Razors Herz

Kapitel 1

1

»Aufräumarbeiten vorbereiten«, ertönte Razors tiefe Stimme, während er die zahlreichen Brände in der zerstörten Stadt unter ihm beobachtete. »Ich will, dass der Wiederaufbau innerhalb eines Monats beginnt.«

»Jawohl, Sir«, antwortete der Trivator hinter ihm.

»War das wirklich notwendig?«, fragte der Mensch neben ihm mit zitternder Stimme.

Der riesige Trivatorkrieger, der überall nur unter dem Namen Razor bekannt war, stand unbeweglich auf der Brücke des modernen Raumschiffs. Von dem Kriegsschiff aus hatten sie die Zerstörung der Stadt überwacht. Die Metropole, die früher einmal Mexico City gewesen war, war jetzt nur noch ein Haufen Schutt und Asche. Alles Leben war ausgelöscht und alle Gebäude waren zerstört.

Razor hatte seinem Namen alle Ehre gemacht. Er schnitt durch den Widerstand wie ein Skalpell durch eine lebenswichtige Arterie. Er wurde gerufen, wenn alle anderen versagt hatten.

Er war einer der drei Hochkanzler der Allianz und verantwortlich für die gigantische Militärstruktur. Gleichzeitig war er auch eines der umstrittensten Mitglieder des Rates. Ihm oblag die Verantwortung, die riesige Anzahl der trivatorischen Streitkräfte, welche die Sicherheitskräfte der Allianz bildeten, zu überwachen. Zu ihren Aufgaben gehörte es, den ersten Kontakt zu neuen Welten herzustellen, Ängste abzubauen und eine sichere Umgebung für weitere Mitglieder der Allianz zu schaffen. War dies erfolgreich geschehen, wurde mit dem Prozess begonnen, die neue Welt in den Schutz der Allianz aufzunehmen.

Razor kannte die Furcht, die ihnen bei dem ersten Kontakt mit einer neuen Spezies begegnete. Die meisten Wesen erkannten schnell, dass die Allianz keine Gefahr darstellte oder die Kontrolle übernehmen wollte, sondern vielmehr dabei half, Zugang zu größeren und oft fortschrittlicheren Sternensystemen zu bekommen. Für junge, unvorbereitete Planeten, wie die Erde, konnte es beängstigend sein und Widerstand war nicht ungewöhnlich. Die Menschen waren wirklich ein besonderer Fall und zerstörten lieber ihre Welt, als die Besucher zu akzeptieren, die sie selbst mit ihren ausgesandten Nachrichten eingeladen hatten.

Razor betrachtete die Ruinen unter ihnen. Es war ein perfektes Beispiel für die Verschwendung von Ressourcen und Leben, aber er bedauerte seinen Befehl nicht. Die Menschen dort unten in der Stadt waren gewarnt worden, bis es mit der Geduld der Allianz für die Rebellen aus war.

Nach mehreren Jahren der Auseinandersetzung der Menschen untereinander hatte die Allianz schließlich entschieden, dass sie keine Zeit oder Ressourcen mehr verschwenden wollte. Die letzten großen Städte auf dem Planeten sollten unter Kontrolle gebracht werden. Die Rebellen wurden aufgefordert, ihre Kämpfe einzustellen und mit der neuen Weltregierung zusammenzuarbeiten, oder man würden sie vernichtet. Die Anführer der Stadt hatten die zwölfstündige Frist verstreichen lassen. Genau eine Minute nach Ablauf des Ultimatums hatten die Zerstörer damit begonnen, die Stadt dem Erdboden gleichzumachen.

