Der Morgen begann mit einem nervösen Kribbeln in meinem Bauch. Ich sprang früher aus dem Bett als sonst, voller Vorfreude auf mein Treffen mit Noah. Während ich mich anzog, stand ich lange vor dem Spiegel und überlegte, was ich anziehen sollte. Nach einigem Hin und Her entschied ich mich für etwas Schlichtes, aber Bequemes: ein weiches, hellblaues Shirt und meine Lieblingsjeans. Es war nichts Besonderes, aber es fühlte sich wie ich an.
„Du bist ja heute früh dran,“ bemerkte Jenny, als ich in die Küche kam. Sie saß mit einer Tasse Kaffee am Tisch, ihr Lächeln war warm und neugierig. Mein Vater war irgendwo im Haus beschäftigt, sodass wir allein waren.
„Ich treffe mich mit jemandem,“ antwortete ich vorsichtig, während ich mir ein Müsli machte.
Jenny hob eine Augenbraue. „Mit jemandem Besonderem?“
Ich wurde rot und wich ihrem Blick aus. „Vielleicht,“ murmelte ich und könnte schwören, dass ich ihr ein Lächeln entlockte.
Nachdem ich mein Frühstück schnell beendet hatte, machte ich mich auf den Weg. Die Luft war frisch, und die Sonne schien warm auf mein Gesicht. Ich traf Noah vor einem kleinen Park, den er vorgeschlagen hatte. Er trug ein schlichtes schwarzes T-Shirt und eine Jeans, aber er sah so entspannt und selbstsicher aus, dass ich mich sofort wohler fühlte.
„Hey,“ sagte er mit einem breiten Lächeln. „Du siehst toll aus.“
„Danke,“ erwiderte ich leise und hoffte, dass er mein Röten nicht bemerkte.
Wir spazierten eine Weile durch den Park und redeten über alles Mögliche – unsere Lieblingsfilme, die Schule, Dinge, die wir schon immer mal machen wollten. Es war einfach, mit ihm zu sprechen, als würden wir uns schon ewig kennen.
Nach einer Weile setzten wir uns auf eine Bank nahe einem kleinen See. Die Sonne glitzerte auf dem Wasser, und es war einer dieser Momente, die sich fast zu perfekt anfühlen, um wahr zu sein.
„Kann ich dich etwas Persönliches fragen?“ begann ich vorsichtig.
Noah sah mich neugierig an. „Klar, frag nur.“
„Hast du dir jemals Gedanken über deine Sexualität gemacht?“ Meine Stimme war leise, aber ich hielt seinem Blick stand.
Er zögerte nicht lange. „Ja, natürlich. Ich würde sagen, dass ich bi bin. Ich mag Mädchen und Jungs. Für mich geht es mehr um die Person als um das Geschlecht.“
Ein Gefühl der Erleichterung durchflutete mich, und ich konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Das finde ich schön. Ehrlich gesagt... das freut mich wirklich.“
Noah grinste. „Und du? Hast du dir darüber Gedanken gemacht?“
Ich nickte. „Ja, schon eine Weile. Es ist nicht immer leicht, es zu verstehen, aber ich denke, ich finde langsam meinen Weg.“
Er legte seine Hand kurz auf meine, eine sanfte Geste, die mich fast aus dem Gleichgewicht brachte. „Das Wichtigste ist, dass du dir die Zeit nimmst, die du brauchst. Und wenn du jemanden zum Reden brauchst, bin ich da.“
Ich konnte nur nicken, zu überwältigt von seinen Worten, um etwas zu sagen.
Nach unserem Spaziergang gingen wir in ein kleines Café, wo wir heißen Kakao tranken und weiterredeten. Er erzählte mir, dass er kürzlich mit seiner Familie in die Stadt gezogen war, weil sein Vater einen neuen Job bekommen hatte, und wie schwer es ihm gefallen war, sich einzugewöhnen. Ich teilte mit ihm, wie oft ich das Gefühl hatte, mich verstecken zu müssen, und wie anstrengend das manchmal war.
