4. KAPITEL

4258 Words
Daisy "So, ich habe mit Tipswick telefoniert.", verkündet Dan und strahlt als würde er ein Lob für sein Engagement erwarten. "Super!", erwidere ich daher pflichtschuldig und lächle ihn an. "Und?" "Was und?" "Na, wann findet die Probe statt?" "Ach so." Er fährt sich mit der Hand durch das Haar. "Am Mittwoch. So bleibt noch ein Tag um zu überlegen was verbessert werden kann." Ich zische durch die Zähne. "Ich finde es immer noch idiotisch eine Probe für eine Hochzeit durchzuführen! Was ist schon so schwer daran? Zwei Leute treffen sich, zusammen mit Familie und Freunden in einer Kirche. Alle schmeißen sich in Schale und mehr als achtzugeben, dass die Braut nicht stolpert und beide im richtigen Moment ja sagen gibt es doch nicht zu bedenken." "Wenn es doch nur so einfach wäre. Im Grunde gebe ich dir recht, mein Schatz. Aber was ist, wenn einer der Pferde auf dem Weg zur Kirche durchgeht? Oder du mit dem Absatz in einem Gitter in der Kirche steckenbleibst?" Hm, da hat er recht. Mist! "Okay, das klingt plausibel.", gebe ich zerknirscht zu. "Du willst doch, dass das ein perfekter Tag wird, oder?", fragt er sanft. Ich nicke. "Natürlich." "Also dann. Übermorgen ist dann also die Probe und weitere zwei Tage später sind wir Mann und Frau." Mann und Frau. Dieser Satz lässt meine Gedanken auf Wanderschaft gehen. Verträumt lächelnd starre ich die Wand an, bis Dan vor meinem Gesicht mit den Fingern schnipst und "Daisy, alles klar?" ruft. Verwirrt schüttle ich den Kopf und antworte "Ja ... ja klar doch. Ich finde den Gedanken bald mit dir auf ewig verbunden zu sein irgendwie ... irgendwie ..." Ich gerate ins Stocken, doch Dan hilft mir aus, indem er fortfährt "Erregend, wunder-wunderschön, absolut glücklich machend?" Ich sehe zu ihm auf und nicke lächelnd. "Ja, genau. Genau das wollte ich sagen." Lächelnd küssen wir uns. "Und wer wird dir die Haare machen?", fragt Anna, als wir zum wiederholten Mal den Ablauf für den großen Tag durchgehen. Nach dem Abendessen haben wir uns in mein altes Zimmer zurückgezogen. "Es gibt hier eine Friseurin im Dorf.", murmle ich und unterziehe die Tischkärtchen einer genaueren Betrachtung. Ein letzter Blick ob auch alles stimmt. Keine Tippfehler oder Beschädigungen. "Echt jetzt?", schreit Anna. Ihr Geschrei lässt mich zusammen zucken. "Was ist?", frage ich entsetzt. "Du willst dir tatsächlich an einem so wichtigen Tag dein Haar von einem Dorftrottel frisieren lassen?" Ich zucke die Schultern. "Ja , warum nicht. Und sag nicht immer Dorftrottel! Das ist gar nicht nett." Anna winkt ab. "Man wird ja wohl noch seine Meinung sagen dürfen." "Klar darfst du das.", lenke ich ein. "Und was Patty angeht ..." "Patty?" "Das ist die hiesige Friseurin und Make-Up-Artist. Sie ist klasse!" "Wirklich?" Ich bekräftige meine Aussage mit einem ernsthaften Nicken. "Wenn du mir nicht glaubst, kannst du gern ihren Salon besuchen und dir ihre Auszeichnungen ansehen, die gerahmt an den Wänden hängen." "Wenn sie wirklich so gut ist, warum arbeitet sie dann nicht in London, wo es ja einige Filmproduktionen gibt? Oder eben überhaupt in einem Londoner Salon. Die Leute hier auf dem Land wollen doch sicherlich immer auf ein und dieselbe Weise frisiert werden. Das stelle ich mir als Koryphäe auf diesem Gebiet doch sehr langweilig vor.", erklärt Anna sich. Ich zucke die Schultern. "Keine