2. Kapitel Unbekanntes Volk der Steppe Teil 1

1630 Words
2. Kapitel Unbekanntes Volk der Steppe Teil 1 Die Lenticularis flog gewissenhaft ihrem Auftrag entgegen, an Bord beendete man die Nachtruhe und all jene, die nicht verschlafen hatten, begaben sich erst ins Badezimmer und dann in den Speisesaal, um das Frühstück einzunehmen. Anschließend wollte man sich dann, gestärkt und frisch, ans Werk machen. Auch der Kapitän erschien, zusammen mit Min, die ihr Frühstück bereits eingenommen hatte. Dennoch ließ sie das Betteln nicht sein. Allerdings wagte es niemand, ihr etwas zu geben, denn Befehl war Befehl. So zog sie sich irgendwann maulend unter den Tisch zurück, an dem ihr Frauchen mit ihren engsten Mitarbeitern frühstückte. Nach dem Frühstück begaben sich alle an ihre Arbeitsplätze, das Komitee beriet sich in einem Konferenzsaal, um die nächste Völkerverständigung zu planen, die Wissenschaftler untersuchten Proben oder Daten von diversen Himmelskörpern. Die Ärzte begaben sich in den Krankensaal und kümmerten sich um Patienten mit Schnupfen, Kreuzschmerzen, Zerrungen und anderen Wehwehchen. Kapitän Carol Thunderstorm, Laura, Balthasar und Albert befanden sich derweil im Cockpit und Karl in seinem Maschinenraum. Bald schon würden sie den kaum erforschten Himmelskörper erreichen. Ein Kadett gab wieder den Bericht über die Situation des Schiffes und den Fortschritt der Reise ab. Eine Hand voll ausgewählter Personen machte sich bereit, bald hinunterzugehen, um das Gebiet zu erforschen. Kapitän Thunderstorm blickte zu Albert Weisenstein. „Hast du eine Vorahnung für den nächsten Auftrag? Wir wissen so gut wie nichts, nur, dass es dort ein aufrecht gehendes Volk geben soll. Sie sollen sprechen können. Wie werden sie uns empfangen? Ist es ratsam, sie zu besuchen, oder würdest du uns empfehlen, dass wir Abstand halten? Sollen wir weiterfliegen oder einen Stopp einlegen?“ Albert schloss die Augen und es wurde still im Raum. Jeder wusste, dass er Ruhe brauchte, um die Zukunft vorhersagen zu können. Mehrere Minuten verbrachte er in seiner Meditation, mit geschlossenen Augen und hatte dabei die Hand auf die Stirn gelegt. Dann endlich brach er das Schweigen. „Carol, du weißt, dass ich auch schon mehrmals falsch vorhergesagt habe. Die Zukunft ist variabel, von vielen Einflüssen geprägt. Eine Kleinigkeit kann alles verändern. Also verlass dich nicht nur auf mich. Aber falls du es wissen möchtest, ich habe keinerlei Gefahr gespürt. Du bist der Kapitän und hast zu entscheiden … Ich habe heute nicht viel gesehen und kann dir nur einen Rat geben: Manchmal muss man Geduld haben.“ Dann schwieg er, mehr würde nicht aus ihm heraus zu bekommen sein. Carol wusste das, sie kannte ihn gut genug. „Wir sind gleich da“, meldete ein Crewmitglied, das vor mehreren Bildschirmen saß. „Wir sind nun im besagten Sonnensystem und dort ist der Gasplanet. Auf dem zweitgrößten seiner fünfzehn Monde haben wir Leben geortet. Es gibt dort eine Atmosphäre und atembare Luft. Sollen wir in den Orbit eintreten, oder weiterfliegen, Kapitän?“ „Ich habe ein gutes Bauchgefühl“, überlegte Carol und fällte damit eine Entscheidung, „Raumschiff in den Orbit einbringen. Wir gehen hinunter auf den Mond. Alle, die der Mission zugehören, sollen sich im Transporter-Raum einfinden. Ich werde mitkommen.