4. Kapitel

3620 Words
“Und, haben wir heute wieder so viel vor?” fragt Anthea vorsichtig. “Warum fragst du? Tun die Füße noch weh von gestern?” lacht Rose. Sie nickt zustimmend. “Und wie. Also erbitte ich Gnade!” Lachend dreht Rose sich im Kreis. “Thea, wir sind in einer der aufregendsten Städte der Welt und du willst ausruhen. Das kann es doch gar nicht geben.” “Rose, bittteee!” jammert ihre geschundene Freundin theatralisch. Das scheint zu helfen. Diese bleibt stehen, legt beide Hände an Antheas Schultern und verspricht ernsthaft, “Nur ein wenig bummeln. Covent Garden, Carnaby Street. Dazwischen etwas essen gehen. Aber ich kann nicht aus London verschwinden, ohne dort bummeln gewesen zu sein.” “Wir sind doch vorgestern erst angekommen.” erinnert sie ihre Freundin. “Ach, du weißt, was ich meine. Das ist doch nicht anstrengend, Süße. Komm schon! Und, wer weiß, vielleicht findest du da auch was Hübsches für die Hochzeit?” “Ich dachte, ich muss diese Scheußlichkeit von Brautjungfernkleid tragen die deine Schwiegermutter in Spe ausgesucht hat?” Rose zieht einen Flunsch. “Hör mir auf mit der!” “Zu gern.” lacht ihre Freundin. “Schließlich soll es ein lustiger Urlaub werden.” “Und? Kommst du mit oder muss ich allein losziehen, um Londons Geschäfte zu plündern?” Einen Moment spannt sie sie dann doch noch auf die Folter, ehe sie antwortet, “Auf keinen Fall lasse ich dich allein losziehen! Ich muss doch auf die aufpassen. Nicht das dich ein Jack the Ripper Verschnitt wegschnappt.” “Ach, gegen den werde ich mich schon zu wehren wissen. Aber Jack the Ripper ist doch die Idee.” “Wieso?” “Lass uns so eine Führung machen. Sieh es als Inspirationsquelle für ein neues Buchprojekt.” “Meinst du echt?” zweifelt Anthea. “Auf jeden Fall!” Gemeinsam verlassen sie kurz darauf Arm in Arm und gut gelaunt das Hotel. Vergessen war das unschöne Intermezzo des gestrigen Abends. Michael Thompson kann sie mal. "So, wohin als Erstes?", fragt sie ihre Freundin, als sie vor dem Eingang des Hotels stehen. “Zu der Führung oder shoppen?” “Da wir gerade erst gegessen und gesessen haben und mir jetzt nach Kultur ist, zur Führung!” “Wo genau ist die eigentlich?” Rose zuckt die Schultern. “Keine Ahnung. Aber, das haben wir gleich …” Sie zieht ihr Smartphone aus der Handtasche. Überraschenderweise ist der Treffpunkt für die original Jack the Ripper Tour im Altab Ali Park an der Whitechepal Road. Und dieser befindet sich in unmittelbarer Umgebung des Hotels. “Prima! Los geht's!” Die Tour entpuppt sich als absoluter Geheimtipp für Touristen. Genau die richtige Mischung aus Grusel, Spannung und Wissenswertem über das viktorianische London. “Noch Lust auf mehr Kultur oder wollen wir jetzt shoppen gehen?” fragt Rose als sie ziemlich genau zwei Stunden später wieder am Ausgangspunkt stehen. Die beiden Freundinnen sehen sich an und wissen es im selben Augenblick. “Shoppen.” rufen sie lachend. Gesagt, getan. Mit der District Line fahren sie nach Covent Garden. Bereits in der Floral Street entdecken sie einige hübsche Boutiquen. Nachdem Rose in beinahe jede hinein und hinausgestürmt war, manchmal mit einer weiteren Tüte in der Hand, mal ohne, kommen sie an ein Geschäft, dass es ihn beiden gleichermaßen angetan hat. “Voll süß!” lobt Rose. Anthea nickt zustimmend. “Komm! Ich habe Lust, Geld auszugeben.” Lachend betreten die Freundinnen das kleine Ladengeschäft. Tatsächlich steuert sie direkt auf einen Kleiderständer