Ahnung? Vielleicht gefällt es ihr hier einfach gut. Sie kommt aus Embley, weißt du." "Ach so. Du meinst also, Heimatliebe hält sie hier fest?" Ich nicke. "Jedenfalls kommt sie am Freitag schon ganz früh her und frisiert uns alle. Das Make-up übernimmt sie auch." "Okay. Sonst hätte ich mich angeboten." Ehe ich mich mit einer lahmen Ausrede herausreden kann, fährt meine beste Freundin fort, "Aber gegen solch einen Profi kann ich wohl nicht anstinken." Lachend lege ich meinen Arm um ihre Schulter und drücke sie liebevoll an mich. "Dich brauche ich aber für all den anderen Kram. Zum Beispiel Kofferpacken. Darin versage ich gänzlich. Ich hasse es!" "Was denn?", lacht Anna. "Dan hat doch gestern unsere Koffer aus London abgeholt." "Ja, na und? Den haben wir doch letztens schon gepackt.", grinst sie. Sicherlich denkt sie an die anzüglichen Anekdoten die sie mir dabei aus ihrem Liebesleben zum Besten gegeben hat zurück. Still in mich hinein grinsend lasse ich ebenfalls für einen Moment meine Gedanken zurückschweifen. "Ja, der war gepackt, aber ich wollte noch schnell meine Lieblingsjeans und die süßen Plateausandalen einpacken. Die will ich unbedingt dabei haben! Doch jetzt bekomm' den verdammten Koffer nicht mehr zu.", jammere ich theatralisch und drücke ein weiteres Mal mit meinem ganzen Körpergewicht auf den Hartschalendeckel. "Verstehe. Das haben wir gleich.", verspricht sie und schiebt mich sanft beiseite um sich selbst statt meiner auf den Deckel zu lehnen. "Seit geschlagenen zwei Stunden versuche ich nun schon ihn irgendwie zu zukriegen.", führe ich weiter aus. "Beruhige dich! Du siehst weiter die Karten durch und ich kümmere mich um den Koffer. Muss Dans Krempel auch noch gepackt werden?" Ich nicke zerknirscht. "Er hat zwar gesagt, er kann das auch tun, doch ich wollte ihm beweisen, dass ich das Zeug zur guten Ehefrau habe und angeboten, es für ihn zu tun." "Ja, das bist wieder einmal typisch du.", lacht sie und geht vor dem Monstrum von Reisegepäck in die Hocke. Energisch drückt die auf den Kofferdeckel, doch auch ihr will sich dieser einfach nicht unterwerfen. Sie probiert es einige Minuten, bis sie schließlich entnervt aufgibt, den Deckel aufklappt und sich die Bescherung ansieht. "Das kann ja auch nicht klappen.", urteilt die fachmännisch. "So wie du die Klamotten reingestopft hast." "Reingestopft?", echoe ich entrüstet. "Ja." Anna lacht. "Niemand würde vermuten, dass dieser unordentliche Kofferinhalt zu der ordentlichen Frau, die hier vor mir steht, gehört." Ich schnappe nach Luft. Das ich unordentlich bin, hat mir noch nie jemand nachgesagt. "Ich zeig dir jetzt mal wie das eine richtige Ehefrau machen würde. Ich kenn da ein paar Tricks.", fährt meine hemmungslos ehrliche Freundin fort. "Woher willst du denn Tricks echter Ehefrauen kennen?", staune ich nun wieder milde lächelnd. "Von meiner Grandma. Sie war als Schauspielerin selbst viel auf Reisen und hat mir frühzeitig gezeigt, wie man einen Koffer so packt, dass der halbe Kleiderschrank hineinpasst. Schließlich muss Frau stets auf alle Eventualitäten vorbereitet sein." Lachend stimme ich ihr in diesem Punkt zu. "Klingt logisch.", sage ich und sehe zu, wie sie den gesamten Inhalt zunächst achtlos auf dem Boden verteilt und nun beginnt sorgfältig und auf eine ganz besondere Art und Weise die Kleidung zusammenzulegen. Wie