“ Die Crew nickte und das Raumschiff kreiste sogleich um den Gasplaneten, während Carol durch die Flure eilte, begleitet von Min und Balthasar. Min folgte ihrer Herrin immer auf Schritt und Tritt und Blondie ging voll auf in seinem Job als Leibwächter. Er musste auf sie aufpassen und wenn es sein musste, sein Leben für sie opfern. Er hatte diesen Beruf gewählt, mit all seinen Konsequenzen. Sein Gehalt sah entsprechend fürstlich aus. Es dauerte nicht mehr lange, bis alle sich im Transporter-Raum eingefunden hatten und der kleine Trupp, bestehend aus dem Kapitän, ihrem Leibwächter, ihrem Haustier, zwei Wissenschaftlern, einem Kommunikationsgelehrten und zwei weiteren Crewmitgliedern. Sie tauchten auf einer kargen Grasebene wieder auf und blickten sich um. Die Wissenschaftler nahmen sogleich ein paar Proben vom Boden und den Pflanzen. Ein anderes Mannschaftsmitglied nahm dreidimensionale Bilder auf. Carol sah sich derweil mit einem Fernglas um. Überall wucherte hohes Gras, aber sie hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Balthasar spitzte die Lauscher, er hatte ebenfalls eine seltsame Ahnung. „Hier schleicht jemand herum“, murmelte er. Min schien das auch zu spüren, sie sprang auf die Schulter ihres Frauchens, dort fühlte sie sich sicherer. Die Wissenschaftler hatten nun genug Proben aus diesem Areal genommen. „Sollen wir weiter gehen­?“, fragte jemand aus dem Trupp die Frau Kapitän. „Selbstverständlich. Wir wollen die Bewohner kennen lernen.“ Carol marschierte los, ihren Leibwächter neben sich. Alle anderen folgten. Urplötzlich war ein Pfiff zu hören. Carol stoppte abrupt und Balthasar schnaubte. „Was ist los? Wer was das?“ Sogleich bekam er die Antwort. Aus dem hohen Gras tauchten etliche Gestalten auf, sie gingen aufrecht wie Menschen, waren mit Tarnfarben angemalt und trugen Kleidung aus Gras und Blättern. Bewaffnet waren sie mit Speeren und ihre Haut, dort wo sie nicht getarnt war, glänzte dunkelblau. Das verräterisch rote Haar hatten sich viele mit Ruß oder Erde geschwärzt. Ihre großen wachsamen Augen leuchteten gelb, sie schnupperten mit ihren markanten Hundenasen und stellten ihre Schlappohren auf. Ihre buschigen Hundeschwänze zitterten dabei erregt. Der Kapitän war überrumpelt. „Was jetzt?“, fragte ihr Leibwächter. Carol überlegte. „Ruhig bleiben!“, entschied sie. Noch hatten die Fremden ihnen nichts getan, vielleicht wollten sie nur wissen, wer die seltsamen Besucher waren. Man soll von Fremden nicht immer gleich das Schlimmste annehmen, das hatte Carol inzwischen gelernt. Nicht alles, was wie ein Angriff aussah, war auch einer. „Vielleicht stimmt hier das Sprichwort und bellende Hunde beißen nicht.“ Die Eingeborenen unterhielten sich tuschelnd. Sie waren um die zweieinhalb Meter hoch, aber schlank. Sie sahen zwar sehr wild aus – vor allem einer von ihnen der die Zähne fletschte, aber der Kapitän fand, dass Karl genauso zerzaust aussah, wenn er wieder einmal verschlafen hatte und ungekämmt, fern der Heimat und ohne Frühstück im Bauch, zum Dienst erschien, um alle mit dem Knurren seiner drei Mägen zu erschrecken. „Immer cool bleiben“, befahl sie daher. Die Ruhe war die Mutter des Friedens und der Weisheit, aber Vorsicht die Mutter der Porzellankiste. „Kapitän!“, zischte jemand. „Was sollen wir jetzt tun?“ Sie gebot ihm sich nicht zu bewegen. Die Fremden würden womöglich erst angreifen, wenn sie selbst angegriffen wurden. Denn schließlich erinnerte sie sich an Alberts Worte, manchmal musste man die Geduld bewahren. Zögernd holte eine in der Kunst der Kommunikation ausgebildete Frau ein Gerät hervor. Sie hielt es sich ans Ohr. Es war ein Übersetzungsgerät und konnte viele Sprachen in die Einheitssprache des Bundes dolmetschen. Alle Völker, die dem Bund angehörten, mussten diese Sprache lernen, um sich zu verständigen. „Und?