„Es klingt, als würden wir beide auf der Suche nach einem Platz in dieser Welt sein,“ sagte er nachdenklich.
„Vielleicht finden wir ihn ja zusammen,“ antwortete ich, ohne nachzudenken. Als mir bewusst wurde, was ich gesagt hatte, hielt ich den Atem an, aber Noah lächelte nur und sagte leise: „Vielleicht.“
Wir verbrachten den ganzen Tag miteinander, besuchten einen nahegelegenen Buchladen, wo wir uns gegenseitig unsere Lieblingsbücher zeigten, und gingen dann in ein kleines Museum, das Noah besonders mochte. Es war ein Tag voller Lachen, Gespräche und Momente, die sich so leicht und natürlich anfühlten, dass ich mir wünschte, er würde nie enden.
Am Abend brachte er mich nach Hause. Vor meiner Tür hielt er kurz inne und sagte: „Danke für heute. Es war wirklich schön.“
„Für mich auch,“ antwortete ich und sah ihn an. Einen Moment lang schien es, als würde er etwas sagen wollen, aber dann lächelte er nur, wünschte mir eine gute Nacht und ging.
Drinnen erwarteten mich Jenny und mein Vater. Sie saßen im Wohnzimmer, und ich konnte nicht verhindern, dass ein breites Lächeln mein Gesicht erhellte, als ich sie sah.
„Na, das sieht nach einem guten Tag aus,“ bemerkte Jenny mit einem Augenzwinkern.
„Es war wirklich schön,“ sagte ich ehrlich und setzte mich zu ihnen.
Mein Vater musterte mich einen Moment, bevor er fragte: „Mit wem warst du denn unterwegs?“
„Mit einem Freund,“ antwortete ich und hoffte, dass er nicht weiter nachfragen würde. Zum Glück ließ er es dabei.
Später, als wir alleine waren, begann ich, Jenny ein wenig mehr zu erzählen. Ich sprach über meine Unsicherheiten, darüber, wie schwer es manchmal war, ich selbst zu sein, und wie sehr ich mich wünschte, dass die Welt einfacher wäre.
Jenny hörte geduldig zu, nickte an den richtigen Stellen und ermutigte mich, weiterzureden. „Ich finde es toll, dass du heute so viel erlebt hast. Es ist wichtig, dass du dir solche Momente erlaubst,“ sagte sie schließlich.
Mein Vater kam gerade in den Raum, als ich von Noah sprach, und ich bemerkte, wie sich sein Gesichtsausdruck leicht änderte. Er wirkte bedrückt, sagte aber nichts. Als er uns dann Gesellschaft leistete, wechselten wir das Thema, und ich merkte, wie sich die Atmosphäre leicht änderte.
Später in meinem Zimmer holte ich mein Handy hervor und begann, mit Noah zu schreiben. Wir tauschten Eindrücke über den Tag aus, lachten über einige unserer Erlebnisse und planten sogar lose, uns bald wieder zu treffen.
Ich konnte nicht anders, als zu lächeln, während ich seine Nachrichten las. Es war, als hätte sich etwas in meinem Leben verändert, als hätte sich ein kleiner Lichtblick gebildet, der die Dunkelheit plötzlich nicht mehr so dunkel scheinen ließ. Ich war am schwärmen, ohne vorher gewusst zu haben, was genau das überhaupt bedeutet und jeder Tag gab mir mehr Kraft, mich dem zu stellen, was schon mein ganzes leben an mir nagte. Ich wusste nur nicht, wann dieser Moment kommen sollte.. Doch es sah aus, als würde dieser nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Ich schrieb Hannah noch eine Nachricht, aber schlief direkt danach ein. Das war ein wundervoller Tag und ich freute mich auf all das, was noch folgen sollte.