durch ein Wunder passt nun alles in den Koffer und es bleibt sogar noch etwas Platz, um weiteres zu verstauen. "Voila!", verkündet Anna und kommt, sich mit den Händen auf den Knien abstützend, wieder auf die Füße. "Ich hab ja gesagt, mit ein wenig Cleverness passt das schon." Dankbar nehme ich sie in die Arme "Ich danke dir, beste aller Freundinnen!" und küsse sie auf die Wange. Dan "Und Darling, wann kommt deine Familie?", fragt Daisy über den Frühstückstisch hinweg. Ich wische mir die Mundwinkel mit der Serviette sauber und antworte, "Um 17 Uhr in etwa landet ihr Flieger in Heathrow." "Okay. Und du fährst hin, sie abholen?" "Jup. So ist der Plan." Nicke ich und nehme einen Schluck Kaffee. In diesem Moment hören wir das Telefon in der Halle klingeln. Banes verlässt seinen angestammten Platz. Sicherlich um das Gespräch entgegenzunehmen. Kurz darauf kehrt er zurück, stellt sich hinter meinen Stuhl und flüstert mir ins Ohr, "Sie werden am Telefon verlangt, Sir." Woraufhin ich entschuldigend in die Runde blicke, aufstehe und in die Halle schlendere. Dem Ambiente angepasst ist das Telefon ein antik anmutendes Museumsstück, was auf einem kleinen runden Beistelltischen neben der Treppen steht. Ich greife mir den daneben liegenden Hörer und melde mich mit. "Daniel Edwards am Apparat. Wie kann ich Ihnen helfen?" "Danny, cool das ich dich erreiche!", freut sich eine männliche Stimme am anderen Ende der Leitung. "Anthony?", staune ich. Warum ruft er an? Will er etwa absagen? "Was ist los?" "Nichts, mein Bester. Nur ... ich wollte fragen, ob du uns einen Mietwagen in London klarmachen könntest?" "Ähm ... was?", stammle ich. "Mietwagen?" "Jeah, unsere Kleinen sind echt durch vom langen Flug. Wenn ich dann erst nach der Landung mich um einen Wagen kümmere, drehen die mir hier durch. Und glaube mir ... das will keiner.", lacht er. "Ähm ... ich versteh immer Kleine? Habt ihr Kinder?" "Danny, lebst du auf dem Mond?", lacht mein Cousin. "Klar haben wir Kids." "Wirklich?" Nun staune ich tatsächlich. "Seit wann? Wie viele?" "Drei. Lilian ist gerade erst geboren. Und Aubrey und Alice sind fünf" Man hört wie stolz er auf seine Vaterschaft ist. "O-k-a-y. Das ist mir tatsächlich neu. Aber cool, Tony!", freue ich mich. "Klar kümmere ich mich um alles. Ich hatte ja eh vor euch abzuholen. Wir nehmen dann einfach ein Wagen mehr mit." "Klasse! Danke Danny!", freut er sich und klingt erleichtert. "Kein Problem.", bekräftige ich. "Bei der Uhrzeit bleibt es?" "Jeah, klar doch. Wir steigen gleich in den Flieger. Mom ist schon ganz aufgeregt." "Ist sie das? Ich freu mich auch!" "Und wir uns erst. Dann wirkt er abgelenkt, redet mit jemand anderen, bis er wieder an mich gewandt sagt, "Du, Danny, ich muss Schluss machen. Audrey lyncht mich gleich. Alice und Aubrey drehen völlig durch." "Kein Problem.", wiederhole ich. "Wir sehen uns ja nachher." "Cool!" Damit ist das Gespräch beendet. Als ich zurück in das Speisezimmer gehe, sehen mir vier Augenpaare neugierig entgegen. "Wer war's denn?", fragt meine Süße. "Anthony, mein Cousin." Ich nehme wieder platz und trinke einen Schluck Kaffee. "Anthony. Moment ..." Daisy legt überlegend den Zeigefinger an die Nasenspitze und starrt an die Wand hinter mir. Gleich darauf verkündet sie, "Anthony Lancaster, verheiratet mit Audrey. Beide leben in New York.", zitiert sie aus dem