mit Blusen zu. “Och nein, Süße!” mischt Rose sich ein. “Schon wieder Blusen? Willst du nicht mal etwas Neues probieren?” “Die stehen mir eben am besten.” winkt sie lapidar ab. “Bist du sicher? Hast du dich eigentlich jemals in etwas anderem gesehen?” Ihre Freundin ignorierend, durchsucht sie die ausgestellten Stücke. Eine hellblaue Bluse hat es ihr besonders angetan. Wie als wäre sie nur für sie geschneidert worden hängt sie da verheißungsvoll vor ihr auf der Stange. Ergriffen nimmt sie diese vom Bügel und drückt sie sich an die Brust. Rose hinter ihr schnaubt verächtlich. Suchend sieht sie sich nach einer Umkleidekabine um. Doch es gibt keine. Da fällt ihr Blick auf einen Hosenstapel in einem Regal neben der Kasse. Eilig, als hätte sie Sorge etwas zu verpassen, geht sie darauf zu und greift zielsicher eine cremefarbene Skinny Jeans. Sogar die richtige Größe stellt Anthea zufrieden fest. “Hm, könnte zusammenpassen.” urteilt Rose mit einem Schulterblick auf ihre Ausbeute. “Könnte nicht nur. Es passt perfekt.” haucht ihre Freundin. “Nur leider kann ich es nicht anprobieren.” Ihr Blick fliegt durch den Laden. “Es gibt keine Kabine.” “Na und?” plappert Rose. “Ich steh` Schmiere.” Kichernd ziehen die beiden sich in die hintere Ecke zurück und während Rose breitbeinig und mit ausgebreiteten Armen vor ihr steht, wechselt Anthea dahinter schnell die Kleidung. “Du hattest recht. Du siehst super aus!” lobt Rose fröhlich, als sie sich glücklich in den neuen Sachen vor einem Spiegel dreht. "Das musst du unbedingt kaufen! Wenn du damit keinen rumkriegst, weiß ich auch nicht." Das hatte sie zwar nicht im Sinn als sie diese Kleidungsstücke ausgewählt hat, aber egal. "Themenwechsel.", ruft sie über die Schulter und sieht ihre Freundin durch den Spiegel hinweg warnend an. Die junge Verkäuferin kann sie zwar nicht verstehen, nickt aber freundlich und bedeutet ihr mit dem erhobenen Daumen, dass ihr die Klamotten gut stehen. “Das Geld investiere ich gern.” verkündet sie schließlich und beginnt sich wieder umzuziehen. Nachdem sie bezahlt haben und da es mittlerweile auch bereits Mittagszeit war, gönnen sich die Freundinnen erst einmal ein Mittagessen. "Und wie willst du es nun machen?” lenkt Rose das Thema aus heiterem Himmel wieder auf das leidige Thema Michael Thompson und sein beschissenes Hemd. “Och nö, Rose, nicht schon wieder dieses Thema!” jammert ihre Freundin theatralisch. “Das habe ich abgehakt.” “Du willst es ihm also nicht ersetzen?” “Er will das doch nicht.” “Meinst du?” “Deutlicher als er es getan hat, kann man es schon gar nicht mehr sagen.” kontert sie. Rose zuckt die Schultern. “Hm. Und wenn die aus der Reinigung es doch wieder hinbekommen?” “Tja, dann hänge ich es ihm einfach an die Türklinke.“ entgegnet sie schnippisch. “Die Hoteltüren haben keine Klinke.” feixt Rose. “Na dann eben über die Rezeption.” Einen Augenblick sehen sich die beiden stumm an, dann platzen es aus ihnen heraus und sie prusten gleichzeitig los. "Ach ich denke tatsächlich, dass sich das erledigt hat." Achselzuckend winkt sie ab, nachdem sie wieder zu Atem gekommen ist. "Kirschflecken gehen nicht raus." "Du bist die Fachfrau.” meint Rose lapidar und zieht an ihrem Strohhalm. “Genau das hat er auch gesagt. Gestern.” “Natürlich gestern. Wann auch sonst. Ihr kennt euch schließlich erst seit gestern.” Rose mustert sie eindringlich und kann sich ein Grinsen kaum verkneifen. “Was?” “Nichts.” erwidert