Prolog
Der Raum lag dunkel und verlassen da, eine dicke Staubschicht lag auf den alten Holzmöbeln und viele der zahlreichen Bücher, welche überall in dem kleinen Raum verstreut dalagen, hatten bereits vergilbte Seiten. Auch die wissenschaftlich aussehenden Instrumente, welche im Raum verteilt waren, wiesen bereits erste Zeichen des Zerfalles auf. Außer dem leisen Schrei einer Eule und dem leichten Säuseln des Windes war kein einziges Geräusch zu vernehmen. Jedenfalls beinahe. "Das ist unmöglich! Seit Jahrhunderten wurde kein Neuer erwählt.", rief ein junger, großgewachsener Mann, gekleidet in einer roten Robe, die hinter ihm her wehte, als er die Tür zu dem bislang verlassenen Raum aufstieß, und somit eine gewaltige Staubwolke aufwirbelte, die ihn zum Niesen brachte. Kurz darauf erschien ein alter Mann mit langem grauem Bart hinter ihm, welcher einen braunen Umhang über seine graue, mittelalterliche Kleidung trug. In der Hand hielt er ein strahlendes Amulett, welches den düsteren Raum sofort erstrahlen ließ. "Merlins Amulett irrt nie! Die Magie ist erwacht. Er wurde ein neuer erwählt." Im Gegensatz zu seinem jungen Begleiter war seine Stimme ruhig und gelassen. Als der staubbedingte Niesanfall des rot gekleideten Mannes endlich nachließ, schüttelte dieser erneut den Kopf. "Vielleicht ist es defekt.", schlug er vor, und sofort warf der alte Mann ihm einen wütenden Blick zu. "Merlins Amulett ist das mächtigste, magische Relikt aller Zeiten, es irrt sich nie und es ist auch bestimmt nicht defekt.", knurrte er warnend, mit einem Unterton in der Stimme, der keine weiteren Diskussionen zulassen würde. Ohne weiter auf seinen Begleiter zu achten ging er zu einem der Regale, welches gefüllt war mit Pergamenten und Schriftrollen aller Art und zog gezielt eine der Schriftrollen heraus, die er auf einem der hölzernen Tischen ausbreitete, wobei er achtlos die Bücher, die bisher darauf gelegen hatten, mit einer Handbewegung vom Tisch fegte, welche mit einem lauten Poltern am Boden landeten, wodurch sie erneut eine Staubwolke aufwirbelten. Doch diese schien ihn nicht weiter zu stören, denn er brütete bereits konzentriert über der nun aufgerollten Schriftrolle, welche eine Karte zeigte. Da trat sein junger Begleiter zu ihm und betrachtete stirnrunzelnd die Karte. "Gut, dann nehmen wir einmal an, es ist wirklich ein Neuer erwacht. Die Welt da draußen ist nicht mehr die Gleiche. Die sogenannte Modernisierung hat die alten Bräuche abgelöst. Moderne Technologie beherrscht die Welt, Magie ist zu einem Mythos geworden, ebenso wie wir. ", erinnerte er den alten Mann, der bloß abwertend schnaubte, ohne von der Karte aufzusehen, über die er nun das immer noch leuchtende Amulett baumeln ließ. "Vollkommen irrelevant. Er ist einer von uns, ein Wizard, wir müssen ihn zu uns holen, ihn unterrichten, ihn lehren seine Macht zu kontrollieren. Du weißt was passieren kann, wenn er nicht lernt mit seiner Magie umzugehen.", widersprach der alte Mann und sah für einen Moment auf, um seinen Gegenüber einen vielsagenden Blick zu zuwerfen, welcher dieser nur mit einem Seufzer quittierte. "Eine Katastrophe?", murmelte er resigniert, und der Alte nickte bedächtig. "In der Tat.", stimmte er ihm zu, als plötzlich das Amulett zu pulsieren begann und dann wie von Zauberhand auf die Karte hinab fuhr, um einen bestimmten Ort zu markieren. Der alte Mann lächelte leicht. "Komm, holen wir unseren neuen Lehrling, in sein neues Leben.", flüsterte er und Vorfreude schwang in seiner Stimme mit. Eine Vorfreude, die sein Begleiter ganz und gar nicht teilen konnte. "Ich bin mir sicher er wird begeistert sein, wenn plötzlich zwei Zauberer vor seiner Tür stehen, um ihn in ein magisches Land zu entführen.", meinte er zynisch. Erneut bekam er einen vorwurfsvollen Blick des alten Mannes zugeworfen, ehe dieser voller Überzeugung meinte: "Er wird es mit Fassung tragen. Er ist einer von uns, in seinem Blut fließt die Ehre, Erhabenheit und Weisheit der Wizards."
"Wie lange macht er das schon?" Die hochgewachsene, junge Frau drehte sich um als die ältere Frau den Raum betrat. Trotz ihres Alters, und den bereits vereinzelten grauen Strähnen in ihrem Haar, strahlte sie eine beinahe greifbare Macht aus. Ihre Augen wanderten an der jungen Frau vorbei zu dem Ring, der in einem gleißenden blau erstrahlte und leicht pulsierte. "Ich weiß nicht genau, als ich angekommen bin, war er bereits so.", antwortete die junge Frau kühl und ihr Blick huschte wachsam zwischen dem Ring und der älteren Frau hin und her. "Das ist ein gutes Zeichen.", flüsterte diese, trat an den Ring heran und hob ihn beinahe ehrfürchtig hoch. "Du weißt was das für uns bedeutet.", flüsterte sie, ohne ihren Blick von den Ring abzuwenden. "Einen Vorteil für uns, nehme ich an?", fragte die junge Frau und ein leichtes Lächeln erschien auf ihren Lippen, während sie über ihr goldenes Kleid fuhr. "Eine neue Witch, nach so vielen Jahrhunderten. Das ist großartig!", redete die alte Frau weiter, ohne auf die Worte ihrer jungen Gefährtin zu achten. Diese verdrehte die Augen, sagte jedoch nichts, sondern trat näher heran. "Wie holen wir sie her? Sie ist dort, in der anderen Welt. Und ich fürchte der offizielle Weg wird uns wohl versperrt bleiben. Der Torwächter wird uns wohl kaum durchlassen.", erinnerte sie die Alte leise, welche den Blick endlich von dem pulsierenden Ring abwendete, und ihre Begleiterin ansah. "Der Torwächter wird beschäftigt sein. Wenn eine neue Witch erwählt wurde, dann auch ein neuer Wizard. Keine Sorge, Teuerste, er wird uns nicht im Wege stehen. Keiner wird uns im Wege stehen. Nichts wird uns davon abhalten unsere neue Schülerin her zu bringen." Die junge Frau sah nicht sonderlich überzeugt aus. "Vorausgesetzt sie wird mit uns mitkommen. Vergiss nicht, die Welt hat sich verändert. Magie ist in Vergessenheit geraten. Wir sind in Vergessenheit geraten. Woher wissen wir, dass sie uns begleiten wird.", warf sie ein, während sie durch den Raum schlenderte. Die alte Frau verstaute den Ring vorsichtig in der Innenseite ihres langen Mantels, ehe sie antwortete: "Tief in ihrem Inneren, wird sie wissen, was ihre Bestimmung ist, und wo sie hingehört. Nämlich hier her, zu uns. In ihrem Blut fließt die Stärke, Weisheit und Würde der Witches."