5. KAPITEL

2196 Words
Dan Gemeinsam fahren wir pünktlich um 14:30 los in Richtung London. Faber fährt im Wagen hinter uns. "Ich bin ja so aufgeregt.", verkündet Daisy und legt mir die Hand auf den Oberschenkel. "Warum denn?" "Na, wegen deiner Familie." Sie lächelt mich schüchtern an. "Ob sie mich mögen werden?" "Na klar doch!", entgegne ich ernsthaft. "Warum nicht?" "Na weil ... weil ..." "Und selbst wenn sie dich nicht mögen, wäre es doch auch egal." Ich zucke die Achseln. "Hey!", keucht sie entsetzt. "Das ist es durchaus nicht. Sie sind deine Familie." Sie sieht mir fest in die Augen. "Deine einzige Familie." "Ja. Und?" "Ach Dan.", seufzt sie und verdreht die Augen. "Daisy, ernsthaft, hör auf dir über ungelegte Eier Gedanken zu machen!" "Was?" "Sei du selbst, dann werden sie dich mögen!" "Meinst du, ja?" Ich nicke nachdrücklich. Sie schweigt die nächsten Minuten der Fahrt. Kurz darauf passieren wir das Ortseingangsschild von London. "Gleich sind wir da.", verkünde ich. "Hm." Weiteres Schweigen. Mit einem Mal stößt sie einen spitzen Schrei aus. Fast hätte ich erschrocken das Lenkrad rumgerissen. "Herrgott nochmal. Was ist denn?", rufe ich entsetzt. "Ich habe die Kindersitze vergessen.", schreit sie panisch. "Kindersitze?", echoe ich verwundert. "Wozu das denn?" "Na für die Kinder, Dan!", erwidert sie in einem Tonfall als hätte sie ein begriffsstutziges Kind vor sich. "Meinst du die brauchen sowas?" Sie boxt mir gegen den Oberarm. "Natürlich." Dann stützt sie das Kinn auf die Hand an der Tür ab und sieht nachdenklich aus dem Fenster. Schließlich und als würde sie eher mit sich selbst sprechen, murmelt sie leise, "Eine Babyschale werden sie haben, aber was machen wir nur mit den anderen zwei? Vielleicht kann man ja auf dem Airport was leihen?" "Was ... was sagst du?" Ihr blonder Kopf dreht sich wieder zu mir. Sie sagt, "Ich überlege nur gerade, ob man eventuell auf dem Flughafen Kindersitze leihen kann? Weißt du sowas?" "Woher sollte ich so etwas wissen? Bisher hatte ich noch kein Kind, dass ich in einen solchen Sitz setzen könnte.", lache ich. "Stimmt auch wieder.", grinst sie und streichelt meinen Oberarm. "Wir werden sehen. Fragen kostet ja nichts." Ich nicke. Wenig später parke ich den Bentley auf dem Flughafenparkplatz. Gemeinsam steigen wir aus und schlendern zu John und dem anderen Wagen, der etwas weiter hinten eine Parklücke gefunden hat. "John, wissen Sie zufällig, ob man im Flughafen Kindersitze leihen kann?", fragt Daisy ihn. Als ob jemand wie er so etwas weiß. Und doch überrascht er mich, als er nun antwortet, "Ich weiß nicht, ob im Flughafen direkt, aber wenn man ein Auto mietet kann man Kindersitze dazu mieten." "Ach tatsächlich?", entgegnet Daisy. "Aber das ist in unserem Fall wohl unnötig." Ihre Hand deutet auf den roten Wagen neben uns. "Aber wozu brauchen wir den denn?", hakt Faber nach. Daisy macht ein Gesicht, als könnte sie es nicht fassen, an einem Tag gleich mit zwei so ignoranten Typen konfrontiert zu sein. Sie holt tief Luft, um zum Gegenschlag auszuholen, "Die brauchen wir für die kleinen Leute, die man für gewöhnlich Kinder nennt. Eben diese Kinder ..." Sie betont dieses Wort. "... benötigen um sicher durch den Straßenverkehr gefahren zu werden einen sicheren Sitzplatz. Für gewöhnlich Kindersitz genannt." Ich hole ebenfalls Atemluft um zu antworten, als sie fort fährt, "Ach ja, in Kennerkreisen nennt man diese