ihre Freundin geheimnisvoll. Ohne zu wissen, wohin, mit seiner Wut, rast Michael direkt vom Restaurant zum Krankenhaus, in dem sein Vater zurzeit behandelt wird. Während des Laufens fragt er ironisch “Hallo Lilian. Ist mein Vater zu Hause?” und rauscht, ohne am Tresen der Schwestern anzuhalten, einfach weiter. Die junge Lernschwester Lilian springt eilfertig auf, als er an ihr vorbeiläuft. “Mister Thompson. Wo wollen Sie denn hin?” ruft sie überrascht. Ohne auf sie zu achten, läuft er mit großen Schritten weiter durch die Flure. Immer in Richtung seines Vaters Zimmer. Aufgeregt trippelt die zierliche Frau neben ihm her und merkt an, “Aber wir haben heute doch noch gar nicht Freitag?” Verzweifelt versucht sie neben ihm Schritt zu halten. Damit spielt sie auf seine wöchentlichen Audienzen bei seinem Vater an. Ich sage bewusst Audienz, weil es nichts anderes ist. Wöchentlich hat Michael Rapport zu erstatten, stets pünktlich freitags drei Uhr nachmittags. Pünktlichkeit verlangt Richard auch vom medizinischen Personal. Und weil Richard Thompson der Zweite, eben der ist, der er ist, springt man sofort, mit einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen und sagt zu jeder noch so dämlichen Attitüde ja und Amen. Genau dieses Verhalten, alle seine Mitmenschen wie Untergebene zu behandeln, kotzt Michael bereits seit Kindheitstagen an. “Doch was tue ich? Ich krieche ebenfalls zu Kreuze.” stellt er wieder und wieder fest. Ohne anzuklopfen, reißt er die Tür zum Krankenzimmer auf. Lilian macht, mit einem entnervten Gesichtsausdruck eine gekonnte Kehrtwende und trippelt zurück auf ihren Posten. Sicherlich hat sie es bereits gemerkt, dass nicht nur der alte Thompson einen ordentlichen Dickschädel sein Eigen nennt. “Sag mal, kannst du mir verraten, ob zu deinen ganzen Wehwehchen jetzt auch noch ein Hirntumor hinzugekommen ist? Oder was soll der Scheiß den du da verzapft hast?” brüllt Michael beim Eintreten. Vom unerwarteten Lärm keineswegs überrascht antwortet sein Vater nüchtern, “Es sind mit nichten Wehwehchen, mit denen ich mich herumschlagen muss. Und ein Hirntumor gehört Gott sei Dank nicht dazu.” “Hör` mir auf mit Gott!” blafft sein Sohn ihn an. “Mit dem hattest du doch noch nie etwas am Hut.” Mühsam hievt der Alte sich in seinem Bett hoch. Ächzend versucht er sein Kissen im Rücken in eine bequeme Position zu bringen. Wenn er mit seinem Geächze hofft, Michaels Herz zu erweichen, hat er sich aber geschnitten. Unbewegt schaut dieser ihm zu und verharrt schweigend, bis sein Vater ihn abwartend anschaut. “Was ist?” faucht Michael. “Ich habe mir schon gedacht, dass du hier erscheinen wirst. Heute.” “Ach, hast du das?” Richard wartet ab, ob sein Sohn weiterspricht. Schließlich fragt er, “Und?” “Ja, das frage ich dich, Vater.” “Ich traue dir zu, dass du meine Beweggründe bereits begriffen hast.” Fassungslos starrt sein Sohn ihm ins Gesicht. “Nur zu, sag` was du zu sagen hast, Junge!” “Na gut.” Michael beginnt nervös in dem kleinen Raum auf und ab zu gehen. “Was hast du dir nur dabei gedacht? Was soll der Scheiß? Mein Leben umkrempeln. Entzug machen, Frau finden und als wäre das nicht genug, setzt du dem Ganzen die Krone auf und verlangst Enkelkinder. Echt jetzt?” “Prima du hast deine Prioritäten richtig geordnet. Eine anständige Frau zu finden, wird, sobald du von den Drogen weg bist einfach werden.” lobt Richard. “Das ist alles, was du dazu zu sagen hast? Nicht