Kapitel Drei – Vom Regen in die Traufe

1559 Words
Anacá Kaum hatte ich die Tür geöffnet, stürmte mein Vater mit genervtem Blick herein. Ich trat zurück und beobachtete ihn misstrauisch. Wusste er, was ich getan hatte? Was würde ich ihm sagen, wenn er fragte? Natürlich wäre ich ehrlich zu ihm. Ich konnte Joshs Bitte nicht nachkommen und gleichzeitig seine Schuld verbergen. „Also, du bist hier. Wir haben bei Jeremy auf dich gewartet.“ Sein finsterer Blick wurde noch finsterer, als er direkt ins Wohnzimmer ging. „Seit wann bist du so verantwortungslos, Anacá?“ „Nein, Papa. Ich …“ Bevor ich eine Antwort finden oder die Tür schließen konnte, hielt ein anderes Auto in unserer Einfahrt, und Joshs Eltern kamen heraus. Mir stand der Mund offen, als mir klar wurde, was mir jetzt bevorstand. Wie sollte ich ihnen gegenübertreten? Was sollte ich ihnen sagen? Ich nahm mein Handy und tippte schnell eine Nachricht an Josh: Deine Eltern sind bei uns zu Hause, um mich auszufragen. Ich bin ganz ehrlich. – Anacá. Mein Handy meldete sich sofort mit Joshs Antwort. Er wirkte nicht gerade auf seine Arbeit konzentriert: Erzähl ihnen nichts von Jordynn. Es ist eine dringende Bitte – Josh. Ich verdrehte die Augen angesichts seiner absurden Bitte. Was sollte ich ihnen nur sagen? „Anacá, da bist du ja. Wir haben auf deine Neuigkeiten gewartet. Was ist passiert?“, sagte Tante Dana und umarmte mich kurz. „Ich bin gerade zurückgekommen, Tante Dana. Ich habe überlegt, mich frisch zu machen und zu dir zu fahren.“ „Jetzt glücklich? Siehst du, du hast dir unnötig Sorgen gemacht. Ich weiß, du kannst dich mehr auf Anacá verlassen als auf deinen nichtsnutzigen Sohn“, verspottete Onkel Jeremy seine Frau wie immer. „Als wäre er nicht dein Sohn. Übrigens, er kommt ganz nach dir.“ Ich lächelte über ihr ständiges Gezänk. Sie würden sich nie ändern. „Anacá, komm und setz dich zu uns. Wir warten auf Neuigkeiten. Hast du Josh kennengelernt? Habt ihr euch verlobt?“ Mein Vater klopfte auf den Platz neben sich, und ich setzte mich widerwillig zu ihnen. Was sollte ich ihnen sagen? Wie sollte ich lügen? „Nein, ich meine, er war beschäftigt, und ich konnte ihn nicht kennenlernen.“ Zum Glück glaubten sie mir meine Ausrede, und ich atmete erleichtert auf. „Gut, dass du es nicht getan hast, Anacá. Ich hatte überlegt, deine Verlobung dieses Wochenende zu Hause abzuhalten“, sagte Tante Dana und machte mich sprachlos. Wie sollte ich ihr sagen, dass ich Josh hasste? Ich wollte sie abweisen, aber ein Blick auf Papas lächelndes Gesicht ließ mich zurückhalten. Würde er einen weiteren Herzinfarkt bekommen, wenn ich absagte? „Warte, Dana. Lass deinen Sohn auf die Knie gehen und dem Mädchen einen Antrag machen. Wenigstens das hat sie verdient.“ Es war die peinlichste Situation meines Lebens. Wie schaffe ich es immer, in so eine Situation zu geraten? „Als ob, Jeremy! Weißt du noch?“ Ich überließ sie ihrem Geplänkel und stand auf, um Getränke zu servieren. „Ich hole dir etwas.“ „Das ist egal. Sie kennen sich schon so lange, wir können sie einfach dieses Wochenende verloben, Jerry. Ich habe kein Vertrauen in meine Gesundheit. Ich möchte mein Kind wohlauf und glücklich sehen, bevor ich gehe. Meine Gesundheit lässt nach, und ich habe keine Zeit zu warten. Lass uns erst die Verlobung machen und einen Monat später die Hochzeit.“ Ich hörte, wie mein Vater Onkel Jeremy anflehte, und mir sank das Herz. Ich wollte zurück ins Zimmer eilen und beichten, aber etwas hielt mich zurück. Es war die Sorge um das Wohlergehen meines Vaters, wie immer. „Entspann dich, Charlie. Mach dir nicht so viel Stress. Wir werden sie bald verheiraten. Dir wird nichts passieren. Dana, du kannst die Verlobung diesen Samstag zu Hause vorbereiten. Und sorge bitte dafür, dass dein nichtsnutziger Sohn bei seiner Verlobung anwesend ist.“ „Warum nennst du ihn immer so? Kein Wunder, dass er nicht zu Hause sein will.“ Ich ging verwirrt in die Küche. Wie sollte ich die Verlobung jetzt lösen? Ich war angewidert von Josh. Ich musste nur wegen ihm so viel durchmachen. Wenn ich seinen Eltern nur erzählen könnte, wie er mich beleidigt hatte. Ich holte mein Handy raus und schrieb ihm noch einmal: Sie wollen uns diesen Samstag verloben. Wenn du die Verlobung nicht absagst, erzähle ich allen, wie du und Jordynn mich beleidigt habt. – Anacá. Ich bereitete die Getränke vor und servierte sie auf einem Tablett, als mein Handy mit Joshs Antwort vibrierte: Ich rede mit ihnen. Können wir uns abends treffen? Es gibt noch ein Problem – Josh. Ich murmelte Flüche. Warum sollte ich ihn treffen, nachdem er mich so behandelt hatte? Ich bin beschäftigt. Kümmere dich um deine Schlampe. – Anacá. Ich war kein böser Mensch, aber Josh hat heute die falschen Knöpfe gedrückt, und ich war sauer auf ihn. Treffen wir uns, oder ich rede mit deinem Vater über deine Taten. – Josh. Nur zu. Du hast mich zu diesem extremen Schritt gezwungen. – Anacá. Ich schaltete mein Handy aus und kochte vor Wut über seine hinterhältige Erpressung. Er konnte sich von mir aus verpissen. Mit einem falschen Lächeln verließ ich die Küche mit den Getränken. Wie ich erwartet hatte, übertrieb es die Verlobungsplanung. Ich bekam Platzangst. „Ich gehe ins Kaufhaus, Dad. Zu Hause ist nichts.