05

1458 Words
"Alter, bist du behindert?!" Dewson's Haare sind komplett nass und ich würde, auch wenn es nur ein Fisch war, nicht gerne daran riechen. Der Fisch liegt, etwas weiter von ihm entfernt, auf dem Boden und ein paar Kleinkinder gucken Dewson geschockt an. Eigentlich sieht er ganz lustig aus und würde er nicht so grimmig gucken, wäre ich schon längst in Gelächter ausgebracht. Er macht einen Schritt auf Harvey zu, seine Hände sind zu Fäußten geballt und würde ihm wahrscheinlich am Liebsten an die Gurgel springen, während Harvey einfach nur da steht und ihn provuzierend ansieht. Er scheint Gefallen daran zu haben, da er eine Augenbraue hebt und darauf wartet, dass Dewson auf ihn losgeht. Ich bin mir sicher, dass dieser "Fehlfang" eigentlich gar kein Fehlfang war und ich denke auch nicht, dass Harvey so schlecht im Werfen ist und anstatt das Meer, dass auf der anderen Seite liegt, genau Dewson trifft. "Was ist dein Problem? Suchst du Stress!?" Bevor Harvey etwas erwiedern kann, obwohl ich nicht glaube, dass er überhaupt etwas erwiedern wollte, und ein Streit entstehen kann, schnappe ich mir Dewson's Hand und ziehe ihn mit mir mit. "Wir sollten besser gehen." Dabei sehe ich zu Harvey, der meine Handlung nur beobachtet. Sein Blick ist nur auf mich gerichtet und seine Stirn kräuselt sich. So, wie er mich eben immer ansieht. Dewson wirft Harvey noch einen hasserfüllten Blick zu, bevor er sich von mir weiter ziehen lässt. Wir lassen Harvey immer weiter zurück und nach einer Zeit lasse ich Dewson's Hand los. Still gehen wir zu seinem Wagen. Als ich nocheinmal zurückblicke, sehe ich, dass Harvey sich immernoch nicht bewegt hat. "Ich glaube, ich gehe sofort nach Hause, duschen", brummt Dewson, "soll ich dich mitnehmen?" Ich schüttele den Kopf. "Ich muss noch auf meine Grandma warten." Er nickt nur und steigt in den Wagen. Irgendwie tut er mir Leid. Er hat sich seinen Nachmittag bestimmt anders vorgestellt, als von einem Fisch beworfen zu werden und danach nach ihm zu stinken. Komischerweise plagen mich Schuldgefühle, obwohl ich ja eigentlich gar nichts gemacht habe. Das ist alles Harvey's Schuld! Nachdem Dewson weggefahren ist, warte ich einfach am Hafeneingang auf meine Grandma. Ich sitze auf der Bank und schließe meine Augen. Mittlerweile ist es kühler und der Wind hat sich verstärkt und wirbelt meine Haare umher. Dennoch liebe ich es. Ich versuche Harvey zu verstehen. Warum hat er den Fisch geworfen? Und dann auch noch absichtlich? Kennt er Dewson von irgendwoher? Ich würde gerne sagen, dass es etwas mit mir zu tun hat, doch das ist Harvey. Was sollte er schon mit mir zu tun haben wollen? Ich rüpfe meine Nase, als ich ein Geruch von Zigaretten und ein Pfeifen vernehme. Ich öffne meine Augen und sehe Harvey, wie er in meine Richtung kommt und wahrscheinlich zu seinem Wagen will. Seine Haare wirbeln dank dem Wind umher und er hat wieder ein schwarzes Shirt mit einer Kapuze unter seiner Lederjacke an. Er sieht einfach nur gut aus. Als er an der Bank, auf der ich sitze vorbeigeht, schnippst er seine Zigarette weg, die genau vor meinen Füßen landet. Ich verdrehe die Augen, während er weitergehen will, doch als er meinen spöttischen Unterton in meiner Stimme hört, bleibt er stehen. "War das auch ein Fehlfang, Harvey?" Ich betone seinen Namen und er dreht sich zu mir um, mit einem komischen Blick. "Verteidigst du jetzt diesen Mistkerl?" Der Sarkasmus ist unüberhörbar und er sieht mich arrogant an. Ich antworte nicht und stehe einfach von der Bank auf, um ein paar Schritte auf ihn zu zumachen, während er jeden meiner Schritte verfolgt. Sein Blick gleitet über meinen Körper. Von meinem weißen Top bis zu meinem roten Rock, den mir Grandma erst letzte Woche geschenkt hat. Sein Blick ist nicht aufdringlich oder unangenehm. Ganz im Gegenteil, nur interessiert. Nicht an meinem Körper, doch an dem Rock. Doch warum? "Ich verteidige ihn nicht. Das hätte auch jemand anderes, beliebiges sein können. Aber das was du getan hast, war nicht korrekt und nicht nett." "Na und. Soll ich mich jetzt entschuldigen?" Er verdreht einfach nur die Augen. "Stell dir vor, jemand hätte dasselbe mit dir gemacht", motze ich wütend und wundere mich über mich selbst. Es kann mir doch egal sein. Schließlich geht es nicht um mich, aber ich will einfach den Grund seiner Handlung wissen. Er verringert den Abstand und ist etwas größer als ich, weswegen ich