vielleicht etwa, warum du deinem eigenen Sohn ein solches Ultimatum stellst?” “Ich hatte angenommen, das hätte dir Bloomberg gesagt?” “Wenn du damit auf deine väterliche Sorge um mich anspielst, dann schieb dir die in den Allerwertesten!” Pikiert verzieht sein Vater für einen Moment den Mund. “Deine Heuchelei kannst du dir sparen. Damit kommst du Jahrzehnte zu spät. Und frag dich mal eher, warum ich so bin wie ich bin!” Für einen Augenblick hinterlässt die Anschuldigung eine Spur Schmerz, gepaart mit Reue auf dem Gesicht seines Vaters. Dann ist der Moment vorbei und seine kalten, grauen Augen ruhen wieder selbstgefällig auf seinem Sohn. Michael registriert es mit einem stechenden Schmerz im Herzen. “Du kannst darüber denken, wie du magst. Ich habe meine Gründe und damit ist es beschlossen.” “So einfach ist das für dich?” faucht Michael. Richard nickt huldvoll und schweigt. “So geht das nicht, Vater. Ich … das kannst du nicht von mir verlangen.” “Warum nicht?” Fassungslos starrt sein Sohn in an. “Weil … weil …” “Weil du bereits so tief in diesem Sumpf steckst und dir selbst nicht mehr daraus heraushelfen kannst.” vollendet der ältere den Satz. “Bullshit!” Richard macht ein pikiertes Gesicht. “Ich wäre dir dankbar, wenn du dich in meiner Gegenwart gewillter ausdrückst.” “Fick dich!” Richard zuckt mit den Schultern. “Jedenfalls kannst du dir deine Vorgaben in den Arsch schieben.” schreit Michael. “Michael!” “NEIN!” schreit dieser. “Ich mach` da nicht mit, Vater. Du hast mich benutzt, mich hin und her geschoben als ich klein war. Jetzt bin ich erwachsen.” “Bist du dir da sicher?” Diese Spitze konnte er sich wohl nicht verkneifen. “Pha.” faucht Michael und lässt sich auf einen der Besucherstühle fallen. Ein paar Minuten herrscht Schweigen im Raum so d**k und schwer wie zäher Nebel. Dann bricht Richard dieses, indem er sagt, “Michael, ich sorge mich.” “Das wäre ja mal was ganz Neues.” grummelt sein Sohn. “Nicht nur um den Verlag, auch um dich.” fährt er fort, ohne auf den Einwand zu achten. “Ha, da haben wir es ja wieder. Der Verlag. Stets kommt er bei dir an erster Stelle.” “Selbstverständlich tut er das.” Ein Satz, den ein Kind nicht unbedingt von seinem eigenen Vater hören möchte. “Seit mein Urgroßvater 1854 im East End die Zeitung gegründet hat, baut ihn Generation um Generation weiter aus. Wir versuchen das zu erschaffen, was ihm damals vorschwebte. Und mittlerweile sind wir, wie ich finde, zu beachtlicher Größe angewachsen. Also wiederhole ich gerne, was ich stets sage, ja, der Verlag steht für mich an erster Stelle!” Wie oft schon hatte er sich diesen Vortrag anhören müssen. Michael verdreht die Augen und fährt sich mit der Hand durch das Haar. “Für dich mag das nicht wichtig sein, Junge, jedoch für mich aber schon, und ich habe die bestimmte Sorge, dass wenn ich sterbe und dir das Familienunternehmen in deinem Zustand überlasse, alles innerhalb kürzester Zeit den Bach heruntergehen wird.” “Ja klar, weil ich ja so miserable Arbeit leiste.” “In der Tat. Ich muss zugeben, du hast mich, was das betrifft überrascht.” lobt Richard. “Ich hätte nie angenommen, dass du das Studium durchziehst.” “Danke auch.” Michael schnaubt. Wer hatte denn bitteschön mit magna c*m laude abgeschlossen? “Du kannst das Lob ruhig mal annehmen!” meint Richard, dem Michaels ironischer Unterton wohl entgangen war. “Auch im Verlag schlägst du dich gut ist mir zugetragen worden.” Klar, Vater