Kapitel 2

1331 Words
Die Fahrt in Damon Blackwoods Gebiet war lang und still. Serena saß steif in der Kutsche, die Hände fest im Schoß geballt, und versuchte, die erdrückende Präsenz des Mannes ihr gegenüber zu ignorieren. Damon sprach nicht, doch sein Blick brannte sich in sie ein, als wollte er sie zu einer Reaktion herausfordern. Die Spannung in dem kleinen Raum war unerträglich, und jede Sekunde bestärkte Serena nur in ihrer Überzeugung, dass sie eine Hölle verließ, um in eine andere zu geraten. Die Kutsche ruckte, und Serena klammerte sich an den Sitz, um nicht umzufallen. Draußen wich der dichte Wald einer Lichtung, und in der Ferne sah sie es – eine weitläufige Steinfestung, umgeben von hohen Eisentoren. Damons Gebiet. Ihr Magen verkrampfte sich. Hier gab es keine Wärme, keine Lebenszeichen. Die Festung wirkte wie ein Raubtier, kalt und abweisend, genau wie der Mann, der sie beherrschte. „Wir sind da“, sagte Damon, seine Stimme durchschnitt die Stille wie ein Messer. Serenas Kehle schnürte sich zu, doch sie weigerte sich, Angst zu zeigen. Sie richtete sich auf und stieg aus der Kutsche, als sich die Türen öffneten. Der eisige Wind schnitt ihr ins Gesicht, als sie sich umsah. Krieger des Rudels patrouillierten auf dem Gelände, ihre Augen hart und misstrauisch. Damons Dominanz war in jeder Ecke dieses Ortes spürbar, eine ständige Erinnerung daran, dass sie weit weg von zu Hause war. „Geh“, befahl Damon, sein Ton ließ keinen Widerspruch zu. Sie folgte ihm in die Festung, ihre Stiefel hallten auf dem Steinboden wider. Das Innere war genauso kalt wie das Äußere – dunkel, schmucklos und still. Es war kein Zuhause; es war ein Gefängnis. Damon führte sie einen langen Korridor entlang, die Stille zwischen ihnen war unerträglich. Schließlich blieb er stehen und öffnete eine Tür. „Hier wirst du bleiben“, sagte er und bedeutete ihr, einzutreten. Serena trat ein und erstarrte. Der Raum war klein, kaum größer als ein Wandschrank, mit einer schmalen Liege an der Wand und einer einzelnen Kerze, die auf einem Tisch flackerte. Es gab keine Fenster, keine Dekoration – nur vier graue Wände, die sich um sie schlossen. „Das kann doch nicht wahr sein“, murmelte sie und drehte sich zu ihm um. „Das hast du nicht verdient“, erwiderte Damon kalt, sein Gesichtsausdruck undurchschaubar. Sie funkelte ihn an, ihre Trotzigkeit brodelte an der Oberfläche. „Ich habe nicht darum gebeten. Ich habe nicht darum gebeten, hierher geschleppt zu werden wie eine Gefangene.“ „Ich habe nicht darum gebeten. Ich habe nicht darum gebeten, …“ Damons Augen verdunkelten sich, und für einen Moment glaubte sie, etwas darin aufblitzen zu sehen – etwas fast … Schmerzhaftes. Doch es war so schnell verschwunden, wie es gekommen war. „Du bist keine Gefangene“, sagte er mit spöttischem Unterton. „Und du wirst dir deinen Platz hier verdienen.“ „Du bist jetzt meine Verantwortung.“ „Verdienen?“, spottete sie. „Wodurch? Indem du deine Böden schrubbst?“ „Genau“, sagte er und trat näher, bis sie die Hitze spürte, die von ihm ausging. „Du bist nicht länger die Tochter des Alphas, Serena. Du bist hier nichts. Und wenn du überleben willst, wirst du tun, was man dir sagt.“ Sie schluckte schwer, ihre Fäuste ballten sich. „Du glaubst, mich zu brechen, wird dich …“ Damons Kiefer verkrampfte sich, und sein Wolfsinstinkt blitzte kurz in seinen Augen auf, bevor er zurückwich. „Du weißt nichts über mich“, sagte er leise, seine Stimme wie ein sich zusammenbrauender Sturm in der Ferne. Er drehte sich um und ging, die Tür hinter sich zuknallend. --- Am nächsten Morgen wurde Serena vom schrillen Knarren der sich öffnenden Tür geweckt. Eine Frau stand im Türrahmen, ihr Gesichtsausdruck streng, aber nicht unfreundlich. „Ich bin Lena“, sagte sie kurz angebunden. „Ich leite hier das Personal. Damon hat mich angewiesen, Sie zu …“ Serena runzelte die Stirn, ihr Stolz flammte auf. „Ich bin kein Personal. Ich bin …“ „Nichts mehr“, unterbrach Lena sie mit sachlichem Ton. „Ziehen Sie sich an und folgen Sie mir.