"Jetzt komm schon Siri, wir kommen noch zu spät!", rief Alice ungeduldig, ehe sie in das Zimmer gestürmt kam. Schnell klappte Sirina ihren Laptop zu und wirbelte herum. "Alice, wie oft habe ich gesagt du sollst klopfen!", rügte sie ihre beste Freundin, die bloß grinsend näherkam. "Was versteckst du da?", fragte sie neugierig und versuchte an Sirinas Laptop heranzukommen, doch diese war schneller und brachte ihn außer Reichweite. "Ich arbeite an einer neuen Geschichte, sie ist aber noch nicht fertig.", antwortete Sirina, ehe sie den Laptop in der Tasche verstaute und nach ihrer Jacke griff. Alice verschränkte die Arme und neigte den Kopf etwas. "Lass mich raten, es geht wieder um Hexen?", hakte sie weiter nach. Sirina grinste zwar, antwortete jedoch nicht sondern ging einfach an ihrer Freundin vorbei. "Das du so besessen von Magie bist. Ich verstehe wirklich nicht, warum du ein Wirtschaftsstudium machst, Okkultismus würde doch viel besser für dich passen. Oder du lässt das Studium gleich sein und wirst Autorin, ich kenne deine Geschichten, du hättest das Talent dazu.", rief ihr Alice hinterher. "Du weißt ganz genau das meine Eltern mich umbringen würden, wenn ich das Studium schmeiße. Außerdem schreibe ich nur für mich, nicht für andere. Ich bereue es ja schon, meine Geschichten dir gezeigt zu haben." Während Sirina ihre Stiefel anzog erschien Alice neben ihr und öffnete mit einem verschmitzten Lächeln die Haustür. "Wenn du mich lassen würdest, könnte ich dich berühmt machen, Siri. Ich wäre eine großartige Managerin, und würde auch nur 30% vom Verkaufserlös verlangen." Sirina boxte ihr spielerisch in die Seite. "Siehst du, dafür ist ein Wirtschaftsstudium gut. Um nicht von Leuten wie dir übers Ohr gehauen zu werden." Lachend verließen die beiden Mädchen die Wohnung. Sie verließen das Studentenwohnhaus und wollten sich gerade auf den Weg zur Universität machen, als Sirina plötzlich auffiel, dass sie ihr Handy vergessen hatte. "Verdammt, ich komm gleich wieder. Geh schon mal vor, ich hole dich schon ein.", rief sie Alice zu, während sie bereits wieder die Stiegen nach oben eilte. Sie schloss die Tür auf und eilte in ihr Zimmer, doch ihr Handy war unauffindbar. Stirnrunzelnd durchsuchte Sirina das Zimmer, doch sie konnte es nicht finden. Verwirrt verließ Sirina ihr Zimmer und wollte Richtung Küche, um dort zu suchen, als sie plötzlich Geräusche aus dem Wohnzimmer hörte. Alarmiert blieb sie stehen und drückte sich gegen die Wand. Hier war jemand! Im selben Moment ertönten Stimmen. "Was ist das?" Die Stimme schien zu einer Frau zu gehören, die es gewohnt war, Befehle zu erteilen, denn es schwang eine nicht zu ignorierende Autorität in ihrer Stimme mit. Eine weitere Frau antwortete ihr: "Das muss eines dieser neumodischen Technologien sein, vor der wir gewarnt wurden." Obwohl die Stimme der zweiten Frau melodisch war, schwang auch eine gewisse Kälte darin mit. "Wie grotesk.", ertönte erneut die Stimme der ersten Frau. Während die beiden weiterhin miteinander diskutierten, rasten Sirinas Gedanken. Die Vernunft schrie, sie sollte so schnell wie möglich von hier verschwinden und mit Alice die Polizei rufen, doch da war auch das eindringliche flüstern ihrer Neugier, welche sie dazu bringen wollte, einen Blick, um die Ecke zu werfen. Und wie schon so oft, siegte ihre Neugier über ihre Vernunft. Leise, um die beiden Einbrecherinnen nicht auf sie aufmerksam zu