SIENNAS SICHT
Als ich aufwachte, spürte ich als Erstes Kälte. Nicht dieses Frösteln, das einen nach der Decke greifen lässt, sondern die sterile, zu saubere Kälte, die an den Krankenhauswänden klebte und flüsterte: Was haben sie gerade getan? Das wird nicht funktionieren.
Meine Augenlider flatterten auf, schwer wie Ziegelsteine. Das grelle Neonlicht stach mir in die Augen, als hätte es die ganze Nacht auf diesen Moment gewartet.
„Immer mit der Ruhe, Miss Monroe.“
Dr. Philips Stimme drang ruhig und bestimmt an meine Ohren, als wäre er nicht der Grund, warum meine Zukunft gerade neu geschrieben worden war. Er stand mit dem Klemmbrett in der Hand an der Bettkante, das gleiche professionelle Lächeln auf seinem Gesicht.
Ich versuchte mich aufzusetzen, aber das Papierhemd knisterte, die Infusion zerrte, und mein Stolz schrie lauter als mein Körper. „Also … haben wir es geschafft? Oder war das alles nur ein 50.000-Dollar-Nickerchen?“
„So, es ist geschafft“, sagte Dr. Philip sanft.
Die Worte hätten mich trösten sollen. Stattdessen trafen sie mich wie Ketten.
Geschafft. Unumkehrbar.
Ich presste eine zitternde Hand auf meinen Bauch, und wieder stiegen mir die Tränen in die Augen. „Bitte“, flüsterte ich, obwohl ich nicht einmal wusste, wen ich anflehte. Den Arzt? Die Mondgöttin? Das Schicksal?
„Bitte lass es funktionieren.“
Denn wenn nicht … wusste ich nicht, wie viel Zerbrechen ich noch ertragen könnte.
„Das wird es. Alles ist perfekt gelaufen. Dein Körper hat gut reagiert. Jetzt heißt es nur noch warten.“
Ich schluckte, als er das Klemmbrett weglegte und mir in die Augen sah. „Wenn du in zehn Tagen wiederkommst, wissen wir, ob du offiziell schwanger bist. Hoffentlich bist du dann Mama, wenn du wieder durch diese Tür gehst.“
Dr. Philip sagte es so beiläufig, als hätte er nicht gerade den Atomstartknopf meines Lebens gedrückt.
Ich zwang mich zu einem Lächeln und nickte, als wäre dies nur ein weiterer Dienstag und nicht das größte Wagnis, das ich je eingegangen war. „Das ist alles, was ich je wollte.“ Meine Stimme brach bei dem Wort „wollte“.
Denn Gott, war das nicht die Wahrheit?
Jahrelang hatte ich nach einem Rest Liebe gekämpft, Träumen nachgejagt, von denen ich dachte, sie gehörten mir, bis Nigel … und Piper … sie vor meinen Augen niederbrannten. Und jetzt lag ich hier auf einem kalten Klinikbett mit noch warmen Steigbügeln und betete, dass Wissenschaft und Verzweiflung mir das Einzige schenken würden, wofür es sich noch zu kämpfen lohnte.
Ein Baby. Mein Baby.
Die Krankenschwester half mir, mich aufzusetzen, ihr strahlendes Lächeln wie eine Hallmark-Karte, die ich am liebsten angezündet hätte. „Das haben Sie toll gemacht, Miss Monroe. Machen Sie es sich die nächsten Tage einfach gemütlich. Kein schweres Heben, kein Stress.“
Ich schnaubte. „Meine Dame, mein ganzes Leben besteht aus Schwerstarbeit und Stress.“
Sie kicherte höflich, offensichtlich daran gewöhnt, dass hormonelle Frauen nach einem Eingriff ausrasten. Aber ich war noch nicht hormonell … Ich war einfach ich selbst. Pleite … betrogen und konnte mich nur mit Klebeband und Sarkasmus zusammenreißen.
Als ich aus der Klinik schlurfte und die Papiere und Rezepte, die sie mir gegeben hatten, wie eine verrückte Geschenktüte umklammerte, spürte ich es. Diese seltsame Mischung aus Angst und Hoffnung, die mir die Brust schmerzen ließ.