“, fragte ein Kadett. „Was sagen sie?“ Die Angesprochene zuckte mit den Schultern, das Gerät ratterte, es musste die aufgenommen Sprachbrocken erst noch verarbeiten. Man sagte diesen Apparaten nach, sogar völlig fremde Sprachen anteilig übersetzen zu können. Andere hielten es für eine Legende. Verschwörungstheoretiker munkelten, dass der elektronische Dolmetscher Gedanken lesen oder Gehirnwellen anzapfen konnte. Andere Schlaumeier glaubten, die Geräte seien aus der Zukunft zu ihnen gekommen in dem etliche heute noch unbekannte Sprachen zum Allgemeingut gehörtern. Der Erfinder, der alles hätte aufdecken können, hielt sich bedeckt, man wusste nicht einmal wem man die geniale Schöpfung zu verdanken hatte. Was die wilden Spekulationen nur befeuerte. Der Wunderapparat ratterte noch immer. Dann aber gab es ein paar Töne von sich. Die Frau überlegte, „Wenn man dem Ding Glauben schenkt, dann wollen die Fremden lediglich wissen, wer wir sind. Sie scheinen irritiert.“ Ihr Kapitän überlegte, die Datenlage war dürftig, ein Kontaktversuch war ein Schuss ins Blaue. Doch das machte die Sache spannend. Wenn dieser blöde Apparat lügt, wird es Ärger geben – doch wer nicht wagt, der gewinnt auch nicht! Und Risko ist schließlich mein zweiter Vorname! „Sag ihnen, dass wir friedliche Besucher sind.“ Die Kommunikationsfachfrau nickte und sprach etwas Ähnliches in ihr Gerät. Dann hielt sie es von sich weg, es ratterte leise, die Ureinwohner wunderten sich und schon plärrte eine Stimme aus dem Gerät in ihrer Sprache, zwar holprig und gebrochen, doch die Botschaft schien anzukommen. Die blauen Leute tauschten Blicke aus und begannen zu tuscheln. Sie wirkten nicht wütend, eher erfreut. Der Trupp, einschließlich ihrer Anführerin, blieb wachsam und Balthasar machte sich auf alles gefasst. Doch es geschah nichts, was sein Eingreifen erforderlich machte. Es trat lediglich einer der Einheimischen vor, um zu sprechen. Die Kommunikationsfachfrau lauschte an ihrem Gerät. „Er sagt, dass sie auf uns gewartet hätten … ich glaube, sie wollen etwas von uns … sie möchten uns etwas zeigen.“ Der Kapitän überlegte, doch sie kam zu keinem Schluss, denn plötzlich traten zwei der von ihr kurzerhand als wilde blaue Hundsnasen betitelten Leute vor. Eh noch jemand etwas unternehmen konnte, hoben sie Carol auf ihre Schultern. Sie war zu verwundert, um etwas zu unternehmen. Im Stechschritt wurde sie fortgetragen, ihre Crew folgte notgedrungen, allen voran ihr Bodyguard. „Was nun?“, zischte Balthasar, der dicht neben einem der beiden Kerle lief, die Carol davontrugen. „Am besten ist wohl, wir warten erst einmal gelassen ab. Vielleicht sind sie harmlos und wollen uns nur … ihren Wohnplatz, eine Sehenswürdigkeit oder irgendetwas Nettes zeigen.“ Balthasar brummelte Unverständliches. Ihm gefiel die ganze Aktion nicht, aber bitte. Der Kapitän hatte das letzte Wort und wenn sie der Meinung war, dass diese Typen ihnen nichts taten, dann musste er sich dieser Meinung notgedrungen anschließen. Dennoch hielt er wachsam die Augen auf. Diese wilden blauen Hundsnasen würden nicht aus der Reihe tanzen können, ohne dass er es bemerkte um sofort zu handeln. Mein Job ist hart und diese eigensinnige Frau macht es mir auch nicht leichter. Doch ich habe mich seinerzeit verpflichtet mein Leben einzusetzen, um das einer solch unvernünftigen Person zu schützen, dachte er grimmig.
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