Gedächtnis. "Richtig.", lobe ich. "Das hast du aber schön auswendig gelernt.", lache ich. Ihre Haut nimmt einen zarten rosa Ton an und sie strahlt stolz über beide Ohren. "Allerdings musst du dem Stammbaum noch drei weitere Personen hinzufügen." Ihre Mimik erfriert. "Wie das? Haben sie etwa ..." "Kinder. Ja, genau.", beantworte ich ihre unausgesprochene Frage. Sofort beginnt sie wieder zu lächeln. "Kinder.", formen ihre Lippen tonlos. "Sie haben drei Kinder?", fragt sie nun etwas lauter. Ich nicke zustimmend. "Ziemlich kleine Kinder.", präzisiere ich. Anna stöhnt und rollt mit den Augen. "Wie klein?", fragt Daisy aufgeregt. "Ein Baby und zwei fünfjährige." "Etwa Zwillinge?" Ich überlege. Ja, eigentlich müssten sie Zwillinge sein. Wie sonst ginge es, dass sie gleich alt sind? "Ja, Zwillinge.", bestätige ich also. Daisy klatscht begeistert in die Hände. "Das ist ja toll! Kinder bringen Leben in die Bude." "Leben in der Bude, das ist es.", brummt Anna in ihre Teetasse. Daisy sieht ihre Freundin strafend an. "Anne, komm schon! Das ist doch toll! Die Kinder könnten die Blumen streuen." "Ich dachte ihr wollt das Reis gestreut wird?", war das einzige, was Anna dazu sagt. Daisy winkt ab und dreht sich wieder zu mir. "Weiß Banes schon Bescheid?" Ich schüttle den Kopf. Sofort springt sie auf, lässt Frühstück Frühstück sein und rauscht aus dem Zimmer. Eilig folge ich meiner Frau. Unser Weg führt uns hinüber in die Bibliothek, wo Banes gerade das Staubwischen eines Zimmermädchens beaufsichtigt. "Mister Banes, wären Sie so freundlich uns in die untere Etage zu begleiten?", fragt sie freundlich. Unser Butler nickt hoheitsvoll und folgt uns ebenfalls. Unten angekommen begibt sich Daisy sofort auf die Suche nach Mrs. Parker. Mir stellen sich bei der Nennung diesen Namens sofort die feinen Härchen auf meinen Armen auf. Wir finden sie schließlich in ihrem Büro, wo sie selbst gerade dabei war eine Tasse Kaffee zu trinken. "Mrs. Parker, Mister Banes ...", beginnt Daisy und baut sich vor den beiden auf. "Es haben sich minimale Veränderungen ergeben." "Veränderungen, Miss?", hakt unsere Hausdame Stirnrunzelnd nach. "Ja. Und zwar wird die Familie des Lords von Kindern begleitet. Drei kleine Kinder. Wobei eines ein Säugling zu sein scheint.", verkündet sie. Banes und Parker wechseln einen Blick. "Daraus ergeben sich natürlich Veränderungen bezüglich der Schlafsituation und der Menüplanung für die nächsten Tage." Parker nickt. Daisy scheint alles gut im Griff zu haben, sodass ich mich lässig an die Wand lehnen und mich im Hintergrund halten kann. "Wir sollten Kinderbetten organisieren und sie zusätzlich mit in das Zimmer von Mister und Mrs. Lancaster stellen. Haben wir hier ein Reisebettchen für Babys?" Letzteres war an mich gewandt. Bis ich realisiere, dass sie mit mir redet, hat sie mit einem scharfen "Dan!" meine Aufmerksamkeit an sich gerissen. Verwirrt fahre ich mir mit der Hand durchs Haar. "Reise- was?" "Ein Reisebett, Dan. Für Babys. Habt ihr hier sowas? Auf dem Dachboden oder so." "Warum sollten wir sowas haben?", stelle ich verblüfft die Gegenfrage. Sie verdreht die Augen. "Dann müssen wir eines besorgen! Gibt es wenigstens Campingbetten oder irgendwas anderes worin die größeren Kinder schlafen können?" Das galt nun wieder unseren Angestellten. Beide schütteln unisono den Kopf. Daisy ringt die Hände und