Wie falsch ich lag

1483 Words
Kokos Sichtweise Es sind Jahre vergangen, seit dem Vorfall, der zum Tod meines Vaters führte. Es war nicht nur einer der traurigsten Tage meines Lebens, sondern auch der Tag, an dem ich begann, Hoffnung zu schöpfen. Ich hielt die Worte des jungen Retters tief in meinem Herzen fest. Ich glaubte daran, dass ich eines Tages meinen Seelenverwandten treffen würde, der mich schätzen und die Schönheit in mir erkennen würde. Leider musste ich schon in jungen Jahren die schmerzhafte Wahrheit erkennen – meine Mutter liebte mich nicht, sie hasste mich. Ich war das Kind, das sie nie wollte. „Verfluchtes dunkeläugiges Wesen!“ nannte sie mich immer. Donna, meine Mutter, zögerte nie, mir zu zeigen, wie sehr sie mich verachtete. Während meine Zwillingsschwester Hanola mit den anderen Welpen im Rudel spielen durfte, sperrte meine Mutter mich immer in den Keller. „Ich will nicht, dass du deinen Fluch auf die anderen Kinder überträgst,“ sagte sie immer. Ich wusste, dass ich anders war als alle anderen in unserem Rudel. Das galt für alles an mir. Es schien, als hätte die Mondgöttin etwas gegen meine Existenz. Sonst hätte ich nicht all das Unglück des Lebens ertragen müssen. Ich war klein und zierlich im Vergleich zu meiner Schwester und den anderen Werwölfen. Mein Haar war pechschwarz. Während die anderen Kinder meist meerblaue Augen und blondes Haar hatten, oder leuchtend braune Augen mit dunkelblondem Haar, waren meine Augen rabenschwarz... völlig ungewöhnlich. Aber Hanola, meine Zwillingsschwester, wurde von allen geliebt und verehrt. Sie war größer als ich, mit Augen so blau wie der Himmel und weichem, goldenem Haar. Alle nannten sie das „goldene Mädchen“, sie war wunderschön und brachte jeden Raum zum Strahlen wie ein Diamant. Sie wurde oft als der Mond bezeichnet. Aber ich hingegen wurde überall verflucht, wohin ich auch ging, sei es in der Schule oder bei den regelmäßigen Rudeltreffen. Ich wurde behandelt wie eine Krankheit, egal wo ich war. In der Schule saß ich immer allein und wurde ständig von meinen Klassenkameraden, die größer und schöner waren, schikaniert. „Hanola, du bist so schön! Du siehst aus wie eine Prinzessin aus einem Märchen.“ „Das stimmt. Ich wünschte, ich hätte so eine strahlende Haut wie du! Die Göttin muss viel Zeit auf dich verwendet haben!“ „Ich kann nicht glauben, dass du die Zwillingsschwester von diesem verfluchten Mädchen bist! Sie ist so hässlich!“ Ich schluckte diese Worte bitter herunter und sagte nie etwas dazu. Alles, was ich tat, war, meinen Vater zu vermissen. Mein Vater war der Einzige, dem es egal war, dass ich anders war. Er hörte nie auf, mich zu loben. Er sagte immer, dass ich anders sei, weil ich einzigartig war. „Mein schöner Engel“, nannte er mich. Immer wenn meine Mutter mich einsperrte und hungern ließ, war er da, um mich zu füttern. Immer wenn sie mich schlug, wenn er nicht da war, tröstete er mich und schimpfte sie heftig aus. Auch wenn die Schläge, harten Worte und das Hungern nie aufhörten, hatte ich die Hoffnung, dass er immer da sein würde, um mich aufzufangen und den Staub abzuwischen. Wenn das Leben vorher schon schwer war, wurde es nach seinem Tod noch schlimmer. Ich war wie ein Soldat an der Front, dem man Schild und Schwert genommen hatte. Wehrlos gegenüber den Kämpfen des Lebens, wurde ich von allen um mich herum geschlagen, beleidigt und misshandelt. Bald breitete sich der Fluch, der über mir lag, vom Haushalt auf das gesamte Rudel aus. Jeder begann, mich den Fluch mit den schwarzen Augen zu nennen. Jeden Tag musste ich den einsamen Weg zur Schule und zurück nach Hause nehmen, nur weil meine Mutter mich nicht zur Schule brachte oder abholte, so wie sie es bei Hanola tat. Und ich wagte es nicht, mit meinen Mitschülern zu gehen, denn sie spuckten auf mich und lachten mich aus. So durchlebte ich die Hölle während meiner Schulzeit, doch ich hatte niemanden, zu dem ich fliehen konnte. Plötzlich vermisste ich meinen Vater und... diesen Retter vom Himmel. **************** Es war ein anstrengender Tag gewesen und meine Hände schmerzten bereits von der vielen Arbeit in letzter Zeit. Während ich mich bemühte, das Geschirr im Spülbecken zu reinigen, hörte ich die eisige Stimme meiner Mutter aus dem Wohnzimmer. „Koko, hast du die Wäsche gewaschen, die ich dir gegeben habe?