machen, lugte Sirina um die Ecke in das kleine Wohnzimmer. Zwei hochgewachsene, wunderschöne Frauen standen dort. Die jüngere der beiden trug ein elegantes, und doch altmodisches, goldenes Kleid mit wunderschönen Verzierungen. Langes blondes Haar fiel ihr in perfekten Wellen den Rücken herab, und ihre ganze Haltung strahlte Selbstbewusstsein gepaart mit jeder Menge Arroganz aus. Ihre Kollegin war etwas älter, doch sie strahlte mit ihrer aufrechten Haltung und strenger Miene eine beinahe fassbare Autorität aus. Ihre Kleidung war beinahe noch merkwürdiger als die ihrer jungen Komplizin. Sie trug ein altmodisches weißes Kleid, mit einer rüstungsähnlichen Panzerung, welches beinahe so aussah, als stamme es aus dem Mittelalter. Ein langer weinroter Umhang mit einem weißen Pelzkragen hing über ihren Schultern, und gemeinsam mit der merkwürdigen Kopfbedeckung, eine Art goldenes Diadem mit Flügeln an den Seiten und filigran eingravierten Schriftzeichen, sah sie aus, wie eine nordische Kriegsgöttin. Sirina war so fixiert auf die beiden seltsamen Frauen, dass sie nicht merkte das sie sich immer weiter nach vorne beugte, bis sie schließlich den Halt verlor und stolperte. Sie konnte sich zwar auf den Beinen halten, doch sie zog die Aufmerksamkeit der beiden Frauen auf sich. "Da bist du ja meine Liebe, wir haben uns schon Sorgen gemacht, wir hätten dich verpasst.", meinte die nordische Göttin mit einem freundlichen Lächeln, während die blonde Schönheit Sirina bloß mit kühlem Blick von oben bis unten musterte. Kurz stand Sirina einfach nur da und sah zwischen den beiden Frauen hin und her, doch sie hatte sich schnell wieder gefasst und ihre übliche temperamentvolle Ader ging mit ihr durch. Sie richtete sich auf, erwiderte den Blick der beiden Frauen standhaft und hob sogar leicht herausfordernd den Kopf. "Wer sind Sie, und was sollen Sie hier?", fragte sie mit fester Stimme. Ein Lächeln erschien auf den roten Lippen der Blonden, und sie sah zu ihrer älteren Kollegin. "Sie ist perfekt.", meinte sie, und auch die andere Frau nickte bedächtig. "Temperamentvoll, mutig, vielleicht etwas zu unbedacht, doch das bekommen wir mit der richtigen Ausbildung schon hin.", antwortete diese leise. Verwirrt sah Sirina zwischen den beiden Frauen hin und her, die sich so selbstverständlich über ihren Kopf hinweg unterhielten. "Ich frage Sie kein drittes Mal, sagen Sie mir sofort wer Sie sind, oder ich rufe die Polizei.", drohte Sirina, sehr wohl wissend, dass sie kein Handy hatte, mit dem sie ihre Drohung wahr machen könnte, doch das konnten die beiden Frauen ja nicht wissen. Doch die Aussicht auf die Polizei ließ die beiden Frauen allem Anschein nach kalt. Die nordische Göttin trat einen Schritt nach vorne und neigte leicht ihren Kopf. "Kein Grund ungeduldig zu werden, Geduld ist eine Tugend, meine Liebe. Doch keine Sorge, auch das wirst du noch früh genug erlernen." Sie hob den Kopf wieder und sah Sirina direkt an, ihre grünen Augen schienen direkt in Sirinas Seele sehen zu können, doch trotzdem wandte Sirina ihren Blick nicht ab. Ein wohlwollendes Lächeln erschien nun auf ihren Lippen. "Ich bin Aida Maleysa, Älteste der Witches und Hüterin von Morganas Ring. Und dir, Sirina Marissona, wurde das wohl größte Geschenk überhaupt bereitet. Dir wurde Magie in die Wiege gelegt, und wir sind hier, um dich mitzunehmen, um deine Ausbildung zu beginnen, um Eine der Unseren zu werden. Eine Witch."