sieht auf ihre Armbanduhr. "Das heißt, wir haben nur noch einen halben Tag Zeit um alles vorzubereiten, aber das schaffen wir. Ich fahre sofort mit John los und besorge alles. Ich nehme nicht an, dass Sie hier irgendwo Dans altes Spielzeug versteckt haben, oder Banes?" Banes schüttelt verwirrt das ergraute Haupt und sieht Hilfe suchend in meine Richtung. Ich hebe die Schultern und lege grinsend den Kopf schief. "Gut. Dann also auch das.", murmelt Daisy. "Ich muss los. Ich nehme Freddy mit." Und damit ist sie weg. Verwirrt bleiben wir drei allein zurück und starren dem davon eilenden Energiebündel nach. Daisy "Freddy, zieh ich an! Wir gehen shoppen!", verkünde ich strahlend als ich den Kopf zum Speisezimmer hineinstrecke. Erstaunt sieht mein bester Freund von seinem Müsli auf. "Shoppen? Hier? Jetzt? Was?" Ich hebe eine Hand in die Höhe und zähle mit den Fingern ab. "Ja, shoppen. Nicht in Embley, sondern in Milton. Und ja, jetzt sofort." "Und verrätst du mir auch, was wir so dringend einzukaufen gedenken?", hakt er grinsend nach. Anna sieht unserem verbalen Schlagabtausch schweigend zu. Sicher erwartet sie Klamotten shoppen und wundert sich, dass ich sie nicht auch gebeten habe mitzukommen. Doch als ich nun erkläre, dass wir Spielsachen und Babybetten kaufen werden, erlischt ihr Interesse und sie wendet sich wieder ihrem Smartphone zu. "Spielzeug? Warum sagst du das nicht gla-hei-ch.?", flötet er und springt auf. Dankbar nehme ich ihn in die Arme und drücke ihn. "Ich wusste es, auf dich ist verlass!" "Wenn ihr was Vernünftiges einkaufen würdet, wäre auf mich auch Verlass.", mischt sich Anna ohne den Blick zu heben murmelt ein. "Weiß ich doch, Süße.", bestätige ich. Arm in Arm schlendern wir in die Halle. "Warte kurz! Ich organisiere uns einen Fahrer.", instruire ich ihn und steige die Stufen der Treppe hinauf. John vermute ich um diese Zeit auf seinem Zimmer. Tatsächlich ertönt als ich an seine Zimmertür klopfe ein dumpfes "Herein!". "John, wären Sie so lieb und fahren mich in die nächst größere Stadt?", eröffne ich ihm. "Was? Jetzt?", staunt er und sieht von der Zeitung auf, in der er gelesen hatte. "Ja jetzt. Bitte!", füge ich etwas weniger hastig und von einem freundlichen Lächeln begleitet hinzu. "Ähm ... klar doch." Er steht auf und faltet die Zeitung zusammen, um sie dann achtlos auf den Tisch vor sich zu werfen. "Wo soll's hingehen?" "Ich muss einiges für Kinder einkaufen." Unwillkürlich fliegt sein Blick zu meinem Bauch. Denkt er, ich bin schwanger? Um Missverständnissen vorzubeugen, führe ich aus, "Wir erwarten Gastkinder. Kleine Gastkinder. Und es ist nichts vorbereitet." "Verstehe.", murmelt er und setzt sich in Bewegung. "In die nächste Stadt? Oder lieber doch gleich nach London?" "Nein, Milton reicht völlig. Dort werden wir schon was finden. Allerdings muss es schnell gehen." "Kein Problem. Ich muss nur rechtzeitig zurück sein, um mit Mister Edwards nach Heathrow zu fahren.", klärt er mich auf. "Auch das schaffen wir.", verspreche ich. Es dauert weniger als 20 Minuten bis wir das Ortsschild von Milton passieren. Mit dem Smartphone in der Hand suche ich mit den Augen die Straßenschilder ab. "Theoretisch müsste es jetzt gleich kommen.", murmle ich und lecke mir die trockenen Lippen. "Hm. Welche Adresse?" "Ähm ... Moment ... Central Retail Park steht hier." "Okay. Kein Plan