Die schweren Türen der großen Halle knarrten auf, ihr Gewicht ächzte gegen die kunstvollen
Scharniere. Serena Grey tat ihren ersten Schritt den Mittelgang entlang, ihr Magen krampfte sich zusammen, als würden hundert
kleine Wölfe an ihren Eingeweiden kratzen. Das weiße Kleid fühlte sich erdrückend an, die Spitze kratzte wie Ketten an ihrer
Haut, ein krasser Gegensatz zum zarten Blumenduft der Rosen, die den Weg säumten. Die
Gesichter ihrer Rudelmitglieder blickten ihr entgegen – manche bemitleideten sie, andere wagten es nicht, ihr in die Augen zu sehen.
Keiner von ihnen würde sie retten.
Sie hob das Kinn, die Stimme ihres Vaters hallte in ihrem Kopf wider.
„Du wirst Magnus heiraten“,
hatte Victor Grey vor zwei Wochen gesagt, als er am Kopfende der langen Tafel stand. Sein Ton war scharf und ließ keinen Raum für Widerspruch.
„Nur so können wir dieses Rudel retten. Sein Bündnis sichert unser Überleben.“
Serena starrte ihn an, ihre Brust schnürte sich vor Ungläubigkeit zusammen. „Für ihn wie Vieh. Er ist fast doppelt so alt wie ich, und sein Rudel –“
„Du verkaufst mich wie …“
„Genug!“ Victor schlug mit der Hand auf den Tisch, der Knall hallte durch den Raum.
„Du wirst tun, was man dir sagt. Es geht nicht um dich, Serena. Es geht um dein Volk. Deine Familie. Hast du das verstanden?“ Seine Worte hatten tief getroffen, aber nicht so tief wie der Blick in seinen Augen. Da war keine Liebe. Keine Reue. Nur Berechnung.
Als sie nun auf Alpha Magnus zuging, der mit einem selbstgefälligen Lächeln auf seinem wettergegerbten Gesicht am Altar stand, fühlte sich Serena wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird. Die Last des Verrats ihres Vaters wog schwerer als der Blumenstrauß in ihren zitternden Händen. Magnus trug zeremonielles Schwarz, sein goldenes Alpha-Abzeichen glänzte auf seiner Brust.
Sein Blick musterte sie, als wäre sie ein Preis, den er gerade ersteigert hatte.
Ein Schauer lief ihr über den Rücken.
Der Zeremonienmeister räusperte sich, und das Gemurmel im Raum verstummte. Serena erreichte den Altar, ihre Beine steif, als gehörten sie ihr nicht mehr. Magnus streckte ihr die Hand entgegen, seine knorrigen Finger umklammerten ihre mit einem besitzergreifenden Griff.
„Du siehst umwerfend aus“, murmelte er, seine Stimme so ölig wie sein zurückgekämmtes Haar.
Serena antwortete nicht. Ihre Stimme blieb ihr im Hals stecken, inmitten des Kloßes aus Wut.
Der Zeremonienmeister begann zu sprechen, doch die Worte verschwammen, übertönt vom Dröhnen in Serenas Ohren.
Sie starrte Magnus an und versuchte, sich innerlich auf ein Leben voller Elend einzustellen. Sie war die Schachfigur ihres Vaters, ein Opfer für das Wohl des Rudels. Sie musste es akzeptieren.
Doch dann wurden die Türen mit einem ohrenbetäubenden Knall aufgerissen, ein Geräusch wie ein Blitzschlag, der den Raum erstarren ließ.
Alle Köpfe drehten sich um, und die Luft war zum Schneiden d**k. Serenas Herz raste, als eine große, dunkle Gestalt den Flur betrat.
Alpha Damon Blackwood.
Selbst ohne seinen Ruf war er ein furchteinflößender Anblick. Seine scharfen Gesichtszüge waren von einer kalten, undurchschaubaren Maske umrahmt, sein schwarzes Haar zerzaust, als wäre er gerade einem Sturm entsprungen. Seine stechenden grauen Augen musterten den Raum und ruhten mit einem Raubtierblick auf Serena und Magnus.
