Kapitel 2: TANZ DER VERDAMMTEN

636 Words
Im Ballsaal herrschte das reinste Chaos. Kristallsplitter regneten wie Granatsplitter herab und vermischten sich mit den schrillen Schreien der in Deckung flüchtenden Gäste. Inmitten des Tumults bewegte sich Anna mit kalkulierter Anmut, ihre improvisierte Waffe, ein Schürhaken, hielt sie mit der Zuversicht einer erfahrenen Agentin. Alexander, stets der Wächter, flankierte sie mit gezogener Pistole und hielt Ausschau nach Bedrohungen. „Bleibt in ihrer Nähe“, befahl er, seine Stimme übertönte die Kakophonie wie ein leises Knurren. Annas Blick huschte umher, suchte nach Ausgängen und berechnete ihre Flugbahn. Der Kronleuchter über ihnen schwankte bedrohlich, seine Ketten ächzten vor einer potenziellen Gefahr oder einer Chance. Leona, inmitten der fliehenden Menge, stand wie erstarrt da, ihre Fassade bröckelte. Ihre Hände zitterten, als sie nach ihrem Gesicht griffen, ihre Nägel gruben sich in die Porzellanhaut, die sie so sorgfältig pflegte. Blut quoll unter ihren Fingerspitzen hervor, ein starker Kontrast zu ihrem makellosen Kleid. „Du hast dich schon immer mehr um den Schein gekümmert“, bemerkte Anna kalt, ihr Blick durchdringend. „Aber keine Maske kann verbergen, was darunter ist.“ Leonas Augen weiteten sich, eine Mischung aus Wut und Angst. „Du solltest weg sein“, zischte sie. „Und doch bin ich hier“, erwiderte Anna und trat näher. „Das Einzige, was ruiniert ist, bist du.“ Eine plötzliche Bewegung erregte ihre Aufmerksamkeit. Aus dem Zwischengeschoss tauchte eine Gestalt auf, mit einem Gewehr im Anschlag. Alexander reagierte sofort und stieß Anna beiseite, als ein Schuss fiel. Die Kugel streifte seine Schulter, Blut befleckte seinen Anzug. „Wir müssen los“, grunzte er, deutlich spürbarer Schmerz, aber beherrscht. Anna nickte und führte sie durch einen Seitengang. Hinter ihnen hallten die Geräusche der Verfolgung wider. Sie stürmten in einen Dienstflur, das sterile Licht flackerte. Alexander presste eine Hand auf seine Wunde und verzog das Gesicht. „Das war eine Falle“, erklärte Anna, und ihre Gedanken rasten. „Sie wussten, dass ich hier sein würde.“ „Leonas Verrat geht tiefer, als wir dachten“, erwiderte Alexander mit angespannter Stimme. „Aber wir haben größere Probleme.“ Er reichte ihr einen gefalteten Zettel, dessen Ränder blutverschmiert waren. Anna faltete ihn auseinander und überflog den Inhalt. „Söldner-Alias: Vesper“, las sie laut vor. „Operationsbericht: Projekt Echo.“ Ihre Hände zitterten leicht. „Sie sind nicht nur hinter mir her. Sie sind hinter dem her, was ich war.“ Eine plötzliche Explosion erschütterte den Flur, die Wucht schleuderte sie gegen die Wand. Staub und Trümmer erfüllten die Luft. „Die Zeit ist um“, murmelte Alexander und zog sie auf die Füße. „Wir müssen verschwinden.“ Sie navigierten durch die labyrinthischen Korridore und traten schließlich in die kühle Nachtluft hinaus. Die Stadt erstreckte sich vor ihnen, ohne das Chaos im Hotel zu bemerken. „Wohin gehen wir?“, fragte Anna mit fester Stimme. Alexander sah sie mit einer Mischung aus Bewunderung und Sorge an. „Wir finden die Wahrheit“, sagte er. „Und wir beginnen damit, Projekt Echo aufzudecken.“ Ein plötzliches Piepen seiner Uhr lenkte ihre Aufmerksamkeit auf sich. Er blickte auf das Display, und sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Sie haben die Sicherheitsvorkehrung aktiviert“, sagte er grimmig. „Sie vernichten alle Spuren.“ Annas Augen verengten sich. „Dann müssen wir uns beeilen.“ Als sie in der Nacht verschwanden, brachen die oberen Stockwerke des Hotels in Flammen aus – ein feuriges Zeugnis dafür, dass die Geheimnisse vergraben blieben. Doch die Wahrheit kam immer wieder an die Oberfläche. Und Anna war entschlossen, sie ans Licht zu bringen. Hoch oben, auf einem Dach, das die Szene überblickte, beobachtete eine Gestalt durch ein Fernglas. Ein Grinsen umspielte ihre Lippen, als sie in einen Kommunikator sprach. „Phase eins abgeschlossen. Das Wunderkind ist erwacht.“
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