KAPITEL 7 : WAS IST VERLOREN?!

1437 Words
LUTHERS SICHT Er schrie wie ein sterbendes Tier. Der Laut war rau, kehlig, so dass selbst meine Wachen zusammenzuckten. Musik in meinen Ohren. Niemand betritt Crestmoon-Territorium ungebeten. Das passiert, wenn sie es versuchen. Sein Gesicht war bereits geschwollen, Blut bedeckte seinen Mund mit Schattierungen, die einen Künstler stolz gemacht hätten. Meine Knöchel schmerzten, aber Schmerz war mir schon immer vertraut. Ich schlug erneut mit der Faust zu, und meine Knöchel prallten mit einem befriedigenden Knirschen gegen seinen Kiefer. Sein Körper zuckte unter meiner Faust wie eine Marionette mit durchgeschnittenen Fäden, aber ich war noch nicht fertig. Nicht einmal annähernd. Blut spritzte über den Betonboden, dunkel und klebrig, und tropfte in dicken Rinnsalen aus all seinen Körperöffnungen. „Dachtest du, du könntest dich in mein Territorium schleichen?“ Ich knurrte und riss ihn am Kragen hoch. Sein Kopf hing wie eine Stoffpuppe, aber in seinen Augen flackerte noch immer dieser Kampfgeist. Mutig, klar. Aber auch ein verdammter Idiot ... und jetzt auch noch tot. Ich schleuderte ihn gegen den Stahlträger. Der Aufprall wirbelte den Staub von den Dachsparren über ihm auf. „Also, du bist der Spion?“ Mein Atem strich heiß über sein Gesicht, meine Stimme giftig. „Wer hat dich geschickt?“ Er spuckte Blut auf meinen Stiefel. Was zum Teufel? Mein Blut kochte, aber meine Lippen verzogen sich trotzdem. Lächeln, wenn ich hätte ausrasten sollen? Ja ... falscher Zug für ihn. Der Bastard ist schon erledigt. Ich schlug ihm noch einmal mit der Faust in den Kiefer, so fest, dass das Knacken von den Kerkerwänden widerhallte. „Antworte mir, bevor ich diesen Boden mit deinen Zähnen schmücke.“ Sein Kopf hing herunter, Blut durchnässte seinen Hemdkragen. Erbärmlich. Ich konnte die Angst riechen, die von ihm ausging … säuerlich, d**k, wie Rauch in der Luft hängend. Wölfe witterten immer Lügen, aber dieser hier? Er stank nach Geheimnissen. „Mein Alpha“, unterbrach mich eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich nicht einmal um. Nur ein Idiot hatte den Mut … oder die Dummheit …, mich mitten im Verhör zu unterbrechen. „Marcel, siehst du nicht, dass ich mit diesem Arschloch beschäftigt bin?“, knurrte ich und landete einen weiteren Schlag. „Mein Alpha.“ Sein geschliffener Ton war ruhig, respektvoll, aber ich hörte einen Anflug von Dringlichkeit darin. „Ich würde nicht unterbrechen, wenn es nicht wichtig wäre.“ Endlich blickte ich ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Seine Krawatte saß gerade, sein Anzug makellos, kein einziges Haar war verrutscht. Währenddessen stand ich in einer Blutlache. Wir waren wie Tag und Nacht, aber irgendwie überlebte er mich länger als alle anderen. „Es geht hoffentlich nicht um eine weitere Umfrage“, blaffte ich, riss den Spion hoch und drückte ihn zurück gegen die Wand. Er stöhnte kläglich, und ich hätte ihn beinahe noch einmal geschlagen, um ihn zum Schweigen zu bringen. Marcels Lippen zuckten. „Hector Salamanca ist hier, um dich zu sprechen.“ Das erregte meine Aufmerksamkeit. Für eine Sekunde erstarrte ich. Dann lachte ich bellend, scharf und humorlos. „Natürlich ist er das. Salamanca hatte schon immer ein Gespür für schlechtes Timing.“ Ich ließ den Spion wie Müll fallen, sein Körper sackte mit einem dumpfen Knall gegen die Wand. Er atmete noch … vorerst. Ich fuhr mir mit der Hand über den Kiefer und verschmierte Blut, das nicht von mir war. „Na gut. Sperrt dieses Stück Scheiße ein. Ich mache später weiter.“ Der Spion hustete, aber ich wich bereits von seiner Seite. Ich richtete mich auf und rückte meine Jacke zurecht. Blut war wie Kriegsbemalung auf meinen Knöcheln. „Na gut. Bring Salamanca ins West-Arbeitszimmer. Lass ihn warten, während ich mir das Blut seines Spions von den Händen wasche.“ Marcel runzelte die Stirn, aber er schluckte seinen ganzen Geniestreich herunter. Sein Überlebensinstinkt war intakt. Vielleicht war er doch nicht selbstmordgefährdet. --- In dem Moment, als ich die Haupthalle betrat, veränderte sich die Stimmung. Salamanca hatte diese Wirkung. Er saß da wie ein König, der wusste, dass sich Königreiche vor ihm verneigten, und klopfte mit seinen dicken Fingern auf die Armlehne des Ledersessels, den wir für Gäste wie ihn bereithielten. Sein Haar war zurückgekämmt, Silber durchzogen von Schwarz, und seine Augen hatten eine Schwere, die Männer erdrückte, ohne eine Hand zu heben. Der Mann hatte die Dreistigkeit, aufzustehen, als ich eintrat, und mir die Hand zu reichen, als wären wir gleichberechtigt. „Luther“, grüßte er sanft. „Es ist zu lange her.