„Na, was für ein Anblick“, sagte Damon, seine Stimme durchschnitt die Stille wie eine Klinge. Magnus knurrte zurück und trat vor. „Hier haben Sie nichts zu suchen.“
„Was soll das, Blackwood?“ Du hast … Damons Lippe verzog sich zu einem spöttischen Grinsen, das seine Augen nicht erreichte. … eine Schuld. Und ich bin gekommen, um sie einzutreiben.
„Oh ja, das habe ich. Victor Grey steht in meiner Schuld.“ Ein Raunen ging durch die Menge. Victor erhob sich von seinem Platz in der Nähe des Saals, sein Gesicht blass, aber … trotzig.
„Dies ist Magnus’ Territorium. Du hast hier kein Anrecht, Damon.“
Damons Blick wanderte zu Victor, und der Raum schien sich zu verdunkeln. „Du schuldest mir Blut. Du schuldest mir Land. Und jetzt …“ Er deutete auf Serena.
„Ich habe jedes Anrecht darauf, Grey. … Du schuldest mir sie.“
Serena stockte der Atem.
„Was?“
„Nein!“, brüllte Magnus und stellte sich beschützend vor sie.
„Sie gehört mir. Dieses Bündnis ist … bindend. Verschwinde, Damon, bevor ich dich hinauszerren lasse.“
Damon kicherte leise und bedrohlich. „Du glaubst, du kannst mich aufhalten?“ Seine Rudelkrieger
erschienen hinter ihm, ihre Anwesenheit eine stille, aber wirksame Drohung.
Serenas Gedanken rasten. Damon Blackwood war berüchtigt, ein Name, der in den Rudeln mit Angst geflüstert wurde.
Seine Familie war vor Jahren massakriert worden, und seitdem war er zu einer Macht der Rache geworden, die rivalisierende Rudel eins nach dem anderen auslöschte.
Und jetzt war er hier. Für sie.
Damon fixierte sie mit seinen Augen, und einen Moment lang glaubte sie, etwas aufblitzen zu sehen – etwas mehr als nur kalte Wut.
„Du kommst mit mir“, sagte Damon mit sanfterer, aber nicht weniger gebieterischer Stimme.
Serena schüttelte den Kopf und wich zurück.
„Ich bin kein Besitz, den man herumreicht!“
Damons Grinsen verschwand.
„Du hast keine Wahl.“
Magnus stürzte sich auf Damon, kam aber nicht weit. Damon reagierte blitzschnell, packte Magnus am Hals und schleuderte ihn gegen den Altar. Chaos brach im Raum aus, doch niemand wagte es, sich Damon zu nähern, während er Magnus zu Boden drückte und seine Hand sich fester um ihn schloss.
„Fordere mich nicht heraus“, zischte Damon.
„Sie gehört jetzt mir.“
Magnus wehrte sich, sein Gesicht rot vor Wut und Demütigung, doch er leistete keinen Widerstand. Damon
stieß ihn von sich und wandte sich wieder Serena zu.
„Los“, befahl er.
Serena zögerte, ihr Blick huschte zu ihrem Vater, der wie erstarrt dastand, sein Gesichtsausdruck undurchschaubar.
„Vater, sag etwas!“ Victor rührte sich nicht. Er sprach nicht. Er sah einfach weg. Ihre Brust schnürte sich zusammen, Wut und Verrat vermischten sich mit Angst. Sie wandte sich wieder Damon zu.
„Und wenn ich mich weigere?“, fragte Damon und trat näher, seine Stimme sank zu einem gefährlichen Flüstern. „Ich weigere mich. Und glaub mir, das willst du nicht.“
„Dann schleppe ich dich hinaus.“ Die Drohung in seinem Tonfall ließ ihre Beine in Bewegung treten, bevor ihr Verstand es begriff. Sie ließ den
Strauß fallen, die Blumen verstreuten sich auf dem Boden, und folgte Damon zu den Türen.
Die Menge teilte sich wie das Meer, ihr Flüstern erfüllte die Luft. Serenas Hände zitterten, aber sie
weigerte sich zu weinen.
Als sie die Türen erreichten, beugte sich Damon nah zu ihr, sein Atem warm an ihrem Ohr.
„Du wirst dir wünschen, ich hätte dich getötet“,
murmelte er.
Serenas Herz setzte aus. Was auch immer sie in Damon Blackwoods Revier erwartete, es war klar,
dass ihr Albtraum erst begonnen hatte.