“ Zögernd gehorchte Serena. Das Kleid, das man ihr gab, war schlicht und rau auf ihrer Haut, ganz anders als die eleganten Roben, die sie einst getragen hatte. Sie folgte Lena durch die Flure, ihr Herz sank, als ihr bewusst wurde, wie riesig – und erdrückend – dieser Ort wirklich war. Ihre erste Aufgabe war in der Küche: Sie schrubbte Töpfe, die so verkrustet waren, dass ihr die Arme schon nach wenigen Minuten schmerzten. Die anderen Arbeiter tuschelten über sie, ihre Blicke huschten zu ihr und dann wieder weg. „Sie ist die, die Damon mitgebracht hat“, murmelte eine von ihnen. „Das arme Mädchen“, erwiderte eine andere. „Sie wird es keine Woche aushalten.“ Serena biss die Zähne zusammen und war fest entschlossen, sich von ihren Worten nicht beeinflussen zu lassen. Sie konzentrierte sich auf ihre Arbeit und schrubbte noch eifriger, obwohl ihre einst makellosen Hände wund und rot waren. Mittags schrie ihr Körper nach Ruhe, aber sie weigerte sich aufzuhören. Da erschien Damon, lässig im Türrahmen lehnend, seine durchdringenden Augen beobachteten jede ihrer Bewegungen. „Gefällt dir dein neues Leben?“, fragte er mit triefendem Sarkasmus. Sie blickte nicht auf. „Das muss dir ja ein Riesenspaß sein.“ Er grinste, sein Blick verweilte jedoch auf ihren Händen, die nun voller Blasen waren und zitterten. „Es geht nicht um Vergnügen. Es geht darum, dir deinen Platz zu zeigen.“ „Darum geht es nicht.“ „Und welcher Platz ist das?“, fuhr sie ihn an und sah ihm endlich in die Augen. Damons Gesichtsausdruck verhärtete sich. „Am Leben. Sei dankbar dafür.“ Seine Worte jagten ihr einen Schauer über den Rücken, doch sie weigerte sich, ihm ihre Angst zu zeigen. „Monster“, sagte sie, ihre Stimme zitterte trotz ihrer eigenen Absicht. „Du bist ein …“ Sein Grinsen verschwand, und für einen flüchtigen Moment sah sie etwas Verletzliches in seinen Augen. Doch dann drehte er sich um und ging weg, sie allein mit ihren Gedanken zurücklassend. --- In dieser Nacht lag Serena auf der Pritsche, ihr Körper schmerzte und ihre Gedanken rasten. Damon war grausam, ja, aber unter seiner eisigen Fassade verbarg sich noch etwas anderes – etwas, das sie nicht genau einordnen konnte. Ein leises Knurren unterbrach ihre Gedanken. Sie richtete sich auf, ihr Herz hämmerte, als sie merkte, dass das Geräusch aus dem Flur kam. Die Neugierde siegte, und sie schlüpfte aus ihrem Zimmer, ihre nackten Füße lautlos auf dem Steinboden. Sie folgte dem Geräusch, ihr Puls beschleunigte sich mit jedem Schritt. Schließlich erreichte sie eine verschlossene Tür. Das Knurren war jetzt lauter, gutturaler. Sie presste ihr Ohr ans Holz, ihre Neugier vermischte sich mit Angst. „Was ist das?“, flüsterte sie. Plötzlich presste sich eine Hand auf ihren Mund und riss sie zurück. Sie versuchte zu schreien, doch der Griff war fest. „Hast du einen Todeswunsch?“, knurrte Damons Stimme tief und wütend in ihrem Ohr. Er wirbelte sie herum, seine Augen blitzten vor Wut und etwas anderem – Angst? „Was ist hinter dieser Tür?“, fragte sie mit zitternder Stimme. „Das geht dich nichts an“, schnauzte er sie an. Sie funkelte ihn an, ihr Trotz flammte erneut auf. „Du kannst mich nicht ewig im Dunkeln lassen, Damon.“ Sein Griff um ihren Arm verstärkte sich. „Du verstehst nicht, was hier auf dem Spiel steht, Serena. Halt dich da raus.“ Bevor sie widersprechen konnte, zerrte er sie zurück in ihr Zimmer und schloss die Tür hinter ihr ab. Während sie dort saß, das Herz hämmerte, wurde ihr eines klar: Damon Blackwood verbarg etwas. Und dieses Etwas ängstigte ihn zutiefst. Sie lächelte in sich hinein; dieses Etwas könnte der Schlüssel zu ihrer Freiheit sein.
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