Anacá
Ich versuchte, mich zusammenzureißen. Ich war mir sicher, Eros konnte mein Herz in seinem Käfig hämmern hören, bereit zu explodieren.
„Was?“ Ich schluckte und richtete mich auf, um ihm selbstbewusst gegenüberzutreten. Ich hätte mich einfach für meinen Fehler entschuldigen und fliehen müssen. Doch als ich ihm gegenübersaß, sein habichtartiger Blick auf mich gerichtet, jede meiner Bewegungen beobachtend, verlor ich den Verstand.
Mein Blick glitt über ihn. In dem sonnenverwöhnten Restaurant sah er noch attraktiver aus als in seinem Büro. Hohe Wangenknochen, ein perfekt gemeißeltes Gesicht und volle Lippen, die einen Engel zur Sünde verführen könnten. Die Art, wie er seinen Anzug ausfüllte, ließ mich erahnen, was für einen perfekten Körper er wohl verbarg.
„Wir können zu mir gehen, wenn du Privatsphäre brauchst.“ Seine Stimme klang belustigt, und für einen Moment hatte ich das Gefühl, er spiele ein Spiel mit mir. Das brachte mich zur Besinnung, und ich richtete meinen Blick stattdessen auf sein Gesicht. Meine Augen weiteten sich, als mir klar wurde, was er gerade vorgeschlagen hatte. Ich musste ihn sofort korrigieren.
„Nein, ich bin nicht interessiert. Tut mir leid, dass ich dich belästigt habe, Eros. Du nimmst das doch nicht ernst? Danke, dass du mir vor meinem Ex Selbstvertrauen gegeben hast. Das weiß ich wirklich zu schätzen. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich muss jetzt woanders hin.“
Es war nicht ganz gelogen. Ich musste zu Josh und seinen Eltern von meinem misslungenen Vorhaben erzählen.
Er erstarrte kurz, bevor er sich nach meinem Handgelenk beugte, aber ich wich ihm erfolgreich aus. Mein Anflug von Trotz schien ihn unbeeindruckt zu lassen.
„Das kann doch sicher warten. Diese kleine Feier ist wichtiger, oder?“
Was zur Hölle! Hatte er mich nicht gehört? Meine Botschaft war laut und deutlich. Es war nur ein Missverständnis.
Er schenkte mir ein strahlendes Grinsen, das mich völlig aus der Fassung brachte. Es war die Art von Lächeln, die mir Schmetterlinge im Bauch bescherte. Ich konnte meine Reaktion auf ihn kaum fassen. Da saß ich nun und zählte die Schmetterlinge in meinem Bauch, obwohl ich mir eigentlich Sorgen hätte machen sollen.
Der Kellner kam, um unsere Bestellung aufzunehmen, und ich beruhigte mich.
„Nur Wasser für mich, bitte.“ Ich hatte sowieso vorgehabt, wegzulaufen.
Eros lächelte den Kellner an. „Einen gemischten Grillteller, ein Hühnchen-Souvlaki und zwei Gläser Champagner des Hauses, bitte.“
Ich riss die Augen auf, als ich sah, wie viel Essen er bestellt hatte. Würde er das alles alleine essen? Der Kellner ging, und ich warf ihm einen verständnislosen Blick zu.
„Warum hast du so viel bestellt?“
„Warum nicht? Man kann unsere Verlobung nicht mit einfachem Wasser feiern.“ Diesmal versuchte er nicht, den Ärger in seiner Stimme zu verbergen.
„Was gibt es denn zu feiern? Unsere zufällige Verlobung? Interpretierst du da nicht zu viel hinein?“ Ich verlor die Geduld und versuchte, mein Verhalten von vorhin wiedergutzumachen. Hatte ich mich nicht entschuldigt? Warum konnte er meine Entschuldigung nicht annehmen und loslassen? Ich hatte es aufgegeben, höflich zu ihm zu sein.
Ich wollte gerade aufstehen, als er sich vorbeugte und mein Handgelenk mit eisernem Griff packte.