Dinger Rückhalteeinrichtung." Ihr Blick richtet sich auf Faber. "Also John, wissen Sie, ob es hier irgendwo Rückhalteeinrichtungen zu mieten gibt?" Ihre Hände gestikulieren wild in der Luft herum. Er nimmt sich einen Moment und antwortet schließlich, "Keine Ahnung". "Mist!", flucht sie leise. "Aber ich verstehe immer noch nicht, warum die Sitze nötig sind?", fängt er wieder mit dem Thema an. Daisy will schon was entgegnen, als er erklärt, "Die Bentley haben doch Kindersitze integriert." Sprachlos vor Staunen starren wir ihn an. "Ja ... ähm ... wussten Sie das gar nicht?" Wir schütteln einvernehmend den Kopf. "Aha ... gut, es sind eher Sitzerhöhungen, aber vielleicht geht das ja für die kurze Strecke? Ausnahmsweise.", stammelt er verlegen. Ich nicke. "Klar geht das. Das muss es einfach.", sage ich erleichtert. Daisy nickt ebenfalls. "Wir fragen einfach die Eltern." Gemeinsam gehen wir zum Terminal, um dort auf die Ankunft meiner Familie zu warten. Wie zu erwarten war befinden wir uns nicht allein im Terminal. Viele Leute waren auf dem Weg nach irgendwo, kamen an oder empfingen Freunde oder eben wie wir Angehörige. "Da ist Tony.", verkünde ich, als ich einen bekannten blonden Haarschopf in der Menge entdecke. "Wo?" Ich deute mit dem ausgestreckten Arm auf meinen Cousin und seine große Familie. Die blonde Frau neben ihm hält eine Babyschale samt Passagier in der rechten Hand. Vor ihren Füßen hüpft ein kleiner ebenfalls blonder Junge mit kurzen Shorts und hellblauem Kurzarmhemd. Ein weißes Plastikflugzeug gegeistert durch die Luft schwingend. Hinter den beiden entdecke ich meinen Onkel Henry. Er trägt ein kleines Mädchen, das bis auf die Tatsache das sie unterschiedliche Geschlechter haben, dem Jungen zum Verwechseln ähnlich sieht auf dem Arm. Meine Tante Julia schwebt neben ihnen und lächelt sanftmütig. Der lange Transatlantikflug scheint ihr nicht im geringsten etwas ausgemacht zu haben. Ihr rotes langes Haar glänzt im Licht der Lampen und schwingt sanft bei jedem Schritt. Genau wie ihre Hüften. Wenn ich sie mir so ansehe, verstehe ich, warum mein Onkel ihretwegen damals in England alles hat stehen und liegen lassen und nach Amerika übergesiedelt ist. Anthony entdeckt mich und winkt grinsend. "Hey Danny!", ruft er quer durch die Halle. "Sind sie das?", fragt Daisy überflüssigerweise. Ich nicke. "Jup. Komm!" Ich lege meinen Arm um ihre Hüfte und ziehe sie mit mir vorwärts. "Danny.", ruft Tony erneut, als er vor uns steht und mich fast in der nächsten Sekunde fest in die Arme zieht. "Anthony.", entgegne ich überrumpelt. "Schön, dass ihr da seid!" "Ja, nicht wahr?", grinst mein Cousin. "Aber wer würde sich schon eine Aristokratenhochzeit entgehen lassen?", zieht er mich auf. "Ha ha ha." Ich trete einen Schritt zurück und lassen meinen Blick von einem zum anderen wandern. "Darf ich euch meine Verlobte Daisy vorstellen?", rufe ich und ziehe sie an meine Seite. "Daisy, das ist Anthony, mein Cousin und das ist seine Frau Audrey." Beide Frauen reichen sich freundlich lächelnd die Hand. "Freut mich! Hallo Daisy.", flötet Audrey und zieht sie überraschend in eine herzliche Umarmung. Daisy erwidert sie ebenso freundlich und murmelt etwas Unverständliches. Anschließend stelle ich ihr noch meinen Onkel und meine Tante vor. "Wo ist Lucy?", frage ich. "Wollte sie nicht auch kommen?" Suchend lasse ich meinen Blick über die Köpfe schweifen. "Sie ist