Razor blickte ruhig auf die Zerstörung hinab. Seit er vor sechs Monaten auf dem Planeten angekommen war, hatte er bereits an anderen Orten der Erde die Probleme mit den Rebellen gelöst, wenn diese sich geweigert hatten, sich in die Allianz zu integrieren. Die Rebellen in Kairo, Paris und Riad hatten zugestimmt, ihre Waffen niederzulegen, und die Städte wurden bereits wiederaufgebaut. Aber natürlich war es erst zu den Vereinbarungen gekommen, nachdem Razor die ukrainische Hauptstadt Kiew vernichtet hatte, weil die Rebellen dort das Feuer auf die Trivatoren eröffnet hatten. Razor hatte sie zuvor gewarnt. Diejenigen, die sich zunächst geweigert hatten, die Stadt zu verlassen, waren verzweifelt geflohen, als die riesigen Zerstörer mit ihrer Arbeit begannen. Die übrigen starben in den Trümmern.

»Ja«, antwortete er dem menschlichen Vertreter für diese Region kalt.

»Ihr hättet ...«, begann der Mann.

»Widerstand wird nicht länger toleriert. Es wird Zeit, dass eure Welt akzeptiert, dass sie nicht allein in diesem Universum ist. Die Entscheidung der Allianz ist endgültig. Es ist an der Zeit, eure Welt wiederaufzubauen und nach vorne zu schauen.«

* * *

Juan Rodriguez, der mexikanische Vertreter für die Allianz, schluckte, als der große Alien neben ihm sich umdrehte und wegging. Er sah wieder hinab auf die Stadt, in der er geboren war. Es hatte weniger als eine Stunde gedauert, bis alles dem Erdboden gleich war. Die Macht und Präzision hinter dieser Zerstörung erschütterten ihn.

Juan sah zu dem Dutzend Zerstörern, welche die Umgebung nach Überresten scannten und schauderte vor Angst. Es war schwer zu glauben, dass vor gerade einmal sechs Jahren überall am Himmel die Kriegsschiffe der Aliens aufgetaucht waren. Seitdem war der frischgebackene Hochschulabsolvent mit einem Abschluss in Politikwissenschaften der Vertreter seines Volkes geworden.

Juan schloss die Augen, während er sich an seine leidenschaftlichen Friedensaufrufe erinnerte. Er war überrascht gewesen, als die Allianz ihn aufgefordert hatte, sein Volk in der neuen Weltregierung zu vertreten. Sie hatten gesagt, sie seien beeindruckt von seiner Entschlossenheit, die Kämpfe zu beenden, seinem Mut in der Auseinandersetzung mit seinen Gegnern und seiner Bereitschaft, sich dem Rat entgegenzustellen.

»Was haben wir getan?«, fragte er sich leise, als er auf die Zerstörung hinabblickte und an die Männer und Frauen dachte, die sich geweigert hatten, die Stadt zu verlassen. »Sie hätten auf mich hören sollen, als ich sie gewarnt habe.«

Seine einzige Antwort war Stille. Um ihn herum arbeiteten die Trivatorkrieger daran, das Führungsschiff über die Ruinen zu navigieren. Er sah zu den großen Männern, die ihn trotz seiner knapp 1,80 Meter überragten. Ihre Körper waren zum Töten geschaffen, und er wusste aus Erfahrung, dass sie schnell, agil und tödlich waren.

Sein Blick fiel auf den Anführer der Trivatoren, Razor … kein Nachname … nur Razor. Er war im Vergleich sogar ein wenig kleiner als die anderen Krieger, wenn man 2,10 Meter klein nennen konnte. Er hatte etwas an sich, was ihn noch bedrohlicher wirken ließ als die anderen. Da war eine Kälte, eine Ruhe, die von kaum kontrollierter Gewalt zeugte.

Juan sah wieder auf die Feuer hinab und seufzte. Wenn der Mann so war, wenn er ruhig war, wollte er sich nicht vorstellen, was geschah, wenn er die Kontrolle verlor. Es würde ihn nicht überraschen, wenn es das Ende der Menschheit bedeuten würde, dann aber durch die Hand der Aliens nicht der Menschen.

Gott im Himmel, dachte er, als er an die kalten gelb-goldenen Augen dachte, mir tut jeder leid, der ihn wütend macht.