“ Ich nahm seine Hand nicht. Ich ging an ihm vorbei, nahm das Kopfende des Tisches ein und lehnte mich autoritär zurück. „Du vergnügst dich immer noch mit Streunern, wie ich sehe.“ Ich grinste süffisant. „Besser, als mich mit Geistern zu vergnügen, alter Mann.“ Seine Lippen zuckten. Nicht ganz ein Lächeln. Nicht ganz eine Drohung. Irgendwo dazwischen. Wir wussten beide, warum er hier war, aber er genoss den Tanz zu sehr, um es direkt auszusprechen. Also lehnte ich mich zurück und gab ihm die Gelegenheit. „Du warst fleißig“, sagte er schließlich. „Neues Land. Neue Soldaten. Neue Feinde.“ „Berufsrisiko“, murmelte ich. „Und doch …“ Er beugte sich vor und legte die Hände aneinander. „Du bleibst ungebunden. Dein Rudel ist stark, ja. Aber nicht vollständig.“ Seine Augen glänzten. „Hör auf mit dem Smalltalk, Hector. Du kommst nicht ohne einen Plan hierher. Was willst du?“ Sein Lächeln verschwand nicht, aber sein Blick wurde schärfer. „Direkt zur Sache, wie immer. Das respektiere ich.“ Er beugte sich vor und verschränkte die Finger. „Ich bin hier, um über Elara zu reden.“ Natürlich. Sein goldenes Kind. Seine perfekte Tochter. Die, die Marcel mir wie altes Brot in den Hals gestopft hatte. Ich trommelte mit den Fingern auf den Tisch. „Und was ist mit ihr?“ „Sie ist bereit“, sagte Hector. „Bereit, sich zu beweisen. Luna zu sein. Unsere Rudel haben Geschichte, Luther. Alte Bindungen. Stell dir vor, was es bedeuten würde, unsere Kräfte wieder zu vereinen … nicht durch Krieg, sondern durch Familie.“ Familie … autsch. Das Wort war wie ein Stich ins Herz, aber ich wollte dem Teufel nicht diese Genugtuung bereiten. Salamanca beobachtete mich mit diesem wissenden Blick, als könnte er die Risse erkennen, die ich so sehr zu verbergen versuchte. Ich beugte mich langsam vor. „Du willst deine Tochter verheiraten, als wäre sie ein Verhandlungsobjekt. Wie romantisch.“ Er spannte die Zähne an, aber er behielt einen ruhigen Tonfall. „Reduziere sie nicht darauf. Elara ist stark. Gebildet. Respektiert. Sie wäre eine würdige Luna.“ Ich hätte fast gelacht. Würdig? Vielleicht bei einer eleganten Gala, bei der Titel wichtiger sind als Zähne. Aber ich? Ich brauchte keine Luna, die hübsch für die Kameras lächelt. Ich brauchte Feuer. Chaos. Jemanden, der neben mir in die Hölle gehen und lachen konnte. Und Elara Salamanca war nicht sie. „Glaubst du, deine Tochter hält es aus, an mich gebunden zu sein?“, fragte ich mit leiser, gefährlicher Stimme. „Glaubst du, sie hält das Blut, die Politik, die Feinde aus, die jeden verdammten Tag an meiner Tür kratzen?“ Hectors Augen glänzten. „Ich weiß, dass sie es kann.“ Ich beugte mich vor, meine Stimme war scharf genug, um zu schneiden. „Dann ist sie mutiger, als ich dachte … oder dümmer. Wie dem auch sei, verwechsel meine Geduld nicht mit Interesse. Ich heirate nicht für Politik. Ich heirate nicht für Umfragen. Ich heirate für Macht, und es gibt nur eine Frau, die mich jemals schwach genug gemacht hat, darüber nachzudenken.“ Sein Gesichtsausdruck flackerte. Ein Riss in der Salamanca-Maske. Gut. Lass ihn zappeln. Doch dieses Zappeln verwandelte sich schlagartig in ein Grinsen. Ich wusste, er wollte zurückschlagen … und Gott, ich wollte es nicht hören. Danke, Mondgöttin! Bevor er wieder sprechen konnte, summte mein Handy auf dem Tisch. Ein Blick aufs Display, und ich verdrehte die Augen. Dr. Mitchell aus der Klinik. Was zum Teufel will sie?! Ich schnappte mir den Hörer. „Was?“ „Mr. Lavigne? Hier spricht Dr. Mitchell aus der Klinik.“ „Hör auf mit dem Unsinn. Ich weiß, dass du es bist. Wer sonst wäre so dumm, mich so auf die Probe zu stellen?“ Sie zögerte. „Ähm. Ich … ich fürchte, wir haben schlechte Nachrichten, Sir.“ Ich umklammerte das Telefon fester. „Schlechte Nachrichten?“ Sie blieb in der Leitung hängen, als hätte ihr Gehirn einen Bluescreen. „Ihre Probe … sie ist weg. Sie ist aus unserem Lager verschwunden.“ „Verschwunden? Was zum Teufel meinen Sie mit vermisst?“
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