nichts geschehen. „Nichts.“ Ich lachte kurz auf. Natürlich. Helenas Blick wurde schärfer, als sie zwischen uns beiden hin und her sah. Sie wusste vielleicht nicht genau, was los war, aber dumm war sie nicht. Die Luft war zum Schneiden d**k, meine Wut auf Hunter fast sichtbar. Ich konnte meine Gefühle in diesem Moment nicht verbergen. Sie standen mir ins Gesicht geschrieben, und ich war wütend. Ich musste hier weg, also drehte ich mich zur Tür. „Ich sollte zurück an die Arbeit.“ Helena zog eine Augenbraue hoch. „Grace.“ Ihr Tonfall war fragend. Ich zögerte, drehte mich aber nicht um. Ihre Stimme war sanft. „Gibt es etwas, das ich wissen sollte?“ Ich warf einen Blick über die Schulter zu Hunter. Sein Gesichtsausdruck war sorgsam beherrscht, doch seine Kiefermuskeln waren angespannt, seine Hände zuckten, als wollte er mich am Gehen hindern. Feigling. Ich schüttelte nur den Kopf. „Frag deinen Mann.“ Ich würde ihn damit nicht davonkommen lassen. Er dachte wohl, er könne mich so ausfragen und dann alles Helena erklären. Und damit ging ich hinaus und ließ Helena und Hunter allein.
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