Szene 7

1195 Words
„La- äh, Terrivon!“, rief ich freudig, als ich den Trollschamanen erblickte. Ich eilte sofort zu ihr und umarmte sie, was sie sichtlich verwirrte. Denn ihre Augen musterten mich ungläubig und ein beschämtes Lächeln quälte sich auf ihre Lippen. „Destina? Was machst du hier?“ Sie drückte mich leicht von sich und sah mich irritiert an, als ihr Blick schon auf Serena fiel. „Ah, du hast Serena getroffen.“ „Nun ja, wohl eher hab ich sie gefunden. Ohne mich wäre sie schon längst Vampirfutter geworden“, mischte sich die Orkdame ein. Es war mir peinlich, dass mich eine Frau verteidigen musste. Doch ich war nun einmal noch nicht sehr gut in diesem Spiel und der Level meines Charakters ließ auch zu wünschen übrig. „Destina?! Ich hab dir doch gesagt, dass du auf mich in der Bar warten sollst“, schimpfte Laura mich, doch ich blies nur beleidigt die Backen auf. „Diese Bar war voller notgeiler Kerle, die mich blöd angemacht haben. Da kann man es ja gar nicht lange aushalten.“ „Ich hab es dir doch gesagt, dass man es als Frau nicht einfach hat.“ Sie schlug mir spielerisch gegen die Schulter und wandte sich erneut an Serena. „Dir auf jeden Fall danke, dass du ihr geholfen hast. Wir sollten uns eh mal wieder treffen und ein paar Dungeons durchlaufen. Was meinst du?“ „Ja, klingt nicht verkehrt. Meld' dich einfach bei mir, wenn du mal Zeit hast und Destina vielleicht auch so weit ist, dass man sie mitnehmen kann. Ein Dunkelritter ist nie verkehrt.“ Sie nickte Terrivon zu und wandte sich dann noch zu mir. „Und du, Destina, pass' besser auf dich auf. Die Vampire werden weiter Jagd auf dich machen und du solltest lernen, dich selbst zu verteidigen. Ich oder Terrivon können nicht immer in deiner Nähe sein.“ „Ich werde an mir arbeiten. Danke noch mal für deine Hilfe.“ Ich nickte ihr zu. Sie drehte sich um und verschwand in der Masse. Ich selbst sah zurück auf Terrivon. „Und? Bist du schon fündig geworden?“ „Ja, einen Moment.“ Sie begann in ihren Taschen zu graben und dann reichte sie mir ein paar Taschen und ein Schwert. Ich legte sie sofort an und schon fühlte ich mich nicht mehr wie ein Neuling, was mich ein wenig lächeln ließ. „Das steht dir gut.“ Ihr Grinsen wurde breiter und sie winkte mir zu. „Aber nun wollen wir den Schwarzmarkt mal verlassen. Nicht, dass wir doch noch überfallen werden. Ich bin leider noch nicht so gut wie Serena“, erklärte sie sich kurz und begann dann vorauszugehen. Sofort folgte ich ihr. Denn ich spürte, dass die Blicke noch nicht verschwunden waren. Sie waren nie weg gewesen. Serena hatte die Vampire nur auf Abstand gehalten, doch jetzt war die stolze Orkdame nicht mehr bei mir und Terrivon war kein so großer Schutz. Alleine durch die Tatsache, dass er nur eine Kettenrüstung trug und nicht so wie Serena Platte. Außerdem waren die zwei Breitschwerter auch um einiges eindrucksvoller, als der Streitkolben und das Schild, die an Terrivons Kleidung befestigt waren. „Woher kennst du Serena?“, fragte ich sie dann, um ein Gespräch zu führen. Sie lachte kurz. „Nun ja. Das kann ich dir eigentlich gar nicht mehr so genau sagen. Aber sie hat mir damals sehr geholfen und seitdem unternehmen wir öfters etwas. Orks und Trolle haben einen Rassenvorteil, wenn sie zusammen spielen. Da steigen all unsere Werte um zwanzig Prozent und das ist nicht zu verachten. Deswegen verabreden wir uns regelmäßig, um gemeinsam zu spielen.“ „Gibt es so etwas öfters? Rassenvorteile?