hat seine Augen und Ohren überall. “Und dennoch willst du mich enterben.” “Mit nichten will ich das.” widerspricht Richard. “Im Gegenteil. Ich möchte, dass du das Unternehmen in die Zukunft führst!” “Ach?” “Ja, und damit du dabei auch erfolgreich bist, musst du gesund sein. Nichts weniger verlange ich von dir. Werde gesund, Junge!” “Ich bin gesund.” Der Blick den sein Vater ihm nun zuwirft, trieft vor Zweifel. Einlenkend gibt Michael zu, “Na gut, ja, ich nehme hin und wieder was. Aber ich habe es unter Kontrolle. Ich weiß ja nicht, was dir deine Spitzel da berichten, aber ja, ich hab's unter Kontrolle.” “Na gut, wenn das so ist, dann geh zu einem Arzt, lass dich untersuchen und bringe mir das Gutachten!” “Du schickst mich zu einem Gutachter? Wie ein Stück Vieh.” Er war aufgesprungen und rauft sich das Haar. “Du bist doch echt krank!” “Das bin ich auch. Daher eilt es. Sagen wir, nächsten Freitag bringst du das Gutachten mit!” Daraufhin weiß der Jüngere nichts mehr zu sagen und verlässt wutentbrannt und mit knallender Tür das Krankenzimmer. Wütender als zuvor muss Michael erst einmal Dampf ablassen. Julia Montrose, seine beste Freundin mit gewissen Vorzügen, kommt ihm da immer gut gelegen. Da sie als Modedesignerin selbst ständig unter Strom steht, ergänzen sie sich in dieser Sache ganz gut. Nachdem sie einander dahingehend behilflich waren, den tristen Alltag für ein paar wenige Stunden zu vergessen, liegen sie nackt und verschwitzt im Bett, Michaels Kopf ruht auf Julias flachen Bauch. Abwechselnd ziehen sie an einem Joint. “Das hab` ich gebraucht.” Kraftvoll stößt er den Qualm aus und sieht der kleinen hellen Wolke nach. “Hör` auf zu jammern! Ich hatte auch einen beschissenen Tag.” kontert Julia. “Erzähl mir davon!” Michael setzt sich auf, um seine Freundin ansehen zu können. Sie winkt ab und greift nach dem Joint, den er ihr reicht. Michael beobachtet, wie ihre roten, vollen Lippen die Marihuanazigarette eng umschließen. Tief saugt sie ein und bläst elegant den Qualm anschließend wieder aus. “Falsche Stofflieferung, dämliche Näherinnen. Das übliche eben.” “Dann war dein Tag angenehmer als meiner.” Julia zieht die gezupfte Augenbraue in die Höhe. “Ja, du wirst nicht erraten können, was Richard sich tolles für mich hat einfallen lassen.” Ihr Blick fordert ihn auf, fortzufahren. “Er verlangt, dass ich mein Leben umkremple.” “Das heißt?” fragt sie gelangweilt. Er weiß, dass sie nicht wirklich desinteressiert ist. Das kommt von den Drogen. “Ich soll mit den Drogen Schluss machen. Weiß der Himmel, wie er davon erfahren hat? “ “Hm.” Sie zieht erneut an der Zigarette. “Das Beste kommt ja erst noch. Eine Schwiegertochter und Enkel wünscht seine Hoheit sich noch dazu.” Diese Aussage entlockt Julia dann doch ein kleines Lachen. “Schön, dass du das lustig findest!” grummelt Michael. “Für mich ist das bitterer Ernst.” “Wieso denn?” “Hast du mal darüber nachgedacht, wie schwer es ist in dieser Stadt eine Frau zu finden, die den Ansprüchen von Richard Thompson genügt?” Da kommt ihm eine Idee und halb im Spaß fragt er, “Du hättest nicht vielleicht Lust mich zu heiraten?” Lachend entgegnet sie. “Wow! Was für ein Romantiker.” “Seit wann stehst du auf Romanik?” Sie zuckt die Achseln. “Stimmt auch wieder.” “Und?” “Was?” “Willst du mich, wenn auch nur zum Schein, heiraten?” Sie schüttelt lachend den Kopf, wobei ihr das kinnlange glänzend dunkle Haar ins Gesicht schlägt. “Nein