“ Er nickte und gab mir etwas Geld. Erleichtert entkam ich ihrer Folter und schwor, später wiederzukommen, sobald sie weg waren. Wenn ich doch nur meiner Verlobung entkommen könnte! Es war nahezu unmöglich. Ich schaltete mein Telefon ein und scrollte durch die Nachrichten, die Josh mir geschickt hatte, in denen er mich anflehte, ihn zu treffen. Hat er es noch nicht kapiert? Ich kannte ihn zwar schon mein ganzes Leben lang, aber heute wurde mir klar, was für ein Vollidiot er war. Er hat alles zwischen uns zerstört. Nicht, dass da viel gewesen wäre. Josh war in einem teuren Internat aufgewachsen, und wir hatten uns kaum kennengelernt, bis er sein Studium abgeschlossen hatte und nach Hause zurückkehrte. Zwei Jahre älter als ich, hielt er mich für ungeeignet, mit mir auszugehen. Ich hatte gedacht, er würde sich nach der Hochzeit ändern, aber ich lag völlig falsch. Ich fuhr zum Kaufhaus, um mir die Zeit zu vertreiben. Mein Blick fiel auf eine Zeitung mit einer auffälligen Anzeige auf der Titelseite: Emerald Star Cruises Worldwide hat ein starkes Wachstum erlebt. Wenn Sie fleißig und dynamisch sind und Ihre Träume verwirklichen wollen, bewerben Sie sich selbstbewusst und starten Sie Ihre Karriere bei uns. Kontakt: 00 30 210 3214229, E-Mail: hrmanager@emeraldstarcruises.com oder einfach vorbeikommen in der Kleanthous Str. 5, Athen 10674. Ich machte ein Foto mit meinem Handy. Das war die Chance, nach der ich gesucht hatte. Mein letzter Job bei Carnival Cruises war stagniert – keine Gehaltserhöhung, keine Beförderung, trotz meiner guten Leistungen. Als mein Chef im Gegenzug für eine Beförderung Gefälligkeiten verlangte, blieb mir nichts anderes übrig, als zu kündigen. Aber Emerald Star Cruises war riesig und hatte sich in der Schifffahrtsbranche bereits einen Namen gemacht. Ich war mir sicher, dass sich die Erfahrung lohnen würde. Meine Stimmung besserte sich, und ich packte das Nötigste für das Haus zusammen. Vielleicht würde ich mit Papa sprechen, nachdem Joshs Eltern weg waren. Ich würde versuchen, ihn vor Samstag zu erreichen. Als ich zwei Stunden später nach Hause kam, war Papa eingeschlafen. Ich sortierte meine Einkäufe und setzte mich später an meinen Laptop, um mich auf eine passende Stelle bei Emerald Star Cruises zu bewerben. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte ich mich besser und hoffte, dort einen Job zu bekommen. Jeder Job war mir recht. Mein Telefon summte wieder, und ich stöhnte auf, weil ich wusste, wer es sein würde. Ich komme vorbei, wenn du mich nicht triffst. – Josh. Ich verlor die Geduld mit seinem Gejammer. Ich treffe dich nicht. Sag mir einfach, was du zu sagen hast. – Anacá. Ich kann nicht. Kann ich dich anrufen? – Josh. Ich starrte mein Telefon finster an. Warum konnte er mir nicht stattdessen eine Nachricht schicken? Ich verdrehte angewidert die Augen. Wenn der Hass auf Gegenseitigkeit beruhte, warum musste er mich dann anrufen? Mein Telefon summte, weil Josh anrief, und ich kochte vor Wut. „psst.“ Ich nahm den Anruf entgegen. „Was hast du zu sagen?“ Ich kam gleich zur Sache. „Hör zu, ich kann jetzt niemandem von Jordynn erzählen. Sie steckt in einer toxischen Ehe und plant die Scheidung. Es ist kompliziert. Ich möchte ihr Leben nicht noch weiter verkomplizieren, indem ich meine Eltern mit hineinziehe.“ Ich massierte mir die Schläfen, da ich schon mit meinem Latein am Ende war. „Wie verschieben wir dann unsere Verlobung? Ich habe nicht den Wunsch, mich mit dir zu verloben.“ Josh seufzte, und irgendwie konnte ich das Gefühl der Angst nicht unterdrücken, das mein Herz erfasste. Ich kannte seine Antwort, bevor er ein einziges Wort sagen konnte. „Wir müssen es durchziehen, Anacá.“ Ich zitterte vor Wut über seinen Vorschlag. Dachte er, ich würde jemals zustimmen? „Ich werde mich nicht mit einem Pssst wie dir verloben, Josh. Deine und Jordynns Probleme sind mir scheißegal. Du hast es verdient, weil du mich beleidigst.“ Ich legte auf und stürmte aus meinem Zimmer, um mit meinem Vater zu sprechen. Er würde es sicher verstehen, wenn ich ihm die Situation erklärte.
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