Superficiality

1106 Words
2. Kapitel Immer wenn ich vor einem Ball vor dem Spiegel stehe, sehe ich eine vollkommen andere Person mir gegenüber stehen. Ich sehe aus, wie die anderen Menschen, die dort auf dem Ball tanzen werden. Eine von vielen. Das Kleid ist, wie eine Maske, die mein echtes Ich versteckt. Ich möchte mich aber nicht verstecken. Ich will ganz ich selbst sein. Vorsichtig strich ich über das lange, rote und wahrscheinlich teure Kleid, welches mir Mum gegeben hatte. Es passte nicht zu mir. Auf meinen Lippen hatte sie mir Lippenstift im selben Ton aufgetragen. Am liebsten würde ich das gesamte Make up von meinem Gesicht streichen. Das ganze highlighten, konturieren... Das war einfach nicht Ich. Doch was blieb mir anderes übrig? „Gracie bist du fertig?", rief meine Mutter plötzlich und riss mich aus meinen vielen Gedanken. Ich warf einen letzten Blick in mein verlorenes Spiegelbild. Nach einem tiefen Atemzug, schlüpfte ich in die flachen, schwarzen Schuhe hinein. Mit zitternder Hand öffnete ich die Tür langsam. „Du siehst natürlich gut aus und jetzt komm wir müssen los", meinte meine Mum hektisch, aber kalt und lief voran aus unserer Wohnung, bevor ich bemerkte, was genau geschah. Sie nahm mich an der Hand und zog mich den gewohnten Weg zum großen Ballsaal entlang. Das ganze Prozedere war ich mittlerweile gewöhnt. Doch trotz der Gewohnheit, fühlte ich mich noch immer, wie ein Kleinkind, dass sonst verloren gehen würde, wenn es nicht an der Hand seiner Mummy blieb. Viel lieber würde ich, wie Pru den ganzen Abend alleine mit anderen Dingen in meinen Zimmer verbringen. Der Wachmann vor dem Ballsaal nickte Mum emotionslos zu. Ich hatte die Vermutung Mum, dass sie auch mit ihm eine Affäre hatte, damit sie an Stellen im Schloss kam, wo sie vielleicht sonst nicht hin kam. Angeblich hatte sie schon mit einer großen Anzahl an Männern etwas gehabt. Darüber wollte ich aber nicht weiter nachdenken. Schließlich war es meine Mum. Wir wurden von einem Regen aus Blitzlichtern empfangen, als Mum durch die Tür trat. Meine Mutter begann bereits professionell zu posen und in die Kamera zu lächeln, während ich mich erst einmal fangen musste. Gedankenverloren sah ich um mich. Der Wirbel um uns war mir unklar. Mum war „nur" eine Angestellte der Queen, wenn man es so sah. Nicht mehr und nicht weniger.  Schließlich mischten wir uns unter die Gäste. Anfangs machte ich das Ganze noch mit, mit Vorstellen, Kompliment annehmen, bedanken, schweigen, verabschieden, weitergehen,
Relativ schnell begab ich mich aber zum Rand und sah mir alles von Außen an. Die meisten Menschen in diesem Raum waren geldgeil, arrogant und oberflächlich.  Es war schwierig eine gute Seite an Ihnen zu finden. Ich hasste die Welt hier. Viel lieber würde ich ein Leben ohne die britische Monarchie führen. Fernab der Vorstellung. Bis zu meinem zweiten Lebensjahr hatte ich in den Vereinigten Staaten gewohnt. Ich erinnerte mich zwar gar nicht daran, dennoch muss es eine schöne Zeit gewesen sein. Mum erzählte zwar nur negative Dinge über meinen Dad, aber ich wünschte es mir insgeheim ihn kennenzulernen. Ich hätte gerne einen Dad. „Dürfte ich um ihre Aufmerksamkeit bitten", die Queen betrat ein Podium mit einem schwarzen Mikrofon in der Hand. Augenblicklich verstummte alles. Jeder Blick war der Queen zugewannt. Die gesamte Aufmerksamkeit galt nun ihrer Person. Doch plötzlich hörte man harte Schritte, Quietschten und dann einen Zerspringen