hier.", erklärt Henry. "Sie hat sich angeboten unser Gepäck zu holen." "Ach so, verstehe." "Danny, Daisy, dürfen wir euch Aubrey und Alice vorstellen?" Tony zieht seinen Sohn an den Schultern vor sich und hält ihn so im Zaum. Dem Jungen scheint das Ganze langweilig zu werden und er drängt nach vorn. "Ich will aber weiter!", ruft dieser auch prompt. "Ja, gleich." "Ich hab auch keine Lust mehr.", quengelt nun auch Alice, die noch immer auf der Hüfte meines Onkels sitzt. "Schon gut, Schatz.", schnurrt Audrey und streichelt ihrer Tochter über die Wange. "Wir müssen nur noch schnell unsere Koffer abholen." Sie beugt sich vor ihr etwas herunter um Alice besser in die Augen sehen zu können. "Aber möchtest du denn deinem Onkel Daniel und Tante Daisy nicht hallo sagen?" Die Kleine nickt und ruft, "Hallo Onkel Daniel, hallo Tante Daisy." Daisy beugt sich ebenfalls etwas vor, lächelt übertrieben freundlich und sagt, "Hallo Alice. Es freut mich dich kennen zulernen!" "Sie sind also diejenige, die es geschafft hat meinen Neffen für sich zu gewinnen?" Mit diesen Worten wendet sich Onkel Henry an meine Frau und reicht ihr grinsend die Hand. "Hätte ja nicht gedacht, diesen Tag noch erleben zu dürfen." "Ha ha, Henry.", brumme ich. "Also wäre ich so ein Schwerenöter." "Na ja.", murmelt dieser nur geheimnisvoll. "Daisy, es freut mich Sie kennen zulernen!", sagt nun Julia und haucht Daisy rechts und links zwei Küsse auf die Wangen. "Mich freut es ebenso. Herzlich willkommen!", ruft Daisy laut und winkt fröhlich mit beiden Händen. "Aber nun lasst uns euer Gepäck holen!" "Ja, genau, lasst uns Lucy und euer Gepäck suchen und von hier verschwinden.", stimme ich ihr zu. In etwa eine halbe Stunde später ist das Gepäck auf beide Fahrzeuge verteilt, unsere Gäste ebenso und die Kinder sitzen sicher verpackt und angeschnallt bei uns im Auto. Audrey und Daisy haben sie in ihre Mitte genommen und Tony sitzt vorn neben mir. Mein Onkel und Tante leisten Faber im roten Bentley Gesellschaft. "Mensch, Danny, nobel geht die Welt zugrunde. Was für ein Schlitten!", staunt Tony und streicht vorsichtig mit den Fingerspitzen über das Armaturenbrett. "Na ja, ein bisschen Luxus kann nicht schaden.", grinse ich stolz. "Lebst du nicht in einem Schloss?", fragt Audrey von hinten. "Ähm ... ja." "Dann dürftest du ja an Luxus gewöhnt sein." "Hm. Schon irgendwie. Obwohl es für mich noch immer ungewohnt ist mit Mylord angesprochen zu werden.", gebe ich zu. "Dabei fühle ich mich immer wie ein Großgrundbesitzer aus alten Zeiten." "Schatz, du bist ein Großgrundbesitzer.", wirft Daisy hinter mir ein. Ich suche über den Rückspiegel ihren Blick. "Ich sagte aus alten Zeiten.", grinse ich. Die Frauen lachen. "Sind wir endlich da?", mault der Junge. Zeitgleich beginnt das Baby, das eben noch selig geschlummert hat, unruhig zu werden. "Entschuldigt bitte.", bittet Audrey freundlich. "Aber sie war den Flug über so brav. Doch langsam scheint ihre Geduld aufgebraucht zu sein." "Das macht doch nichts.", entgegnet Daisy freundlich lächelnd. "Für uns Erwachsene ist solch ein Flug ja schon anstrengend, wie muss es sich da erst für so ein kleines Kind anfühlen?" "Da hast du recht.", stimmt Audrey ihr zu. Daisy wendet sich dem Jungen zu. "Aubrey, wenn du jetzt noch ein klitzekleines bisschen Geduld hast, verspreche ich dir eine Überraschung." Und damit hatte sie ihn. "Ja? Was denn?", fragt er neugierig. "Überraschung.", grinst