**Elenas Perspektive**
Ich war inmitten von Luxus, Sicherheit und der Wärme langjähriger Familienfreunde wie den Hawthornes aufgewachsen. Mein Vater, Charles Bradford, sprach oft voller Bewunderung über Victor Hawthorne – er nannte ihn seinen engsten Vertrauten, ein Partner in geschäftlicher wie auch persönlicher Hinsicht. Unsere Familien verbrachten unzählige Abende gemeinsam beim Essen, lachten über gemeinsame Erfolge. Wir teilten Urlaube und Meilensteine, und ich hätte nie gedacht, dass Victor Hawthorne eines Tages in unserem Haus stehen und ohne einen Funken Rücksicht alles zerstören würde, was mir lieb und teuer war.
Der Tag begann wie jeder andere. Ich hatte hart gearbeitet, um mein aufstrebendes Interior-Design-Unternehmen voranzubringen. Ich kam später als gewöhnlich nach Hause, um mit meinen Eltern zu Abend zu essen – einen Kaffee in der einen, einen Stapel Dokumente in der anderen Hand. Doch der Anblick, der mich in der Einfahrt erwartete, ließ mich erstarren. Anwälte und Männer in dunklen Anzügen gingen ein und aus, trugen Gemälde, Vasen – alles, was von Wert war.
Ich ließ meinen Kaffee fallen, dessen Inhalt sich über das Pflaster ergoss, und rannte ins Haus. „Was geht hier vor sich?“, fragte ich, meine Stimme zitternd. Niemand antwortete. Verzweifelt lief ich weiter hinein, suchte nach meinen Eltern. Ich brauchte Antworten.
Ich fand meine Mutter, Margaret, auf der großen Treppe sitzend. Ihr Gesicht war blass, tränenüberströmt. „Elena, mein Schatz. Dein Vater…“, flüsterte sie und streckte schwach die Hand aus.
Ich stürzte zu ihr, griff nach ihren Händen. „Mum, geht es dir gut? Wo ist Dad? Was ist hier los? Wer sind diese Leute?“, drängte ich, die Panik stieg in mir auf.
Sie sagte nichts. Die Tränen liefen weiter. Ich schüttelte sie sanft. „Mum, hör auf zu weinen und sag etwas. Ich hab Angst.“
Bevor sie antworten konnte, ertönte eine vertraute Stimme aus dem Wohnzimmer. „Dein Vater ist verschwunden.“
Ich drehte mich um – Victor Hawthorne stand dort, groß und einschüchternd, in dem, was einst unser prächtiges Wohnzimmer gewesen war. Sein graumeliertes Haar glänzte im Licht des Kronleuchters, seine stechenden grauen Augen waren kalt. Neben ihm stand sein Sohn Adrian mit einem selbstgefälligen Grinsen im Gesicht.
„Onkel Victor? Adrian?“ Ich starrte sie an, fassungslos. „Was macht ihr hier? Was meint ihr mit, mein Vater ist verschwunden? Was passiert hier?“
Victor trat vor, seine Stimme ruhig, aber eiskalt. „Dein Vater Charles hat Millionen aus unseren gemeinsamen Projekten veruntreut. Erinnerst du dich an das erfolgreiche Geschäft, das wir gemeinsam gegründet haben? Nun, er ist abgehauen – hat nichts zurückgelassen außer Schulden, Schande und euch.“
Ich wich zurück, schüttelte den Kopf. „Nein… das kann nicht sein. Dad würde das nie tun. Onkel Victor, du weißt, wie aufrichtig mein Vater ist. Du bist sein engster Freund – du solltest wissen, dass er so etwas nie tun würde.“
Adrian lachte höhnisch. „Komm schon, Elena. Mach die Augen auf. Dann ruf ihn doch an – lass ihn sich selbst erklären.“ Er hielt inne, sein Grinsen wurde breiter. „Siehst du? Er ist nicht hier. Auch nicht bei der Arbeit. Scheinbar war Daddy Bradford doch nicht so ehrlich.“
„Genug, Adrian“, fuhr Victor ihn an, dann wandte er sich wieder an mich. „Nur dein Vater und ich hatten Zugriff auf die Hauptkonten. Ich war’s nicht – also bleibt nur Charles. Und da er verschwunden ist, müssen seine Vermögenswerte beschlagnahmt werden, um die Verluste auszugleichen.“
Meine Mutter stand langsam auf, hielt sich zitternd am Geländer fest. „Victor, unsere Familien sind seit Jahren befreundet. Du kennst Charles. Lass uns warten, bis er zurück ist – er wird alles erklären. Ich glaube an ihn.“
Victors Miene verhärtete sich. „Hört ihr mir überhaupt zu? Ich bin Geschäftsmann. Ich kann mir solche Verluste nicht leisten. Und Charles… wer weiß, vielleicht hat er längst eine neue Familie. Freundschaft ersetzt keine Millionenverluste.“
„Bitte, Victor“, schluchzte meine Mutter, klammerte sich an seinen Arm. „Du kennst uns doch. Gibt es keinen anderen Weg?“
Sein Blick wurde eisiger. „Charles hat das selbst verursacht. Ich muss mein Unternehmen schützen.“
Meine Mutter brach zusammen, ich hielt sie. „Wie kannst du uns das antun? Ich werde meinen Vater finden – hör auf, uns zu drangsalieren. Wie kannst du uns alles nehmen?“, schrie ich ihn an.
Victor seufzte. „Elena, du bist nur ein Mädchen. Ich kann dich nicht allein nach einem Kriminellen suchen lassen. Aber… es gibt eine Möglichkeit, die Schulden zu begleichen.“
Mir wurde übel, als er eine schwarze Mappe hervorholte. „Du wirst in die Familie Hawthorne einheiraten. Du wirst Adrians Frau.“
„Was?“ riefen meine Mutter und ich gleichzeitig.
Victor öffnete die Mappe, zeigte mir einen Vertrag. „Adrian braucht eine Frau, um sein Image zu stabilisieren. Und du – du kannst den Ruf deiner Familie retten. Die Schulden werden getilgt, wenn du uns im Hintergrund beim Geschäft hilfst. Du hast den Geschäftssinn deines Vaters geerbt.“
Adrian lehnte sich grinsend an die Wand. „Komm schon, Elena. Wir hatten doch mal was in der Uni, oder? Denk einfach an eine süße Romanze aus alten Zeiten.“
Ich erinnerte mich – Adrian war damals ein Verehrer, aber ich hatte ihn abgewiesen. Ein Playboy, ständig in Skandale verwickelt. Der Gedanke, ihn zu heiraten, war unerträglich.
„Das ist nicht dein Ernst“, flüsterte ich.
„Doch“, sagte Victor. „Dies ist deine einzige Chance, deine Mutter zu schützen. Wenn du das nicht tust, wird die Hölle losbrechen. Elena, unterschreib den Vertrag. Deine Mutter zählt auf dich.“
Ich nahm die Papiere mit zitternden Händen, während Tränen mein Gesicht hinunterliefen – unter der Last dieser Entscheidung.