aufblicken muss. Sein Blick ist nur auf mich fokussiert und ich bemerke jetzt schon, dass mein Herzschlag sich verschnellert. Ich spühre die Wärme, die von ihm ausgeht. "Dann wäre ich zu dem Wichser hingegangen und hätte ihm einfach eine verpasst, sodass er auch nie wieder nur einen Fisch anfassen, geschweige denn, ansehen könnte, Kleine." Seine Stimme ist rau und nur ein Flüstern und ich kann meine Gänsehaut nicht unterdrücken. Er sagt das alles so, als wäre das voll normal und etwas alltägliches, was ich mir bei ihm gut vorstellen kann. "Nenn mich nicht, Kleine", murmele ich nur und senke meinen Blick, weil er seinen Blick immernoch nicht abgewendet hat und ich nicht länger in seine Augen sehen kann. Doch ich blicke schnell wieder auf, als ich seinen warmen Atem gegen meine Lippen spühre. Er hat sich weiter nach vorne gebeugt und unsere Nasenspitzen berühren sich fast. "Wieso? Gefällt es dir nicht?" Seim Atem ist so warm, dass meine Lippen anfangen so komisch zu prickeln und ich sie am Liebsten einfach auf seine gepresst hätte. Ich rieche seinen Aftershave mit Rauch gemischt und fühle mich, wie benebelt. Wie in einer anderen Welt. Mein Herz scheint gleich auszusetzen, so schnell schlägt es und dieses Gefühl in meinem Unterleib ist kaum beschreibbar. Ich habe nichts unter Kontrolle. Weder meinen Körper, noch meine Gefühle. Seine grünen Augen bohren sich in meine braunen und fasziniert von ihnen, blicke ich von diesen abwechselnd zu seinen Lippen, genau wie er es bei mir tut. Ich nehme das Rauschen des Meeres, den kühlen Wind und die Möwen nicht mehr war. Es scheint, als gäbe es nur noch ihn und mich. Oh, Gott! Ich glaube, ich kippe gleich um. Diese Hitze ist nicht auszuhalten! "Du hast mir nicht geantwortet, Mady." Diese Stimme. "I-ich, ehmm.., doch es g-gefällt mir..", stammele ich vor mich hin, bis ich erst zu spät merke, was ich da überhaupt gesagt habe. "Wusst ich's doch." Und mit einem zufriedenem Grinsen entfernt er sich und lässt mich perplex und aufgewühlt zurück. Er hat das absichtlich gemacht! Die Hitze steigt mir bestimmt in den Kopf, denn so fühlt es sich auf jeden Fall an und bevor ich wieder zu mir selbst komme und meine Worte wiederfinde, sehe ich, wie er sich seine Kapuze über den Kopf stülpst und pfeifend auf den Parkplatz zu marschiert. Natürlich ohne sich nocheinmal umzudrehen. _ "Oh, mum, ich liebe dein Essen!" Mum isst einen Teller nach dem Anderen und lobt meine Grandma für den leckeren Fisch, während ich einfach nur in meinem Essen herumstochere. Mein Dad ist wiedermal auf der Wache, weswegen Grandma uns zum Abendessen eingeladen hat. "Mady, warum isst du denn nichts?" "Keinen Hunger", sage ich nur, während Mum ihre Stirn runzelt. "Aber du liebst Fisch, Schätzchen!" "Hatte aber heute genug davon", grummele ich, weswegen Grandma auflacht. Ich weiß, was jetzt kommt. "Sie hat heute genug Zeit mit Fischen verbracht oder eher mit einem gutaussehenden Fischer." Grandma zwinkert mir zu und ich verdrehe die Augen. "Er ist nicht-" "Einen Fischer?" "Ja! Du musst ihn sehen, Emelie! Er ist, wie die Jugend heute so schön sagt, richtig sexy!" "Oh, Gott, Grandma!", stöhne ich und vergrabe mein Gesicht in meine Hände. So etwas von seiner Grandma zu hören und dann auch noch über ihn! Sie winkt nur ab. "Ich sage dir, diesen darfst du nicht verpassen! Denkst du, ich habe nicht die Blicke, die er dir hinterher geworfen hat, gesehen? Hast du seine Nummer?" "Ok, ich glaube, ich muss mal." Das wird mir alles zu viel. Harvey hat mir nicht hinterher gesehen, da er mich völlig ignoriert hat und am Liebsten würde ich ihr sagen, dass ich ohne sie, niemals auch nur seinen Namen herausgefunden hätte. Noch dazu, will der heutige Tag einfach nicht aus meinem Kopf. Ich sehe ihn immer wieder vor mir. Wie er sich durch seine Locken fährt, sich über seine Unterlippe leckt oder seine Augenbrauen zusammenzieht, was ihm steht. Ja, diese einschüchternde, gefährliche Art steht ihm und es reizt mich, mehr über ihn zu erfahren. Seine Anwesenheit gefällt mir. Es ist, als würde ich immernoch seinen warmen Atem gegen meine Lippen spühre und schon der Gedanke, lässt mein Herz wieder herausspringen. Ich wasche am Waschbecken mein Gesicht und sehe mich dann im Spiegel an. Es scheint, dass er gut in seinem Beruf ist. Denn ich fühle mich wie ein Fisch an seiner Angel, die nicht mehr loskommt.
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