„Wir sind schon verlobt, Anacá. Für dich mag es zufällig sein, aber für mich ist es genau das Richtige. Also hör auf, immer wieder darauf herumzureiten, und genieße das Essen.“
Unsere Getränke kamen, und Eros ließ mein Handgelenk los. Geistesabwesend rieb ich die Stelle, um seine Berührung zu vertreiben. Die Vorspeisen kamen, und er hielt mir den Champagner an die Lippen.
„Hier, nimm einen Schluck.“
Ich zögerte, aber er bestand darauf, und ich nahm einen Schluck von seinem Drink. Erwartete er, dass ich ihm auch meinen anbot? Nein, ich dachte über Möglichkeiten nach, ihm zu entkommen. Er beobachtete mich immer noch mit Argusaugen, und mir fiel das Atmen schwer.
Sein Handy summte, ein Anruf ging ein, und er holte es aus der Anzugtasche.
„Verdammt!“ Er runzelte die Stirn, während ich ihn misstrauisch beobachtete. Er sah mir in die Augen.
„Ich muss diesen Anruf annehmen. Bin gleich wieder da.“
Ich sah ihm nach, wie er sich entfernte, um den Anruf entgegenzunehmen, und mein Herz setzte einen Schlag aus. Sollte ich mich davonschleichen, während er telefonierte?
Der Hauptgang kam, und ich war nervös angesichts des vielen Essens. Es wäre alles umsonst gewesen, wenn ich gegangen wäre. Aber Eros telefonierte immer noch, mit dem Rücken zu mir, und sah verdammt sexy aus.
Mein inneres Gefühl trieb mich zum Weglaufen. Das war die perfekte Gelegenheit. Eros konnte mich unmöglich ohne meine Nummer oder Adresse erreichen.
Aber der Ring! Ich wäre pleite, wenn ich nicht bald einen Job fände. Ich hatte fast mein ganzes Erspartes dafür ausgegeben.
Der Kellner kam, um mir in Eros’ Abwesenheit Gesellschaft zu leisten.
„Miss, brauchen Sie noch Wein?“
Ich schüttelte den Kopf, immer noch in einem Dilemma. Die Zeit lief ab. Wenn ich jetzt nicht handelte, würde ich am Ende einen Fremden heiraten und den Zorn meines Vaters und Joshs Eltern auf mich ziehen. Mein Vater würde mir das nie verzeihen. Was, wenn er einen Schock erlitt? Was, wenn er einen weiteren Herzinfarkt erlitt?
Meine Entscheidung war gefallen. Ich sah zum Kellner auf.
„Kann ich bitte die Rechnung haben?“ Ich konnte nicht unhöflich sein und gehen, ohne das verschwendete Essen zu bezahlen.
Er zögerte. „Ich bin gleich wieder da, Miss.“
Er kam mit der Rechnung zurück, und ich riss die Augen auf, als ich den Betrag sah. Wenn alles nach Plan gelaufen wäre, hätte Josh seinen Anteil übernommen. Trotzdem bezahlte ich die Rechnung, leerte mein Bankkonto komplett und gab auch noch Trinkgeld.
Nach einem letzten Blick auf Eros und den Ring, den ich ihm geschenkt hatte und der an seinem Finger blitzte, verließ ich das Restaurant.
Draußen angekommen, atmete ich tief durch. Jetzt musste ich zurück zu Joshs Büro, um mein Auto zu holen, bevor Eros merkte, dass ich entkommen war. Ich bestellte ein Taxi und eilte, als wäre der Teufel hinter mir her. Ich betete nur, dass ich jetzt niemandem begegnete.
Nach fünf Minuten lenkte ich meinen Wagen aus Joshs Bürokomplex und fuhr nach Hause. Erst als ich die Kifisias Avenue verließ, stieß ich einen Seufzer der Erleichterung aus. Ich war meinem zufälligen Verlobten erfolgreich entkommen!
Doch die Erleichterung war nur von kurzer Dauer. Ich konnte seine Gedanken einfach nicht vergessen. Hatte ich ihn enttäuscht? Hielt er mich ernsthaft für seine Verlobte? Wie konnte das sein? Wenn er Joshs Chef war, war er definitiv weit über meinem Niveau.