“ Ich wusste, dass ich in Schwierigkeiten war. Aber ich war nur ein Mensch! Ich war keine Maschine! Wie konnte sie erwarten, dass ich mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigte? Aber ich wagte es nicht, ein Wort zu sagen. Der Hass meiner Mutter auf mich war nie gestorben, er war nur mit den Jahren gewachsen. Ich hatte in all den Jahren ohne meinen Vater eine bittere Lektion gelernt: Ich hatte gelernt, ihre Grausamkeit zu ertragen. Ich erinnerte mich an eine schicksalhafte Nacht, als ich den Küchenboden auf den Knien schrubbte, wie ich es oft vor dem Schlafengehen tat. Sie kam auf mich zu und beschwerte sich über einen Fleck, den ich übersehen hatte. Ich sagte kein Wort, denn ich wusste, dass jede Reaktion sie nur verärgern würde. Also kroch ich zu der Stelle und versuchte, sie zu schrubben, aber sie hob den Besen, der auf dem Boden lag, und schlug mir damit auf den Kopf. Mein Kopf pochte vor Schmerz, und meine Augen füllten sich erneut mit Tränen. Ich hatte gedacht, dass ich mich irgendwann an den Schmerz gewöhnen würde, aber wer gewöhnt sich schon daran, von der eigenen Mutter wie ein dreckiger Sklave behandelt zu werden? Ich fragte sie nicht, warum sie so war. Ich wusste, dass Donna keinen Grund brauchte, um mich schlecht zu behandeln. Sie tat es, weil sie es konnte und wollte. Ich erhielt genug Beleidigungen von ihr, aber ich schwieg. Nach all den Misshandlungen wies sie mich an, die Arbeit zu beenden und ohne Essen im Keller zu schlafen. Ein scharfer Schmerz durchfuhr mein Herz, aber ich verbarg es hinter einem bitteren Lächeln. Am nächsten Morgen bereitete ich gleichzeitig das Frühstück und wusch das Geschirr, als Donna auf mich zukam, mit einem Blick, der mich verschlingen wollte. „Warum sind diese dreckigen Kleider immer noch hier?“ knurrte sie mich an. Es war kaum sieben Uhr morgens, ich war sehr früh aufgestanden und hatte mit der Hausarbeit begonnen. Es war nicht so, dass ich es gestern nicht getan hätte, aber es war sowieso eine Gewohnheit für mich. „Bist du taub? Habe ich dir nicht gerade eine Frage gestellt?“ Ihre Stimme riss mich aus meinen Gedanken. „Mutter, sobald ich mit dem Frühstück fertig bin, werde ich die Wäsche waschen.“ antwortete ich und richtete meinen Blick auf sie. Aber ich erhielt einen mörderischen Blick von ihr, als wäre ich der widerlichste Abschaum. „Sieh dich an! Du siehst genauso aus wie dein Vater! Und genauso wie er bist du in mein Leben getreten und hast alles für mich ruiniert. Ich stecke wegen deines Vaters in diesem Kaff fest!“ Und da begannen die Flüche, sich über mich zu ergießen. Ich fragte mich, ob sie nie müde wurde, es immer und immer wieder zu wiederholen. „Ich hätte Großes erreichen können, vielleicht sogar Luna werden! Aber nein, dein Vater, ein gewöhnlicher Gamma, kam und behauptete, mein Gefährte zu sein! Es reichte nicht, dass er mein Gefährte war, er musste noch etwas noch Widerlicheres tun!“ „Er hat dich in mir gepflanzt! Ich wäre vor Scham gestorben, wenn es nicht deine Schwester gegeben hätte. Wenigstens bin ich für Hanola dankbar, sie ist schön und anmutig, genau wie ich, ihre Mutter. Aber du?…“ sagte sie spöttisch. Ich schloss meine Augen fest und wartete auf die letzte Welle von Gift, die von ihrer Zunge kommen würde. Und ich wusste, was danach folgen würde. Ich verschloss mein Herz, bereit für das, was kommen würde. „…du bist ein erbärmlicher Versager, genau wie er!... ein Fluch für mein Leben… Ich wünschte, du wärst einfach gestorben!“ Mit diesen Worten trat sie mich zu Boden und goss das Seifenwasser über mir aus. Nachdem sie ihren Zorn gestillt hatte, spuckte sie mich an und ging weg. Ich kauerte mich zusammen und schluchzte laut auf dem nassen, seifigen Boden. Damals war ich erst fünfzehn, aber es gab noch einen Funken Hoffnung für mich. Ich klammerte mich an die Hoffnung, dass, sobald ich sechzehn wurde und mich verwandelte, mein Wolf mein ständiger Begleiter sein würde und sie all meine Schmerzen mit mir teilen würde. Ich würde nicht mehr allein sein. Zumindest sollten Wölfe das doch sein, oder? Sie sollte bei mir sein, und ich würde mich nicht mehr einsam fühlen. Mit dieser Hoffnung im Hinterkopf ertrug ich alle Schwierigkeiten, die mir in den Weg geworfen wurden. Ich wartete darauf, mit meinem Wolf als mein lebenslanger Begleiter vereint zu werden. Ich glaubte, dass mein Wolf genauso stark wie jeder andere Wolf sein würde, und dass ich nicht mehr gemobbt werden würde. Wie falsch ich lag!
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