2.

1288 Words
Später, als ich allein in meinem alten Zimmer liege, höre ich draußen den Wind durch die Bäume rauschen. Lily schläft tief und fest im Nebenzimmer, und ich bin dankbar für ihre Nähe. Doch mein Kopf ist voller Gedanken an Simon – an das, was war und was vielleicht hätte sein können. Es fühlt sich an, als hätte ich ein Buch aufgeschlagen, das ich längst vergessen hatte. Und ich weiß, dass ich nicht so leicht umblättern kann. Kapitel 2 – Peggy Die Sonne blinzelt durch die schweren Vorhänge in meinem alten Zimmer, und ich wache mit einem Gefühl der Unruhe auf. Die Wärme der Decke umhüllt mich, doch mein Kopf ist voll mit Gedanken an gestern Abend. Simons Anwesenheit im Haus meiner Eltern fühlt sich seltsam an – vertraut und gleichzeitig fremd. Ein leises Klopfen an der Tür unterbricht meine Gedanken. „Mama?“ Lilys Stimme klingt noch verschlafen, aber ich höre auch die Vorfreude darin. „Komm rein, Schatz.“ Sie schiebt die Tür vorsichtig auf und lugt hinein, ihr Gesicht strahlt vor Aufregung. „Können wir heute wieder Schlittschuh laufen? Oma hat gesagt, dass es eine Eislaufbahn im Dorf gibt!“ „Eislaufen, hm?“ Ich setze mich auf und lächle. Ihre Energie ist ansteckend, selbst an einem Morgen wie diesem. „Lass uns erst frühstücken und dann schauen wir weiter.“ Lily nickt eifrig und rennt zurück in den Flur, während ich mich aus dem Bett schäle. Ich ziehe schnell einen Pullover über, binde mein Haar zu einem lockeren Knoten und mache mich auf den Weg nach unten. Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee und Pfannkuchen empfängt mich, als ich die Treppe hinuntergehe. Meine Mutter steht am Herd, summt eine Melodie, während mein Vater in der Zeitung blättert. „Morgen, Peggy“, sagt er ohne aufzublicken. „Guten Morgen“, antworte ich und setze mich an den Tisch. „Hast du gut geschlafen?“ Meine Mutter stellt eine Tasse Kaffee vor mir ab und sieht mich prüfend an. „Ja, es war okay.“ Das ist nicht ganz gelogen, aber die Wahrheit lasse ich lieber unausgesprochen. Lily stürzt in die Küche, schon angezogen und mit einer Mütze auf dem Kopf, obwohl wir drinnen sind. „Mama, wann gehen wir?“ „Langsam, junge Dame.“ Meine Mutter lacht und reicht ihr einen Teller mit Pfannkuchen. „Iss erst mal was, bevor du Pläne machst.“ „Okay“, murmelt Lily und beginnt hastig zu essen, ihre Beine baumeln unter dem Stuhl. Ich sitze gerade mit meiner Tasse Kaffee am Tisch, als Simon in die Küche kommt. Sein Haar ist zerzaust, und er trägt eine graue Kapuzenjacke, die ihm ein ungezwungenes, fast jugendliches Aussehen verleiht. „Guten Morgen.“ Seine Stimme ist ruhig, und sein Blick wandert kurz zu mir, bevor er sich eine Tasse aus dem Schrank nimmt. „Morgen.“ Ich nicke, versuche, locker zu wirken, obwohl mein Herz ein bisschen schneller schlägt. Er lehnt sich gegen die Theke, sein Blick bleibt auf Lily haften, die gerade dabei ist, Sirup über ihre Pfannkuchen zu gießen. „Du hast heute viel Energie, hm, Lily?“ „Ich will eislaufen gehen! Kommst du mit?“ Sie sieht ihn mit großen Augen an, und ich weiß, dass sie diese Einladung nicht mit Absicht gemacht hat, um mich in Verlegenheit zu bringen. Trotzdem fühle ich mich plötzlich unwohl. Simon zögert, dann lächelt er. „Warum nicht? Es ist lange her, seit ich das letzte Mal auf dem Eis war.“ „Super!“ Lily strahlt vor Freude, während ich meine Kaffeetasse abstelle und mir vornehme, diesen Ausflug zu überleben – egal wie seltsam es sein mag, Simon dabei zu haben. Die Eislaufbahn ist genau so, wie ich sie in Erinnerung habe: eine kleine Fläche in der Mitte des Dorfes, umgeben von geschmückten Lichterketten und mit Weihnachtsmusik im Hintergrund. Kinder und Erwachsene gleiten über das Eis, während ein Stand in der Nähe heißen Kakao und Lebkuchen verkauft. Lily zappelt vor Aufregung, als wir ihre Schlittschuhe anziehen. „Mama, beeil dich! Ich will aufs Eis!