wo das ist. Ich war hier noch nie." "Ach tatsächlich?", grinse ich frech. "Und ich dachte, du bist schon rumgekommen in der Welt?" "In der Welt vielleicht, aber nicht in den Kuhdörfern.", brummt er frech zurück und grinst mich breit an. "Okay, dann bleibt uns wohl nur noch die Option uns leiten zu lassen." "Ja genau. Frag doch dein Telefon!", meint nun auch Freddy. Ich befolge seinen Rat und tippe bei Google Maps die Adresse ein. Gleich darauf bittet uns eine freundliche weibliche Computerstimme auf dieser Fahrbahn weiter geradeaus zu fahren und in 1,1 Kilometern rechts abzubiegen. "Wow! Ganz schön groß.", stellt John mit bis zur Decke erhobenen Blick fest, kaum das wir durch die gläsernen Schiebetüren getreten sind. "Auf jeden Fall. Krass!", stimme ich verblüfft zu. Freddy stürmt sofort zu einem Regal mit Stofftieren, die laut Verpackung lebensechte Funktionen haben sollen. "Sieh' dir das an, Daisy. Ein Hund. Und der kann richtig pinkeln.", beschreibt er mir laut die Vorzüge des Beagles. "Ja, wundervoll.", rufe ich ebenso laut zurück. "Brauchen Kinder wirklich so viel Kram?" Ich nicke stumm und fühle mich wie im Paradies. "Und wo fangen wir jetzt an?", fragt er und ich kann seine Demotivation deutlich heraushören. "Zuerst brauchen wir einen Einkaufwagen.", bestimme ich resolut. John nickt und macht sich auf den Weg einen solchen zu besorgen. Gemeinsam schlendern wir durch die hohen Regalschluchten. "Dahinten, sehe Sie, da gibt es Möbel." Ich deute mit der Hand nach vorn. Zwar sind die meisten Möbel in mehr oder weniger handlichen Kartons verpackt, doch einige wenige Ansichtsexemplare sind aufgebaut und warten auf begeisterte Käufer. Ein creme weißes Holzgitterbett, mit himmelblauem Stoffhimmel sticht mir sofort ins Auge. "Ist das schön!", entfährt es mir, ehe ich meine Zunge im Zaum halten kann. John sieht mich schief von der Seite an. Doch noch einen weiteren Mann hatte ich auf mich aufmerksam gemacht. Ein junger Verkäufer mit pickeligem Gesicht tritt zu uns und fragt freundlich, "Kann ich Ihnen helfen?" Ich freue mich für das Engagement und diktiere ihm meine Einkaufsliste. Eifrig nickt er bei jedem Artikel und geht anschließend los um die Dinge aus dem Lager oder den Regalen zu besorgen. Wir selbst vertreiben uns die Wartezeit mit stöbern. In einem Gang mit normalen Stofftieren entdecke ich total niedliche Pandabären. Ich beschließe zwei davon, als Willkommensgeschenke für die beiden Zwillinge zu kaufen. Als ich mich schon abwenden will, sehe ich aus den Augenwinkeln ein großes weißes Plüsch Schaf mit himmelblauer Schleife um dem linken Ohr. "Oh mein Gott!", jubel ich. "Ist das süß! Freddy, guck dir das an!" Er kommt angelaufen und reißt es mir aus der Hand um das Plüschtier fachkundig von allen Seiten zu begutachten. "Ja, voll! Für wen soll das sein?" "Für mein Baby.", verkünde ich ergriffen. Freddy quiekt "Was?" und lässt vor Schreck fast das Tier fallen. "Bist du schwanger?" Erschrocken über meine eigene Indiskretion schlage ich mir eine Hand vor den Mund und schüttle schweigend den Kopf. "Wenn du es bist, erzählst du es mir aber! Oder?", hakt er mit erhobener Augenbraue nach. Nun nicke ich ernsthaft. "Selbstverständlich! Das Schaf nehme ich trotzdem mit!" "Klar doch." Er wirft es in den Einkaufswagen. Weiter geht es in die Lego und Playmobil Abteilung. Hier legen wir mehrere