Kapitel 1
Ich war nervös. Heute war der Tag, an dem ich mein Vorstellungsgespräch im berühmtesten Hotel überhaupt hatte: dem Venturi Oriental Hotel. Purer Luxus und in jeder Stadt weltweit das sogenannte erste Haus am Platz. Und ich hatte die Chance, eine der Hausdamenassistentinnen zu werden – hier, in New York City, direkt in Manhattan.
Während ich in der Lobby stand und die imposante Architektur auf mich wirken ließ, versuchte ich, meine Gedanken zu ordnen. Das Hotel war ein Meisterwerk aus Glas und Marmor, alles glänzte und schimmerte in edlem Licht. Die Kronleuchter, die von den hohen Decken hingen, erinnerten an funkelnde Diamanten. Es war, als wäre ich in eine andere Welt eingetaucht, eine Welt, die so weit entfernt war von dem bescheidenen Apartment, in dem ich wohnte.
Mein Blick fiel auf die Rezeption, wo eine elegante Dame in einem makellosen, dunkelblauen Kostüm stand und höflich auf die Gäste lächelte. Ich beobachtete, wie sie effizient und doch charmant mit jedem sprach, als wäre sie persönlich daran interessiert, dass jeder Gast ein unvergessliches Erlebnis hatte. Genau das war es, was von mir erwartet werden würde, wenn ich diesen Job bekam.
Mein Herz schlug schneller, als ich den Aufzug sah, der mich in die obere Etage bringen würde, wo das Vorstellungsgespräch stattfinden sollte. Ich überprüfte noch einmal mein Outfit im Spiegel, der in einer Ecke der Lobby stand. Mein schlichtes, aber elegantes schwarzes Kleid schien perfekt zu diesem Ort zu passen. Meine Haare hatte ich sorgfältig zu einem Knoten hochgesteckt, um professionell und dennoch stilvoll zu wirken. Und meine Schuhe – schwarze Pumps, die ich mir eigens für dieses Vorstellungsgespräch gekauft hatte – fühlten sich plötzlich zu hoch und unbequem an. Doch das war jetzt egal. Es gab kein Zurück mehr.
Mit einem tiefen Atemzug trat ich in den Aufzug und drückte den Knopf für den 15. Stock, wo sich die Personalabteilung befand. Die Türen schlossen sich geräuschlos und ich sah, wie die Zahlen auf dem Display nach oben tickten. Jede Sekunde, die verging, ließ meine Nervosität weiter steigen. Ich stellte mir vor, wie ich in einem dieser luxuriösen Zimmer arbeitete, die ich bisher nur aus Hochglanzmagazinen kannte. Wie würde es sein, sich um all die reichen und berühmten Gäste zu kümmern, die in diesem Hotel absteigen? Ich wusste, dass ich die nötigen Fähigkeiten hatte – ich war sorgfältig, pünktlich und hatte ein Auge für Details. Aber würde das reichen? Würde ich in dieser Welt bestehen können?
Der Aufzug hielt und die Türen öffneten sich. Ich trat hinaus und stand vor einer weiteren beeindruckenden Halle, diesmal etwas kleiner, aber ebenso elegant wie die Lobby unten. Ein großer Schreibtisch aus dunklem Holz dominierte den Raum und dahinter saß eine Frau, die mich mit einem professionellen Lächeln begrüßte.
„Miss Wood, nehme ich an?“, fragte sie, ohne den Blick von ihrem Computerbildschirm zu lösen.
„Ja, genau“, antwortete ich, bemüht, meine Stimme ruhig und selbstbewusst klingen zu lassen.
„Bitte nehmen Sie Platz, Miss Langdon wird gleich bei Ihnen sein.“
Ich nickte und setzte mich auf einen der Stühle, die in einer Reihe an der Wand standen. Meine Hände waren kalt und feucht, und ich zwang mich, tief durchzuatmen. Es war merkwürdig, wie diese Umgebung gleichzeitig beruhigend und einschüchternd wirken konnte. Alles war so perfekt, so makellos, dass ich das Gefühl hatte, jeder kleinste Fehler würde sofort bemerkt werden.
Es vergingen nur wenige Minuten, die sich jedoch wie Stunden anfühlten, bis eine große Frau mit einem scharfen, aber nicht unfreundlichen Gesicht auf mich zukam. Sie trug ein maßgeschneidertes Kostüm, das ihre Autorität unterstrich, und ihre Schritte hallten leise auf dem Marmorboden wider.
„Miss Wood? Ich bin Samantha Langdon, Leiterin des Housekeeping-Teams. Bitte folgen Sie mir.“
Ich stand auf und folgte ihr durch eine Reihe von Türen und Gängen, die immer luxuriöser wurden, je weiter wir gingen. Schließlich erreichten wir ein großes Büro, dessen Fenster einen atemberaubenden Blick auf die Skyline von New York boten. Sie deutete auf einen Stuhl vor ihrem Schreibtisch und setzte sich dann selbst.
„Also, Miss Wood“, begann sie und schlug eine Mappe auf, „ich habe Ihren Lebenslauf durchgesehen und bin beeindruckt von Ihrer bisherigen Erfahrung. Aber erzählen Sie mir doch ein wenig mehr über sich und warum Sie glauben, dass Sie die richtige Person für diese Position sind.“
Ich schluckte und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Das war der Moment, auf den ich mich vorbereitet hatte, der Moment, in dem ich zeigen musste, dass ich diesen Job wirklich wollte und verdient hatte.
„Nun, Frau Langdon“, begann ich, „ich habe in den letzten fünf Jahren in verschiedenen Hotels gearbeitet, angefangen in einem kleinen Bed & Breakfast und zuletzt in einem Vier-Sterne-Hotel hier in der Stadt. Ich habe dort viele verschiedene Aufgaben übernommen, von der Reinigung der Zimmer bis hin zur Betreuung der Gäste. Aber das Venturi Oriental Hotel ist natürlich eine ganz andere Liga. Ich habe mich auf diese Stelle beworben, weil ich glaube, dass ich bereit bin, den nächsten Schritt zu machen und meine Fähigkeiten in einem Umfeld wie diesem weiterzuentwickeln.“
Sie nickte leicht und ließ mich weiterreden, was mir ein wenig mehr Selbstvertrauen gab.
„Ich bin sehr detailorientiert und habe einen hohen Anspruch an Sauberkeit und Ordnung. Gleichzeitig weiß ich, wie wichtig es ist, den Gästen das Gefühl zu geben, dass sie willkommen sind und dass ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Ich denke, dass ich mit meiner bisherigen Erfahrung und meinem Engagement gut in Ihr Team passen würde.“
Frau Langdon lehnte sich leicht zurück und musterte mich. Ich wusste, dass dies der entscheidende Moment war. Mein Herz pochte so laut, dass ich befürchtete, sie könnte es hören.
„Das sind sehr gute Eigenschaften, Miss Wood“, sagte sie schließlich. „Aber ich muss ehrlich sein – wir erwarten hier mehr als nur gute Arbeit. Wir suchen Menschen, die bereit sind, über sich hinauszuwachsen, die auch unter Druck die höchste Qualität liefern und dabei stets professionell und freundlich bleiben. Glauben Sie, dass Sie dieser Herausforderung gewachsen sind?“
„Ja, das glaube ich“, antwortete ich ohne zu zögern. Ich wusste, dass dies meine einzige Chance war, zu zeigen, dass ich die richtige Person für diesen Job war.
„Gut“, sagte sie, „wir werden Ihre Bewerbung sorgfältig prüfen und uns in den nächsten Tagen bei Ihnen melden. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit.“