von Glas. Einer der persönlichen Diener von Queen Ruby war gerade ausgerutscht und hatte alle Gläser bei seiner Tollpatschigkeit zerstört. „Entschuldigung, Entschuldigung", stammelte er hastig und nervös. Alle Gäste sahen ihn sauer oder fassungslos an, während ich mir das Lachen verkneifen musste. Er stolperte recht schnell aus dem Raum. In seiner Haut wollte ich gerade nicht stecken, denn niemand wusste so recht, was ihm jetzt drohte. „Entschuldigung", die Queen räusperte sich und alle sahen wieder zu ihr. Das nannte man dann wohl Autorität. „Entschuldigen, sie bitte die Unterbrechung. Wir haben bereits eine Lösung für das Problem", entschuldigte sie sich künstlich. Das hieß dann so viel wie, er wird gekündigt. Das Publikum begann zu applaudieren. Einige pfiffen und klatschten extra laut in ihre gepflegten Hände. Schockiert sah ich sie an. Diese Menschen waren zum größten Teil Millionen Pfund schwer und freuten sich, wenn ein Kellner mit einem niedrigeren Jahreslohn wie der Wert ihrer Vorhänge gekündigt wurde und so seine Überlebenschance verlor, da er wahrscheinlich keinen Job mehr finden würde, wenn er sich keinen Sombrero schnappte und nach Mexico flog.
Diese Menschen waren abartig.Wie konnte man nur so grausam sein? „Ich habe heutige einige besondere Verkündungen", ab diesen Moment schaltete ich ab. Ich war die einzige Person, die ihre Aufmerksamkeit nicht der Queen widmete. Alle lagen gebannt an den Worten dieser Frau. Sie inhalierten die Worte, als würden sie diese zum Überleben brauchen. Als wären die Worte der Sauerstoff, welchen jeder benötigte. Einige Male wurde laut geklatscht. Stumm und nicht ergriffen klatschte ich mit. Es sollte ja keinen Skandal geben.  Doch nun hörte der Applaus gar nicht mehr auf. „Gracie?", die Queen sah um sich. Ich war bestimmt nicht gemeint. Warum auch? Gracie war kein seltener Name in englischen Ländern. Bevor ich auch noch mehr nachdenken konnte, packte mich meine Mum hart. Was hatte ich jetzt schon wieder angestellt? „Du spielst mit", warnend sah sie mich an. Wo sollte ich mitspielen? Mir lief ein Schauer über den Rücken. Bekam ich jetzt den Nobelpreis? Tatsächlich wurde ich auf das Podest geschubst. Mit falschen Lächeln, das erstaunlich echt aussah, sah ich verwirrt um mich. Was hatte das zu bedeuten? „Gracie", die Queen gab mir ihre Hand. Freundlich lächelnd nahm ich diese entgegen und schüttelte sie sanft.  Neben ihr stand ihr Sohn. Prinz Harvey Arthur von Großbritannien. Er sah gelangweilt aus. „Darf Ihnen Bekanntschaft mit Gracie Fryer machen? Sie ist nun als Freundin von meinem Sohn Harvey in unserer Familie aufgenommen", sie sah mich freundlich an. Tief in ihren grünen Augen flimmerte Gefahr. Was hatte sie gerade gesagt? Freundin?! Hatte ich da zu gestimmt? Ich versuchte nicht ganz so überfordert auszusehen, doch als Queen Ruby ihr Wort zu dem Thema beendete, stürmte ich so schnell, wie es ging von der Bühne. Aggressiv lief ich zu meiner Mutter und zog sie grob heraus. „Was soll das?", schrie ich sie sauer an. Ich hatte sie noch nie angeschrien. In mir brodelte die Wut nur noch so. „Das hat alles Vorteile für uns. Du bist die Freundin und ich gehöre automatisch auch mehr zur Familie", sie lächelte. Am liebsten würde ich ihr gerade das Gesicht zerkratzen. Die Tür öffnete sich und die Queen kam mit dem arrogant und gelangweilt aussehenden Harvey heraus. Jetzt war ich aber gespannt.
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