“ „Geduld, Lily.“ Ich schnüre ihre Schuhe zu und richte mich dann auf, um meine eigenen anzuziehen. Als ich mich umschaue, sehe ich Simon, der lässig seine Schlittschuhe anzieht und gleichzeitig ein kleines Mädchen beobachtet, das mit ihrem Vater über das Eis rutscht. „Bist du bereit?“ Seine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. „So bereit, wie ich sein kann.“ Ich versuche, locker zu wirken, obwohl ich mich unsicher fühle. Schlittschuhlaufen war nie meine Stärke, aber Lily zuliebe lasse ich mich darauf ein. Auf dem Eis ist Lily wie ein kleiner Wirbelwind. Sie rutscht und lacht, während Simon und ich uns an den Rand halten und ihr zusehen. „Sie hat viel Energie“, sagt Simon und sieht mir dabei direkt in die Augen. „Ja, das hat sie.“ Ich wende meinen Blick ab, um nicht zu lange in seine Augen zu schauen. „Es ist schön, sie so glücklich zu sehen.“ Seine Worte klingen ehrlich, und ich nicke langsam. „Ja, das ist es.“ Für einen Moment stehen wir einfach nur da und sehen Lily zu, wie sie versucht, eine Drehung zu machen und dabei fast hinfällt. Ich kann nicht verhindern, dass ein Lächeln mein Gesicht erhellt. „Du wirkst ruhiger hier“, sagt Simon plötzlich. Ich runzle die Stirn. „Wie meinst du das?“ „Ich weiß nicht… du siehst aus, als könntest du hier durchatmen. Anders als damals in der Stadt.“ Seine Worte treffen einen Nerv, und ich weiß nicht, wie ich antworten soll. Stattdessen sage ich: „Es ist nur… vertraut hier. Das ist alles.“ Simon nickt, aber ich habe das Gefühl, dass er mehr sagen wollte. Nach dem Schlittschuhlaufen sitzen wir an einem der kleinen Tische neben der Eisbahn und trinken heißen Kakao. Lily erzählt begeistert von all den Tricks, die sie gelernt hat, während Simon geduldig zuhört und gelegentlich eine Frage stellt. „Wusstest du, dass Simon früher Hockey gespielt hat?“ fragt Tom, der plötzlich auftaucht und sich zu uns setzt. „Hockey?“ Lilys Augen weiten sich. „Das ist so cool! Warst du ein Profi?“ Simon lacht leise. „Nicht ganz. Aber ich habe es eine Weile ziemlich ernsthaft betrieben.“ „Warum hast du aufgehört?“ fragt Lily, ohne zu merken, dass ihre Frage vielleicht zu direkt ist. Simon wird kurz still, und ich sehe, wie sich seine Kiefer anspannen. „Ich hatte eine Verletzung“, sagt er schließlich. „Oh.“ Lily sieht ein wenig enttäuscht aus, aber sie lässt das Thema fallen und beginnt stattdessen, über ihre Lieblingssportarten zu reden. Ich nutze die Gelegenheit, Simon anzusehen. Seine Antwort war knapp, aber ich spüre, dass da mehr dahintersteckt. Vielleicht etwas, worüber er nicht reden will – zumindest nicht jetzt. Auf dem Heimweg hält Lily meine Hand und erzählt von den neuen Freunden, die sie auf der Eisbahn gefunden hat. Simon geht neben uns her, schweigsam, aber seine Anwesenheit fühlt sich fast… beruhigend an. „Es hat Spaß gemacht heute“, sage ich schließlich, um die Stille zu füllen. „Ja, das hat es.“ Simon lächelt mich an, und für einen Moment fühle ich mich, als wären wir wieder Teenager, als hätte sich nichts verändert. Doch dann sehe ich Lily, die fröhlich vor uns herhüpft, und erinnere mich daran, wie viel sich tatsächlich verändert hat. Ich bin nicht mehr das Mädchen, das ich damals war, und Simon ist nicht mehr der Junge, der mich an den Händen nahm, als wir zum ersten Mal zusammen aufs Eis gingen. „Danke, dass du mitgekommen bist“, sage ich leise. „Danke, dass du mich gelassen hast.“
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