PROLOG – Die Prophezeiung der Monde
Teil I – Getrennte Monde
Zwei Monde hingen über Elyndor, wie sie es seit Anbeginn der Zeit getan hatten:
der silberne Mond, blendend hell wie eine Verheißung,
und der blutrote Mond, so schwer wie ein Fluch.
In jener Nacht jedoch wirkten sie anders.
Sie standen so nah beieinander, dass es schien, als würden sie sich berühren –
als würden sie ein gemeinsames Schicksal weben.
Im Tempel der Seherin bebte die Luft vor Anspannung.
Alte Runen glühten auf den Steinwänden, und die Hohepriesterin Neryah hob ihre Arme.
„Es beginnt“, flüsterte sie leise.
„Die Monde haben ihre Wahl getroffen.“
Eine Vision riss sie mit Gewalt in eine andere Welt:
Flammen. Blut.
Ein Herz aus Eis, das langsam schmolz.
Und die Stimme eines jungen Mädchens – klar wie eine Glocke –
das den Namen eines Mannes schrie, den sie niemals lieben dürfte.
„Wenn die reine Seele die gefrorene berührt“, wisperte Neryah,
„wird Elyndor erlöst… oder es wird brennen.“
Dann brach sie zusammen.
Die Prophezeiung war gesprochen.
Die Schicksalsfäden waren geknüpft.
Und irgendwo, weit entfernt,
atmete eine junge Frau im Schlaf tief ein –
als hätte eine unsichtbare Hand sie berührt und ihr Herz wachgeküsst.