Zehn Tage. Zehn Tage, bis ich wusste, ob dieser Wahnsinn funktioniert hatte.
Zehn Tage, bis ich entweder dehydriert weinte oder wie eine Verrückte anfing, nach Babynamen zu googeln.
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Die Heimfahrt war ein verschwommenes Bild aus Straßenlaternen und aufdringlichen Gedanken. Jede rote Ampel fühlte sich an wie eine Therapiesitzung. Was, wenn es scheitert? Was, wenn ich 50.000 Dollar verschwende, die ich gar nicht habe? Was, wenn der Spender ein Reinfall war? Was, wenn mein Körper mich so verrät, wie alle anderen?
Als ich in meinen heruntergekommenen Wohnkomplex einfuhr, war ich bereits im Tiefpunkt.
Meine Nachbarin Mrs. Gonzalez stand draußen und rauchte ihre abendliche Zigarette. Sie blinzelte mich an, als kenne sie meine Geheimnisse. „Du siehst blass aus, Niña. Bist du krank?“
Ich setzte ein Lächeln auf. „Nee. Nur müde.“
Sie blies Rauch aus und warf mir einen Blick zu, der verriet, dass sie es mir nicht abkaufte. Aber zum Glück war sie nicht neugierig.
In meiner Wohnung roch es schwach nach verbranntem Toast und Reue. Ich zog meine Schuhe aus, ließ mich auf die Couch fallen und starrte an die Decke, als schuldete sie mir Antworten.
Nigels Stimme verfolgte mich immer noch. Pipers Lachen stach immer noch. Aber jetzt … war da etwas lauter. Ein Flüstern, das mir sagte, vielleicht, nur vielleicht, machte ich endlich etwas richtig.
Trotzdem war die Stille brutal. Also schnappte ich mir mein Handy, öffnete meine Notizen-App und tippte oben drauf:
„Babynamen, die nicht ätzend sind.“
Denn wenn ich schon zehn Tage lang in einer Abwärtsspirale steckte, konnte ich es auch unterhaltsam gestalten.
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Tag eins: Ich googelte „Was man nach einer Insemination nicht tun sollte“ und landete sofort in einem schwarzen Loch voller Horrorgeschichten. Frauen in Foren schworen, dass zu starkes Niesen ihre Chancen ruiniert. Eine andere behauptete, scharfes Essen habe ihre Gebärmutter verflucht. Ich klappte meinen Laptop zu, bevor mich die Paranoia umbrachte.
Tag drei: Piper postete ein Foto mit Nigel auf i********:. Ihre Bildunterschrift? „Meine für immer gefunden.“ Ich schleuderte mein Handy so heftig durchs Zimmer, dass es vom Sofa abprallte und gegen die Wand knallte. Wenn das Baby hält, wird mein Kind so einen Verrat nie erleben, das schwöre ich.
Tag fünf: Meine Kreditkartenfirma rief an. Wieder einmal ... Gott segne ihre Hartnäckigkeit. Ich ließ es raus. Denn was sollten sie schon tun, mir meine Gebärmutter wegnehmen?
Tag sieben: Ich weinte unter der Dusche. Ohne Grund. Ich weinte einfach, bis das Wasser kalt wurde. Dann lachte ich, denn ist das nicht die Definition von Wahnsinn?
Tag acht: Mrs. Gonzalez erwischte mich dabei, wie ich mit meinem Bauch redete. Ich sagte ihr, ich würde Affirmationen üben. Sie nickte langsam, wahrscheinlich im Geiste, den Exorzisten anzurufen.
Tag neun: Die Nerven lagen blank wie am Spieß. Ich konnte kaum essen. Jedes Ziehen in meinem Körper fühlte sich wie ein Zeichen an. Schwanger? Nicht schwanger? Flüsterte mir meine Gebärmutter Geheimnisse zu, die ich noch nicht hören konnte?
Und dann endlich ...
Tag zehn.