“, fragte ich ruhig nach und sie nickte kurz. „Ja, es kommt öfters vor. Deinen Vorteil weißt du ja schon. Du bekommst durch das Töten von Vampiren Erfahrung. Genauso wie die Vampire, wenn sie dich töten. Minotauren und Feen bekommen Erfahrungsbonus, wenn sie gemeinsam eine Gruppe bilden. Die Zentauren bekommen Erfahrungen, wenn sie einen Werwolf vor einem Vampir beschützen, sodass die zwei Rassen gerne eine Gruppe bilden. Bei den Elfen steigt die Intelligenz um fünf Prozent pro Elfenmitglied, wenn sie mit ihresgleichen unterwegs sind. Genauso wie die Angriffskraft der Goblins um vierzig Prozent steigt, wenn sie in kleinen Gruppen von maximal drei Leuten unterwegs sind. Bei vier Goblins sind es nur noch dreißig Prozent.“ „Also sollte ich wohl lieber mit einem Zentauren spielen, sehe ich das richtig?“, schlussfolgerte ich ruhig, sodass Laura kurz auflachte. „Nun ja, es wäre zumindest zu euer beider Nutzen. Aber es ist nicht zwingend. Dennoch streben es die Spieler vermehrt an, genau diesen Bonus zu bekommen, dadurch wird die Gemeinschaft gestärkt. Vor allem rückt die Chronik des Spiels mehr in den Vordergrund, sodass die gesellschaftlichen Strukturen auch so sind, wie es laut der Geschichte sein sollte. Ohne Erfahrungsbonus würden die Vampire die Werwölfe nicht jagen, wodurch man nicht merken würde, dass dies eigentlich ihre Aufgabe ist. Genauso wie Minotauren und Feen nicht zusammen arbeiten würden, obwohl dies die Geschichte des Landes eigentlich beinhaltet. Es ist ein Anreiz, sich dem sozialen System des Spiels anzupassen und es funktioniert sehr gut.“ „Na ja, aber nicht immer. Ich habe einen Elfen mit einem Vampir gesehen“, widersprach ich ruhig, sodass mich Laura kurz ansah, bevor sie dann die Schultern zuckte. „Es gibt immer Ausnahmen. Auch in der richtigen Welt. Das sind meistens Leute, die sich auch privat kennen und dann gemeinsam spielen. So wie bei uns jetzt.“ Langsam schien ich zu begreifen und das Spiel faszinierte mich immer mehr. Es war nicht nur irgendeine Software. Ja, es war schon fast eine eigene Welt mit all ihren Facetten. Und als wir die Gasse zum Schwarzmarkt verlassen hatten, bemerkte ich es umso stärker, dass sich die Gruppen wirklich so zusammensetzen, wie es ihr Bonus verlangte. „Das ist beeindruckend“, huschte es über meine Lippen, als ich ruhig neben Terrivon herging. „Ja, du hast es begriffen. Und wer weiß, vielleicht wirst du irgendwann einen Zentauren treffen, mit dem du dann vermehrt spielen wirst. Hätte ich dich nicht aus deinem Startgebiet geholt, dann wäre dies sogar möglich gewesen“, sprach sie ruhig weiter, doch ich musterte sie irritiert von der Seite. „Wie meinst du das?“ „Das Anfangsgebiet der Werwölfe und Zentauren überschneidet sich, weil die Werwölfe in den Wäldern um die Stadt von den Zentauren leben. Früher oder später wärst du wohl einem Zentauren begegnet“, erklärte sie kurz und ich konnte nicht verhindern, dass ich mich fühlte, als hätte man mir etwas weggenommen. Doch ich ignorierte das Gefühl und sah mich noch einmal um, bevor ich mich dann zu Terrivon wandte. „Und was machen wir jetzt?“ „Wir gehen questen.“ Mit diesen Worten beschwor sie wieder ihren Greifen und wir stiegen auf seinen Rücken, um dann die Stadt und all diese Völker hinter uns zu lassen. Ich konnte nicht leugnen, dass es wirklich interessant war. Niemals hätte ich solch eine Tiefe bei einem Spiel erwartet und ich war gespannt, was noch so auf mich zukommen würde…
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