danke.” “Hast du eventuell eine Freundin, die sich etwas dazuverdienen will?” “Du willst nicht wirklich eine Frau dafür bezahlen, dass sie für eine unbestimmte Zeit deine Ehefrau spielt?” schnappt sie fassungslos. “Doch. Genau das ist mein Plan. Warum denn nicht?” Daraufhin weiß sie auch nichts zu antworten. Einen Moment geben sie sich beide ihren Gedanken hin. “Was passiert denn, wenn du nicht nach seiner Pfeife tanzt?” fragt Julia nach einer Weile. “Er droht mich zu enterben, wenn ich seine Forderungen nicht binnen der nächsten eineinhalb Jahre erfülle.” Nun lacht sie vollends. “Na danke auch.” faucht er beleidigt und dreht sich wieder auf den Rücken. “Hey, hör auf zu grummeln!” “Hallo? Hast du nicht zugehört? “ “Was denn? Dann trittst du eben etwas kürzer. Was ist schon dabei?” Ihre schlanken Finger streichen durch sein dunkles Haar. Beinahe tonlos flüstert sie, “Das täte dir ganz gut.” Hellhörig geworden dreht er sich erneut auf den Bauch, sieht sie an und fragt deutlich, “Du bist also derselben Meinung?” “Welcher Meinung, Schatz?” fragt sie unschuldig. “Na, dass ich es übertreibe und schon bald ins Gras beißen könnte?” Ausweichend wandert ihr Blick unstet umher. Wütend setzt er sich auf, wobei ihm die dünne Decke bis zu den Lenden herunterrutscht. “Jetzt hör schon auf zu schmollen, Schatz!” säuselt sie lächelnd. “Ich meine es doch nur gut. Was nicht heißen soll, dass ich das dem König auch unterstelle.” Sie kichert. “Aber in letzter Zeit hast du doch ganz schön abgebaut.” “Abgebaut?” faucht er verständnislos. “Na ja, körperlich meine ich.” “Bisher hast du dich nicht beschwert.” Die Knie mit beiden Armen umklammert, starrt er die gegenüberliegende Wand an. Julia kommt näher, wuschelt ihm mit der Hand durch das Haar und erklärt leise, “So meinte ich das nicht. Aber du siehst schlecht aus. Der exzessive Konsum ist dir anzusehen. Das macht mir Angst. Und nicht nur mir.” “Ach nein? Wem denn noch?” Ein Wort, “Jack.” Er schnaubt. “Wenn ich aufhöre, dann geht euch beiden doch euer bester Kunde durch die Lappen.” Julia steht auf und beginnt nackt durch das Loft zu gehen. Wie gewöhnlich braucht sie nach dem s*x einen Joint und einen Kaffee. In genau dieser Reihenfolge. “War's das jetzt?” ruft er. “Mehr hast du nicht dazu zu sagen?” “Nö.” “Dann lass dir von mir sagen, ich hab's im Griff. Es geht mir gut, verdammt! Ich leiste gute Arbeit, bin erfolgreich und ja, ab und an nehme ich etwas ein, um zu entspannen. Jeder tut das. Ich bin beileibe nicht der einzige.” “Da hast du recht.” stimmt sie zu und drückt den Knopf an der Maschine. Sofort beginnt diese zischend einen Kaffee zuzubereiten. “Na siehst du. Was soll dann die ganze Aufregung?” “Ich bin nicht aufgeregt. Was geht's mich an, was du mit deinem Leben machst?” erklärt sie lapidar. “Und mein Kleiderschrank enthält genug schwarze Kleidung.” Sie dreht sich zu ihm, um ihm in die Augen sehen zu können. “Du siehst also, ich bin vollkommen entspannt.” Zwinkernd entnimmt sie der Maschine die Tasse und entfernt sich mit schwingenden Hüften. “Hey, warte mal. Wozu brauchst du schwarze Kleidung?” Eilig geht er ihr nach. Julia greift mit der freien Hand nach ihrem Seidenkimono. “Na für die Beerdigung.” entgegnet sie grinsend. Erstaunt bleibt er mitten in der Bewegung stehen. “W-wer ist denn gestorben?” “Noch niemand.” entgegnet sie kryptisch und verschwindet hinter dem Paravent.
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