Sets Playmobil und Lego für Kleinkinder in den Wagen. "Es ist doch auch ein Mädchen dabei, oder?", will Freddy wissen. "Ja, die ganz Kleine und eine der Zwillinge." "Gut. Dann brauchen wir noch Puppen." Freddy scheint sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein. Also steuern wir die rosa farbige Puppenabteilung an. John verzieh in Anbetracht des vielen Pinks angewidert das Gesicht. Freddy dagegen scheint begeistert und ich fühle mich wie in die Kindheit zurückversetzt. Ich entscheide mich für eine Babypuppe mit lebensechten Funktionen, die scheinbar bereits einen Namen hat. "Wenn du dem Mädchen so eine kaufst, muss der Junge aber den Hund kriegen!", bestimmt Freddy und rennt zurück zum Eingang um einen solchen Beagle zu holen. "War's das jetzt?", brummt John und mustert skeptisch den gut gefüllten Wagen. "Ich befürchte, das passt jetzt schon nicht alles in den Wagen." "Tatsächlich?" Entgeistert starre ich zu ihm auf. Bei der Größe des Bentley bin ich einfach davon ausgegangen, dass einiges in den Kofferraum passt. Dem war wohl nicht so. "Mist!", fluche ich leise. "Was ist Mist?", will Freddy wissen. "Wir haben im Kaufrausch zu viel eingepackt. John meint, das passt nicht alles in den Wagen.", erkläre ich. "Ach Schnickschnack!", winkt er ab. "Das passt schon. Und wenn ni-hi-cht ..." Er macht eine bedeutungsvolle Pause. "... habe ich vorn am Eingang gesehen, dass die hier auch einen Lieferservice anbieten." "Wirklich? Das ist ja toll!", lobe ich begeistert. "Na dann können wir ja ..." "Weiter shoppen.", beendet er meinen Satz. John seufzt und fährt sich mit der Hand durch das Haar. "Wenn's sein muss." "Und ob!", bekräftigen wir kongruent. Er seufzt erneut, folgt uns aber als wir nun weiter unserem Kaufrausch frönen. Am Ende haben wir noch einen Kinderswimmingpool (es soll ja langsam wärmer werden), eine 'tut tut Baby Flitzer Parkgarage', einige Bälle (es kann ja immer einer wegkommen), ein Bobbycar, Dreirad und Laufrad (der Fuhrpark der Kinder soll dem der Erwachsenen in nichts nachstehen), einige Bilderbücher und eine süße Stoffpuppe für die Jüngste zur Kasse geschleppt. Alles in allem, zusammen mit den Möbeln, die der Verkäufer bereits an der Kasse für uns deponiert hatte, ließ ich ein stattliches Sümmchen in diesem Laden. "Du hast denen einen glänzenden Tagesumsatz verschafft, Süße.", meint Freddy als wir voll bepackt mit Tüten über den Parkplatz gehen. "Ja oder. Ob Dan sauer ist?" "Warum?" "Na, weil ich mit seiner Kreditkarte bezahlt habe." "Es sind doch auch seine Verwandte." Er zuckt die Schultern. "Bald sind es auch meine." "Na siehst du." Er zwinkert mir frech zu und reißt schwungvoll die hintere Autotür auf. John verstaut die Tüten im Kofferraum (es passt doch alles hinein) und setzt sich wieder hinter das Steuer. "Wohin jetzt?" Beifall heischend sehe ich beide Männer abwechselnd an. "Google hat mir verraten, dass es hier in Milton auch einen ..." Ich mache eine bedeutungsvolle Pause. "... Disney Store gibt.", ende ich. Fast in derselben Sekunde stößt Freddy einen Schrei aus, der einem vierjährigen Mädchen würdig gewesen wäre. Er ist ein riesiger Disney-Fan. "DISNEY!", schreit er. Lachend werfe ich den Kopf zurück und sehe zu John, der missbilligend den Kopf schüttelt, sich aber jedem Kommentar enthält. Stattdessen startet er den Motor und fragt nur bei der