Kapitel Zwei

1244 Words
Lyra Perspektive > Vor drei Jahren << „Segne diese Verbindung und stärke ihr Band“, riefen meine Familienmitglieder, unsere Stimmen hallten gleichmäßig um das kleine Zeremonienfeuer, unter dem Schein des Vollmondes. Jedes Mädchen in unserem Rudel durchläuft das. Ein heiliger Ritus – einen Tag vor der Paarungszeremonie – bei dem ihre Familie zur Mondgöttin betet, um die Verbindung zu segnen. Heute Abend war ich an der Reihe. Ich war so aufgeregt. Nach vier Jahren der Werbung zwischen Alpha Kael und mir würden wir endlich unser Band für immer besiegeln. Ich konnte spüren, wie meine Wölfin Nyra vor Freude strahlte. Was könnte schöner sein, als mit der Liebe meines Lebens zusammen zu sein? Ein Mann, der mich immer beschützt hat und mir nie ein Leid zugefügt hat. „Wir haben das letzte Ritual erreicht! Morgen wird die Paarungszeremonie stattfinden. Die Mondgöttin hat ihren Segen gegeben!“, verkündete meine Großmutter, und alle jubelten vor Freude. In unserem Rudel, wenn die Mondgöttin eine Verbindung nicht unterstützt, geht während des heiligen Rituals immer etwas schief. Aber hier stehe ich – mein Ritual wurde erfolgreich abgeschlossen – ein klarer Beweis für den Segen der Göttin. „Lyra, du solltest jetzt in dein Zimmer gehen und dich ausruhen. Morgen ist dein großer Tag“, sagte meine Mutter mit einem stolzen Lächeln im Gesicht. „In Ordnung, Mama“, sagte ich und stand auf. Meine Freundin begleitete mich durch den Flur zu meinem Zimmer. Gerade als wir hineingehen wollten, klingelte ihr Handy. Ich nahm an, es sei ihr Gefährte. „Du kannst gehen, wenn du willst“, sagte ich lächelnd. „Bist du sicher, dass du alleine zurechtkommst?“ fragte sie. Ich nickte beruhigend. Ich gab mein Passwort ein, und die Tür öffnete sich. Als ich eintrat, war ich überrascht, dass das Licht aus war. Ich schaltete die Taschenlampe meines Handys ein und ging zum Schalter. Doch als ich mich umdrehte, erstarrte ich – mein Herz setzte aus. Ich stand wie angewurzelt. Kael lag auf meinem Bett. Was zum Teufel machte er hier? Er lächelte mich an, sein Blick war weich. Seine Augen waren so zärtlich und voller Liebe. Ich stand einfach da, unfähig zu sprechen. Ich lächelte zurück, obwohl ich tief in mir wusste, dass er hier nicht sein sollte. „Solltest du nicht bei deiner Familie sein und dich auf morgen vorbereiten?“ neckte ich ihn und zog eine Braue hoch. Er lachte leise. „Ich habe alles schon vor über einer Stunde erledigt. Ich lag im Bett, aber ich konnte nicht schlafen… also kam ich zu dir.“ „Du bist so unvernünftig“, sagte ich halblachend, während ich versuchte, ihn vom Bett zu ziehen. „Ab morgen gehöre ich dir für immer. Du musst jetzt gehen.“ Doch anstatt aufzustehen, griff er nach meiner Hand und zog mich auf das Bett, sodass ich auf seiner Brust landete. „Willst du jetzt wirklich abergläubisch sein? Du und ich wissen beide, dass du daran nicht wirklich glaubst“, sagte er grinsend. Ich konnte nicht anders, als ihn anzusehen, mein Herz wurde weich. Er beugte sich vor, um mich zu küssen. „Meine Familie darf dich nicht hier sehen“, sagte ich und schob ihn sanft zurück. „Komm schon, du musst wirklich gehen.“ „Ich werde gehen“, sagte er mit einem schelmischen Lächeln. „Aber nur unter einer Bedingung...“ „Welche Bedingung?“ fragte ich. Er zögerte kurz, stand dann auf und sagte: „Komm mit mir. Lass uns eine letzte schöne Erinnerung teilen, um unsere Werbung zu beenden – im Wissen, dass wir morgen für immer verbunden sein werden.