Daisy. "Es dauert auch nicht mehr lange. Die Fahrt meine ich." "OK.", meint das Kind. Zufrieden lächelnd lehnt Daisy sich zurück. "Habt ihr ein Pony auf dem Schloss, wo ihr wohnt?", will nun die kleine Alice wissen. Daisy sieht sie an, lehnt sich vor und fragt, "Ein Pony?" "Ja.", bekräftigt das Mädchen. "Ihr wohnt doch in einem Schloss, oder?" "Ja, genau.", stimmt Daisy zu. "Jup.", brumme ich. "Und habt ihr viel Platz?" "Sehr viel.", sage ich. "Wir haben zwar keine Ponys, aber ..." Daisy macht eine bedeutungsvolle Pause. "... jede Menge Pferde." "Was?", kreischt Alice begeistert und macht große Augen. "Wirklich? Ganz ganz viele?" Daisy nickt. "Es sind schon ein paar." Audrey grinst, "Ihr wisst schon, dass ihr ab jetzt ein Pflegekind haben werdet? Denn ich werde Alice werde ich wohl kaum überredet bekommen mit uns zurück nach New York zu kommen." Lachend wirft Daisy ihr blondes Haar zurück. "Na, mal sehen. Alice, wollen wir nachher mal Rory fragen ob er dir Reitunterricht geben kann? Das heißt ..." Sie sucht Audrey's Blick. "... wenn deine Eltern nichts dagegen haben?" "Oh bitte Mummy! Bitte, bitte, bitte!", jammert Alice flehend und ringt die Hände. Still in mich hinein grinsend beobachte ich das Schauspiel über den Spiegel. "Na gut. Wenn es nicht so große Pferde sind.", lenkt Audrey ein. "Juhu!", schreit Alice und wirft die Arme in die Luft. "Ihr seit die Besten!" "Hey, ich hab doch noch gar nicht ja gesagt.", mischt sich Tony ein. "Brauchst du doch auch nicht, Daddy.", entgegnet seine Tochter. "Mummy hat ja gesagt und das ist wichtig." Nun kann ich nicht mehr an mich halten und pruste laut lachend los. "So läuft das also ab? Die Frau hat das sagen.", keuche ich und wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel. Tony zischt, "Na, was denkst du denn? Ist es bei euch etwa anders? Die Frau ist der Boss. Gewöhn' dich dran, Danny! Wenn du erstmal unter der Haube bist, holt Daisy die Peitsche raus." Er wendet sich um und zwinkert meiner Frau schelmisch zu. Diese errötet leicht und räuspert sich. "Ach quatsch.", winkt sie grinsend ab. Erleichtert stoße ich die angehaltene Luft aus. "Bei uns ist es jetzt auch schon so.", fährt sie fort und ich verschlucke mich fast an meiner eigenen Spucke, als alles im Wagen nun zu lachen beginnt. "Ach so ist das.", lacht Tony. "Dann hat Dad ja recht gehabt, sie hat dich gezähmt, Danny." Ohne Stau oder andere Zwischenfälle (eines der Kinder hätte schließlich mal pinkeln müssen) erreichen wir Embley und ernten staunende Blicke und gehauchte Oh's und Ah's. "Das ist es also?", staunt Audrey und sieht aus dem Fenster, als wir langsam durch die Dorfstraße entlang rollen. "Na ja, gehören ...", weiche ich beschämt aus. "Ich bin doch kein Herrscher oder sowas." "Aber sowas in der Art schon." "Echt cool hier. Viel grün.", lobt Tony. "Und das völlige Gegenteil von New York." "Da hast du recht." "Warum wart ihr eigentlich noch nie hier?", fragt Daisy. "Es hat sie irgendwie nie ergeben." "Das kann sich ja von nun an ändern.", verspricht Daisy und erntet erstaunte Blicke von meinen Verwandten. "Ja, vielleicht. Wenn ihr das möchtet?" "Wir würden uns freuen! Stimmt's, Dan?" Ich nicke bekräftigend. "Auf jeden Fall. Es ist zwar nicht gerade um die Ecke, aber wenn ihr wollt, steht unsere Tür euch immer offen.", lade ich sie für die Zukunft herzlich ein.
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