Parkplatzausfahrt "Wo ist dieser Laden?" Mein Telefon leitet uns auch diesmal erfolgreich und wenig später parken wir vor dem nächsten Kinderparadies. Das Innere des Ladens ist dunkel gehalten mit einem glänzenden schwarzem Pfad, dem man folgen kann. Er führt einen vorbei an Prinzessinnenkostümen, Kinderbekleidung mit den Konterfeis der bekannten Disney Stars, Regalen mit Stofftieren bis er an einer Miniaturausgabe eines Schlosses endet. Einige Kinder toben lachend und lautstark durch das Geschäft. Das soll vorhin das Paradies gewesen sein? Pha! So wie hier stelle ich mir den Himmel vor. "Oh mein Gott! Ist das herrlich!", jubelt mein männlicher und wohlgemerkt erwachsener Begleiter. John hat er vorgezogen diesmal im Wagen zu warten. "Daisy, sieh mal! Da ist Woody." Er stürzt zu einem Regal mit den Helden des Toy-Story-Imperiums. "Das es den noch gibt. Ist das cool!" Er drückt sich einen Karton mit seinem Kindheitshelden an die Brust. Sein seliges Lächeln überzeugt mich, ihm als Dankeschön für seine Hilfe heute einen Woody zu kaufen. Einen kleinen Moment beobachte ich noch dieses Schauspiel, bis mein Blick plötzlich die Abteilung mit Babybekleidung streift. Wie magisch angezogen zieht es mich dorthin. Andächtig betaste ich den weichen Stoff, die akkurat gestickten Applikationen. Betrachte die winzigen blauen und rosafarbenen Babyschühchen und die Kappen mit Micky Mouse Ohren. "Genau so etwas will ich für mein Baby!", denke ich sehnsuchtsvoll. In dieser Umgebung verstärkt sich das Sehnen nach einem eigenen Kind in mir, bis sich mein Magen krampfhaft zusammenzieht. Doch ich habe nicht lange Zeit darüber nachzudenken, denn Freddy schreit schon wieder aus einer anderen richtung des Geschäftes nach mir. "Daisy, Darling, diese Kinder werden dich lieben!", mutmaßt Freddy als wir wieder im Wagen sitzen. "Die werden gar nicht mehr nach Hause wollen." Liebevoll betrachtet er seinen Woody und streicht ihm vorsichtig mit dem Zeigefinger über die Wange. "Ach quatsch.", winke ich beschämt ab und ziehe die Puppe aus "die Schöne und das Biest" aus der Tüte. Liebevoll betrachte ich das schöne Mädchen. Ich habe auch eine Biest-Puppe dazu gekauft. Irgendwie ist es Belle die mich von allen Disney Prinzessinnen am meisten begeistert. Weiter unten in der Tüte befindet sich noch ein lustiger Minizug von Winni Pooh und seinen Freunden und eine kleine Stoffrassel für ganz kleinen Kinder in Form eines Feenzauberstabs. "Oh doch, diese Kinder können sich glücklich schätzen, eine Tante wie Dich zu haben!" Ich zucke die Achseln. Plötzlich kommt mir unser Einkauf übertrieben und sinnlos vor. "Ach, ich denke, es ist Blödsinn! Sie bleiben nur wenige Tage und ich habe eingekauft, als würden sie bei uns einziehen.", murmle ich und stecke die Puppe zurück. "Na und?", meint er. "Du hebst es auf und immer wenn sie zu Besuch kommen haben sie was zu spielen." Ich überlege einen Moment. Schließlich befinde ich seinen Vorschlag für gut und bekräftige es mit einem freundschaftlichen Klaps auf seinen Oberarm. "Du hast eben immer die besten Ideen, Schatz!" "Ich weiß." Er zwinkert mir frech zu, betrachtet wieder seinen Cowboy und drückt ihn sich an die Brust. "Ich bin Woody, du bist mein bester Hilfsscheriff.", verkündet die Puppe. Grinsend sehen wir uns in die Augen und prusten los.
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