Die Tinte färbte seine Finger schwarz, der Geschmack klebte schwer auf der Zunge. Adrian Wahl saß über der Druckerpresse, zog die Seiten mit schnellen, präzisen Bewegungen durch die Maschine. Die Presse war uralt, ihr Eisenrahmen von Jahrzehnten gezeichnet, aber es war die einzige, die er stundenweise mieten konnte. Neben ihm stapelte Markus murrend die noch feuchten Blätter auf einen wachsenden Haufen.
„Du bringst mich um, Wahl“, murmelte Markus, die verkrampften Finger dehnend. „Wenn ich nach Tinte und Schweiß riechen wollte, wäre ich zu Hause beim Fischausnehmen geblieben.“
Adrian blickte nicht auf. „Wenn du geblieben wärst, würdest du für ein paar Pfennige Fische ausnehmen, bis dir der Rücken bricht. Hier ist jede Seite, die wir drucken, eine Salve in einem Krieg.“
Markus schnaubte. „Ein Krieg, geführt mit Papierschnitten.“
Adrian ignorierte ihn. Die Worte zählten — Essays, Manifeste, scharfkantige Argumente, die er bis spät in die Nacht feilte. Sie trafen dort, wo Fäuste versagten, verbreiteten sich, wo Schwerter nicht hinkamen. Seine ersten Pamphlete hatten bereits ein Raunen in den Cafés und Tavernen ausgelöst: Fragen nach Gerechtigkeit, nach Chancen, danach, wer eine Stimme in den Ratskammern verdiente. Die alte Ordnung hielt ihn für einen Aufwiegler, doch sie unterschätzten den Hunger der Leute nach Veränderung.
Bei Morgengrauen hielten sie dreihundert Exemplare seines neuesten Trakts, *Die Maschinen der Macht*, in Händen. Adrian hob eines hoch, die Worte noch feucht, und ein Schauer lief ihm über den Rücken.
„Sie werden das lesen“, flüsterte er. „Und sie werden nicht wegsehen können.“
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Am Abend trug er ein Bündel Pamphlete ins Herz der Stadt. Gaslampen brannten entlang der Boulevards, warfen blasse Heiligenscheine in den Nebel. Händler riefen ihre Waren aus, Kutschen rumpelten über das Kopfsteinpflaster, und in der Luft lag der elektrische Atem einer Nation, die gegen ihre eigenen Zwänge drängte.
In einem Café, beliebt bei Studenten und Journalisten, verteilte Adrian seine Pamphlete über die Tische. Ein hitziger Streit brach sofort aus — manche spotteten, andere verteidigten ihn, alle konnten nicht widerstehen, die Worte laut vorzulesen. Adrian blieb in der Ecke stehen, zufrieden, still beobachtend.
Dort fand ihn Eveline Hartwell.
„Du suchst Ärger“, sagte sie, setzte sich ihm gegenüber. Ihre behandschuhten Hände glitten über eines der Pamphlete. „Mit diesen Worten machst du dir den Rat nicht gerade lieb.“
„Das sollen sie auch nicht“, entgegnete Adrian, ihren Blick treffend. „Sie sollen daran erinnert werden, dass der Rat dem Volk dient — und nicht umgekehrt.“
Eveline musterte ihn, ruhig, aber forschend. „Und wenn der Rat dich einen gefährlichen Radikalen nennt?“
„Dann erinnere ich sie daran, dass jeder Staat seine Gründer einst gefährlich nannte.“
Ein Hauch von Amüsement spielte um ihre Lippen, doch er verschwand schnell. „Du brennst zu schnell, Herr Wahl. Feuer erleuchtet den Weg, aber es verschlingt auch.“
Bevor Adrian antworten konnte, stürmte Emilie herein, voller Lachen und Energie, und nahm sich den Stuhl neben ihrer Schwester. Sie schnappte sich ein Pamphlet vom Tisch und wedelte damit wie mit einem Fächer.
„Adrian, du bist jetzt schon berühmt“, sagte sie. „Die Hälfte der Stadt tratscht über diesen geheimnisvollen A.W., die andere Hälfte versucht herauszufinden, ob du Prophet oder Wahnsinniger bist.“
„Warum nicht beides?“ antwortete Adrian, und Emilie grinste. Eveline tat es nicht.
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Das Duell kam Wochen später, allerdings ohne gezogene Pistolen.
Es war eine öffentliche Debatte in einem der großen Hörsäle der Universität, die Luft war d**k vor Erwartung. Adrian war eingeladen worden — oder eher, herausgefordert — von niemand anderem als Sebastian Krone.
Der Saal funkelte unter Kronleuchtern, gefüllt mit Studenten, Händlern, Politikern und Damen in Federhüten. Adrian stand auf der einen Seite des Podiums in seinem besten Mantel — immer noch an den Ärmeln leicht abgetragen, aber frisch gebürstet. Krone stand ihm gegenüber, makellos wie immer, sein Lächeln scharf und selbstsicher.
„Meine Damen und Herren“, begann Krone, die Stimme glatt wie Öl, „wir haben uns hier versammelt, um uns über die Schwärmereien eines jungen Mannes zu amüsieren, der Tinte mit Autorität verwechselt. Hoffen wir, dass er wenigstens unterhaltsam ist.“
Gelächter rollte durch den Saal.
Adrian wartete, bis es verklang, dann trat er vor. „Ich danke Herrn Krone, dass er bestätigt, was wir ohnehin wissen — dass die alten Familien dieser Stadt die Stimme des Volkes belustigend finden, und sonst nichts. Aber ich versichere Ihnen, dass Hunger, Fabriken, die Kinder verstümmeln, und Soldaten, die für den Aufbau dieser Nation bluteten, nur um dann wie Bettler behandelt zu werden, alles andere als lächerlich sind. Wer das lustig findet, verspottet nicht mich — sondern das Volk selbst.“
Das Lachen erstarb. Murmeln breiteten sich wie Feuer über trockenes Gras. Adrian fuhr fort, Stimme fest, Worte scharf. Er sprach über Gerechtigkeit, Chancen und die Maschinen der Macht, die diejenigen zermahlen, denen sie dienen sollten.
Krone konterte mit Witz und Spott, jede Linie tropfte vor polierter Grausamkeit. Aber auf jeden Hohn hatte Adrian eine Antwort. Auf jede Spitze eine schärfere Klinge. Das Duell der Worte zog sich bis tief in die Nacht, bis die Menge nicht mehr lachte, sondern zuhörte — wirklich zuhörte.
Als es endete, hallte Applaus durch den Saal. Adrian lächelte nicht, aber innerlich brannte er vor Triumph. Krone verbeugte sich elegant, das Gesicht unverändert, doch in seinen Augen glomm etwas Neues: Angst geschärft durch Hass.
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Später klopfte Markus Adrian so heftig auf den Rücken, dass er beinahe ins Stolpern geriet. „Du hast es geschafft! Du hast den Prinzen in seinem Palast erschüttert.“
Doch Evelines Stimme hallte lauter in seinen Gedanken, ruhig und warnend: Feuer erleuchtet den Weg, aber es verschlingt auch.
Auf der gasbeleuchteten Straße, noch immer ein Pamphlet in der Hand, flüsterte Adrian die Worte, die zu seinem Credo geworden waren:
„Ich werde aufsteigen. Ich werde es schaffen.“
Und in den Schatten, ungesehen, murmelte Sebastian Krone etwas anderes — mit seinem eigenen Versprechen:
„Sie werden sich an dich erinnern. Und ich werde derjenige sein, der dein Epitaph schreibt.“