“ Ich zögerte nicht. Ich legte meine Hand in seine, und unsere Finger verschränkten sich, als wir leise durch den Balkon hinausschlichen – wie zwei verliebte Teenager. Wir erreichten den großen Garten hinter meinem Haus, ein wenig entfernt vom Hauptgebäude. Es war friedlich, im sanften Licht des Mondes getaucht. Der Ort war weitläufig und schön, erfüllt vom Duft der Nachtblumen. Dort, umgeben von der Natur und der Stille, ließen wir unserer Liebe freien Lauf. Wir lachten, berührten uns, küssten uns – unsere Herzen erfüllt mit Freude, während wir die Liebe feierten, die uns bis hierher geführt hatte. --- Ich starrte in den Spiegel, der Atem stockte mir in der Kehle. Gekleidet in das heilige silberne Hochzeitsgewand, lächelte ich stolz. Das war mein Traum. Nach unserer Tradition muss das Ritual zuerst stattfinden. Die Feier danach war optional – eine Entscheidung des Paares. Aber das Ritual? Das war heilig. Die Tür quietschte, und meine beste Freundin Stella trat ein, ihre Augen leuchteten, als sie mich sah. „Dein Gefährte wartet“, sagte sie, kaum in der Lage, ihre Aufregung zu verbergen. „Der Priester, die Ältesten, deine Familien, das ganze Rudel – sie alle warten auf ihre Luna.“ Freya war seit unserer Kindheit an meiner Seite. Sie hatte mit mir gebetet, mit mir geweint und immer gehofft, dass ich einen Gefährten finden würde, der meiner Liebe würdig ist. Heute war sie mehr als eine Freundin – sie war meine Schwester im Geiste. Sie nahm meine Hand und führte mich den Gang entlang, jeder Schritt ein stiller Segen unserer Ahnen. Mein Herz raste, als ich mich neben meinen Gefährten setzte. Sein Gesicht war wie meins verschleiert – verborgen bis zum letzten Gelübde. Die Hochzeitsrituale begannen langsam, jeder Schritt war bewusst, heilig. Eins nach dem anderen entfalteten sich die Traditionen, verbanden nicht nur zwei Seelen, sondern zwei Schicksale. „Wir stehen kurz vor dem letzten Schritt“, verkündete der Priester mit ruhiger, kraftvoller Stimme. „Sobald dies vollzogen ist, beginnt das Band zu wirken. Doch vorher – reicht euch die Hände und geht gemeinsam um das Feuer. Das ist der Weg vor dem letzten Ritus.“ Wir standen beide auf. Unsere Hände fanden sich wie von selbst, die Finger verschränkten sich wie zwei Puzzleteile, die genau zueinander passten. Ich lächelte unter meinem Schleier, mein Herz ruhig, voller Liebe und Gewissheit. Ich war bereit. „Dies ist der Weg eines ganzen Lebens“, fuhr der Priester fort. „Ihr müsst ihn nicht nur mit euren Füßen gehen, sondern mit euren Herzen. Von diesem Moment an ist euer Band halb geformt – es wartet auf das letzte Siegel. Seid ihr beide bereit, diesen Weg gemeinsam zu gehen?“ „Ja“, antworteten wir im Einklang, unsere Stimmen hallten durch die stille Menge. Während wir das heilige Feuer umrundeten, sprach er die Bedeutung jedes Schrittes – jeder Kreis stand für Vertrauen, Stärke, Loyalität, Einheit, Opfer, Liebe und Schicksal. Mit jeder Runde spürte ich, wie sich das Band stärker anfühlte, wie unsichtbare Fäden zwischen unseren Seelen gewoben wurden. Wir setzten uns nach den Gelübden wieder. „Nun zum letzten Schritt, gemäß unserer Tradition“, verkündete der Priester. „Ihr werdet beide eure Hände im heiligen Wasser waschen. Sobald das Band wirkt, dürft ihr einander enthüllen.“ Die Schale mit Wasser wurde gebracht. Die Braut geht zuerst, so will es die Tradition. Ich tauchte meine Hände sanft ins Wasser, spürte seine Wärme – das Symbol für Einheit und Verbindung. Doch genau in diesem Moment wurde die Zeremonie unterbrochen – einer unserer Krieger stürmte in die Halle. Sein Gesicht war angespannt, panisch. „Mein Alpha!“ rief der Oberkrieger. „Unser Rudelterritorium wurde vom Bloodfang-Rudel überfallen. Wenn wir jetzt nicht in den Krieg ziehen, werden sie uns überrennen!“ „Was?!“ keuchte ich, und wir beide sprangen schockiert auf.
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