Auf dem Heimweg überkam mich ein schlechtes Gewissen. Eros hätte mich beleidigen können, als ich ihm vor seinem gesamten Büro einen Heiratsantrag machte. Doch er tat es nicht. Stattdessen spielte er mit – nur für mich. Ich hätte ihm gegenübertreten, ihm danken und die Sache in Würde beenden sollen, anstatt zu fliehen.
Ich hielt in meiner Einfahrt, schaltete den Motor aus und blieb im Auto sitzen. Ohne Geld auf dem Konto wusste ich nicht, wie ich es schaffen sollte, einen Job zu finden. Vielleicht würde ich Dad oder Jess um einen Kredit bitten. Nein, nicht meinen Dad. Er würde durchdrehen, wenn er wüsste, dass ich einen Saphirring gekauft und ihn einer Fremden geschenkt hatte.
Blieb nur noch Jess. Ich hoffte, bald einen Job zu finden. Ich brauchte ihn so dringend.
Mein Telefon summte. Josh rief an, und ich stöhnte qualvoll auf. Ich hatte keine Lust, seinen Anruf anzunehmen, aber was sollte ich tun, wenn er mich meinem Dad verriet?
Ich ging ins Haus und spähte in das Zimmer meines Dads. Er war nicht da. War er nicht von Joshs Haus zurückgekommen? Warteten sie immer noch auf Neuigkeiten über mich? Aber welche Neuigkeiten sollte ich ihnen geben? Es würde ihnen das Herz brechen.
Mein Telefon summte erneut, und ich stöhnte auf, als Joshs Name auf dem Display aufblitzte. Vielleicht war es wichtig. Sonst würde Josh Hemmingway mich nie anrufen. Ich nahm den Anruf vorsichtig entgegen.
„Was willst du, Josh? Verpiss dich.“ Ich hatte allen Grund, wütend auf ihn zu sein. Ich machte nur wegen ihm so viel durch.
Wenn er es mit Jordynn ernst meinte, hätte er mit seinen Eltern reden sollen, anstatt alle im Unklaren zu lassen.
Er kicherte über meine Reaktion. „Wo zum Teufel bist du?“
Ich spottete über seine Frage. Warum fragte er mich nach meinem Aufenthaltsort, wenn es ihn doch einen Dreck interessierte?
„Zu Hause. Warum fragst du?“
„Wer ist zu Hause? Bei dir oder bei mir?“
Ich verdrehte die Augen bei der Befragung. „Warum interessiert dich das?“
„Meine Eltern sind mir wichtig. Wenn du bei mir bist, mach bloß nicht den Mund über mich auf. Sonst erzähle ich allen, wie du mich heute blamiert hast.“
Mein Herz zog sich vor Angst zusammen. Nein, ich wollte nicht, dass sie es erfuhren.
„Bleib ruhig. Ich bin bei mir zu Hause. Ich habe es bisher noch niemandem erzählt.“
„Braves Mädchen. Bleib so.“
Er wollte gerade auflegen, aber ich war noch nicht fertig mit ihm.
„Ich kann mich nicht mehr wie deine falsche Verlobte benehmen, Josh. Du hast mich betrogen, beleidigt, und zwischen uns ist Schluss. Wenn nicht heute, dann informiere ich Papa und deine Eltern auf jeden Fall bald.“
Er stöhnte, als fürchtete er sich davor. „Nein, überstürze nichts, Anacá. Wir reden heute Abend.“
Wahnsinnige Wut durchfuhr mich, und ich weigerte mich, nachzugeben.
„Es gibt nichts zu besprechen, wenn du mich unsympathisch, unerwünscht und langweilig findest. Wenn sich dein Leben nur um s*x dreht, warum erklärst du das dann nicht deinen Eltern? Ich bin fertig mit dir, Josh Hemmingway.“
Ich legte auf, als es an der Tür klingelte.
Wer konnte es jetzt sein?