KAPITEL ZWEI

707 Words
KAPITEL ZWEI Kendrick stand im Auge des Sturms: im Waffensaal, flankiert von Dutzenden seiner Brüder, allesamt abgehärtete Mitglieder der Silbernen, und blickte ruhig auf Darloc, den Kommandanten der königlichen Garde, die auf diese unglückselige Mission geschickt worden war. Was hatte sich Darloc dabei gedacht? Hatte er wirklich geglaubt, dass er in den Waffensaal spazieren und Kendrick, das beliebteste Mitglied der königlichen Familie, vor den Augen all seiner Waffenbrüder festnehmen konnte? Hatte er tatsächlich geglaubt, die anderen würden tatenlos danebenstehen und das zulassen? Er hatte die Loyalität der Silbernen zu Kendrick weit unterschätzt. Selbst, wenn Darloc mit legitimen Gründen für seine Festnahme angekommen wäre—und das waren sie definitiv nicht—bezweifelte Kendrick stark, dass seine Brüder zulassen würden, dass er davongeschleppt würde. Sie waren loyale Freunde fürs Leben, und loyal bis in den Tod. Das war das Credo der Silbernen. Er hätte genauso reagiert, wenn irgendeiner seiner Brüder bedroht würde. Immerhin hatten sie alle gemeinsam trainiert, zusammen um ihr Leben gekämpft. Kendrick konnte die Anspannung fühlen, die in der schweren Stille hing, als die Silbernen ihre Waffen gegen das kleine Dutzend der Königlichen Garde richteten, die von einem Fuß auf den anderen traten und mit jedem Moment betretener dreinblickten. Es muss ihnen klar gewesen sein, dass es in einem Massaker enden würde, wenn auch nur einer von ihnen zum Schwert griff—und sie waren weise genug, dass niemand es versuchte. Sie alle standen da und erwarteten den Befehl ihres Kommandanten Darloc. Darloc schluckte und blickte äußerst nervös drein. Er erkannte, dass sein Auftrag hoffnungslos war. „Es scheint, Ihr seid nicht mit ausreichend Männern gekommen“, erwiderte Kendrick ruhig und lächelte. „Ein Dutzend der Königlichen Garde gegen ein Hundert der Silbernen. Eure Sache ist hoffnungslos.“ Darloc wurde abwechselnd rot und bleich. Er räusperte sich. „Mein Herr, wir alle dienen demselben Königreich. Es ist nicht mein Wunsch, Euch zu bekämpfen. Ihr habt recht: dies ist ein Kampf, den wir nicht gewinnen können. So ihr es uns gebietet, werden wir diesen Ort verlassen und zum König zurückkehren. Doch Ihr wisst, dass Gareth einfach nur mehr Männer nach Euch senden würde. Andere Männer. Und Ihr wisst, wohin dies führen würde. Ihr könntet sie alle töten—doch wollt Ihr wirklich das Blut Eurer Brüder an den Händen haben? Wollt Ihr wirklich einen Bürgerkrieg anfachen? Für Euch würden Eure Männer ihr Leben riskieren, jeden töten. Doch ist das ihnen gegenüber gerecht?“ Kendrick starrte zurück und dachte darüber nach. Darlocs Argumente waren gut. Er wollte nicht, dass auch nur einer seiner Männer seinetwegen zu Schaden kam. Er verspürte ein übermächtiges Verlangen, sie alle vor jeglichem Blutvergießen zu schützen, egal, was das für ihn bedeuten würde. Und wie furchtbar sein Bruder Gareth auch war, und wie schlecht er auch als Herrscher war, wollte Kendrick keinen Bürgerkrieg—zumindest nicht um seinetwillen. Es gab andere Wege; direkte Konfrontation, so hatte er gelernt, war nicht immer der effektivste. Kendrick streckte die Hand aus und drückte sanft das Schwert seines Freundes Atme zu Boden. Er wandte sich an die anderen Silbernen. Er war vor Dankbarkeit dafür überwältigt, dass sie zu seiner Verteidigung gekommen waren. „Meine Gefährten der Silbernen“, verkündete er. „Ich bin geehrt von eurer Verteidigung, und ich versichere euch, sie ist nicht umsonst. Wie ihr mich alle kennt, hatte ich nichts mit dem Tod meines Vaters, unseres ehemaligen Königs, zu tun. Und sobald ich seinen wahren Mörder finde, wobei die Natur dieses Haftbefehls in mir schon einen Verdacht erweckt, werde ich der Erste sein, der Rache übt. Dies ist eine fälschliche Beschuldigung. Andererseits möchte ich nicht der Anstoß für einen Bürgerkrieg sein. Und so bitte ich euch, senkt eure Waffen. Ich werde ihnen gestatten, mich friedlich abzuführen, denn ein Bewohner des Rings soll einen anderen nie bekämpfen. Wenn die Gerechtigkeit lebt, dann wird die Wahrheit zu Tage treten—und ich werde umgehend zu euch zurückkehren.“ Die Gruppe der Silbernen senkte langsam und zögerlich die Waffen, während Kendrick sich zurück an Darloc wandte. Kendrick trat vor und ging an Darlocs Seite auf die Türe zu, umringt von der königlichen Garde. Kendrick schritt stolz und aufrecht in ihrer Mitte. Darloc versuchte nicht, ihm Fesseln anzulegen—vielleicht aus Respekt, oder aus Furcht, oder weil Darloc wusste, dass er unschuldig war. Kendrick würde sich selbst in sein neues Gefängnis führen. Doch er würde nicht klein beigeben. Irgendwie würde er seinen Namen reinwaschen, sich aus dem Kerker befreien—und den Mörder seines Vaters töten. Selbst, wenn es sein eigener Bruder war.
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