PROLOG

419 Words
PROLOG Carolyn Rainey spürte, dass etwas nicht stimmte. Sie konnte das Gefühl nicht erklären, aber als sie die lange Straße entlangging, auf der sie gewöhnlich ihre zwölfjährige Tochter traf, machte sich ein merkwürdiges Kribbeln in ihrem Nacken breit. Auf den ersten Blick schien alles wie immer zu sein. Carolyn machte sich jeden Tag um 14:30 Uhr auf den Weg zu ihrer Tochter Jessica. Sie genoss den kurzen Spaziergang, weil sie ein paar Minuten hatte, um den Kopf frei zu bekommen und die zweite Hälfte des Tages einzuläuten. Die Playa del Rey Middle School entließ die Kinder um 2:35 nachmittags und Jessica fuhr ihr mit dem Fahrrad entgegen. Bis sie ihre Sachen eingepackt, sich von ihren Freundinnen verabschiedet und zu ihrem Fahrrad begeben hatte, war es meistens 2:45. Meist trafen Mutter und Tochter sich gegen 2:50 auf halbem Weg zwischen der Schule und ihrem Haus. Den Rest der Strecke legten sie dann zusammen zurück, Carolyn zu Fuß und ihre Tochter im Schritttempo auf dem Fahrrad. Hin und wieder würde sie ihre Mutter lachend umkreisen. Sie würde ihr alles von ihrem Tag in der Schule erzählen: Wer in wen verknallt war, welcher Lehrer versehentlich geflucht hatte und welche Lieder sie im Chor gesungen hatten. Zu Hause stand schon ein kleiner Snack bereit, nach dem sich Jessica auf ihre Hausaufgaben und Carolyn auf ihre Arbeit konzentrieren würde. So oder so ähnlich liefen die Nachmittage bei ihnen ab. Aber heute war Carolyn schon bedeutend weiter gelaufen als sonst. Es war schon fast 3 Uhr und bald würde sie bei der Schule ankommen. Eigentlich hätte sie Jessica schon längst treffen müssen. Vielleicht war sie noch einmal auf die Toilette gegangen. Oder Kyle, der süße Typ aus ihrem Englischkurs, hatte sie angesprochen. Doch das Kribbeln in ihrem Nacken sagte ihr, dass etwas anderes geschehen war. Als sie um die nächste Kurve bog, sah sie, dass sie Recht behalten sollte. Jessicas lilafarbenes Fahrrad, auf dem ein paar Aufkleber von der neuen Die Schöne und das Biest Verfilmung und von ihren Lieblingssängerinnen Selena Gomez und Zara Larsson klebten, lag am Straßenrand. Carolyn rannte hinüber und starrte es an. Angst machte sich in ihr breit. Verzweifelt sah sie sich um. In einem Gebüsch nur wenige Meter weiter fiel ihr etwas auf. Schnell ging sie hin und zog an den Ästen. Als einer der Äste nachgab, fiel es ihr entgegen. Sie konnte kaum glauben, was sie sah. Jessicas Rucksack. Carolyns Beine gaben plötzlich nach. Sie sank auf die Knie. Ihr Herz klopfte wie verrückt. Dann wurde ihr klar, dass ihre Tochter verschwunden war.
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