KAPITEL EINS
MAYAS SICHT
Die Lichter flackerten, je weiter ich mich von dem Zuhause entfernte, das ich einst für meins gehalten hatte. Mehrere Blitze zuckten durch den dunklen, bewölkten Himmel und kündigten einen heftigen Regenguss für heute Abend an, doch nichts konnte mit meiner inneren Erdrücktheit verglichen werden.
In meinen weißen, zitternden Händen rollte ein leichter Koffer hinter mir her. Ich wandte mich der Hauptstraße zu, wo ständig Autos an mir vorbeirasten und mich grausam daran erinnerten, dass das Leben einfach weiterging.
„Mama, Mama, bitte wach auf. Das kannst du mir nicht antun … du hast es versprochen – bitte!“
Tränen flossen ungehindert aus meinen geschwollenen, geschlossenen Augen und vermischten sich mit den Regentropfen, die über meine blassen Wangen liefen.
Für den Rest der Welt war sie als Lilith Brooks bekannt – die Frau von Adam Brooks.
Doch anders als mein Vater, dessen Gesicht stets einen größeren Teil des Fernsehers einnahm, während er mit einem breiten Grinsen zusah, kannte ich meine Mutter nur innerhalb der dicken Mauern der Brooks Mansion, und niemand kümmerte sich darum, sie zu fragen.
„Papa, tu etwas, sie stirbt!“, schrie ich aus vollem Hals, während die Maschine dünn piepte, während ihr Gesicht blau anlief und sie nach Luft schnappte.
Obwohl ich mich nach vorne warf, um sie zu erreichen, hielt Silver meine Arme fest auf meinem Rücken und zerrte mich aus dem Zimmer.
Es war das Letzte, was ich von ihr sah … bis zu ihrem Tod.
Meine Schritte beschleunigten sich inmitten des schweren Sturms – ohne zu wissen, wohin ich ging, solange mich keiner der Männer meines Vaters entdeckte.
Wie immer, wenn ich angespannt war, streiften meine Fingerspitzen den silbernen Pferdeschwanzanhänger an meinem Hals – das letzte Geschenk, das ich von ihr bekommen hatte.
Die Erinnerung kam unverhohlen zurück – der zerknitterte Zettel, der ihr aus der Hand gerutscht war und auf dem stand: „Bewache den Schlüssel mit allem, was du hast.“
Welcher Schlüssel?
Und warum sollte er bewacht werden müssen? Ich schüttelte sie sanft – dann verzweifelt, aber eine Antwort blieb aus, da sie bereits fort war.
„Eure Mutter ist jetzt weg, Mädchen“, hatte mein Vater gesagt, als sie mit einem Krankenwagen abtransportiert worden war. „Und das bedeutet, wir müssen stärker sein … vereinter.“
Seine braunen, intriganten Augen richteten sich auf mich, die ihn nur müde anstarrte, verwirrt darüber, was er damit wohl meinte, bis ich es endlich verstand.
Die Schar der Wachen, die mit den Skizzen meiner Schmuckentwürfe aus meinem Zimmer kamen, erregte meine Aufmerksamkeit und machte mich sprachlos.
„Papa? Was ist los?“, fragte ich zitternd vor Verrat.
„Du gehörst jetzt zum Familienunternehmen, Maya, du musst dein Talent nicht mehr für dich behalten“, antwortete er.
Wut und Hilflosigkeit prallten in mir aufeinander, als ich mit ansehen musste, wie mir mein Lebenswerk direkt vor meinen Augen gestohlen wurde.
Laufende Schritte.
Ich erstarrte instinktiv, als ich hinter mir ein leises, keuchendes Atemgeräusch vernahm.
Ich drehte mich neugierig um, um nachzusehen, und sah ihn taumelnd auf mich zu. Sein schwaches, bleiches Gesicht schien in Schwierigkeiten zu sein.
Gefangen zwischen einer Hilfsaktion und der Flucht um mein Leben, wurden die Stimmen plötzlich deutlicher.
„Mr. Brooks hat einen Mordanschlag angeordnet. Ich wiederhole: Schießen auf Sicht.“
Gänsehaut lief mir über die Haut, und ein Adrenalinstoß durchfuhr mich.
Mein Vater? Warum sollte er jemanden töten wollen?
Instinktiv zog ich ihn in die dunkle Gasse neben uns und presste meine Lippen auf seine.
Mein Herz hämmerte vor Angst und Aufregung, als die Männer meines Vaters an uns vorbeirannten und seine Hände verzweifelt meinen Hintern entlangfuhren.
Ich keuchte vor Schreck leicht auf und ließ ihn nur tiefer in meinen Mund gleiten.
Ein paar Stunden später lagen wir eng umschlungen in durchnässten Laken in der verlassenen Hütte, in die wir zuvor eingedrungen waren.
Plötzlich wurde sein Atem flach, während er unverständliche Worte murmelte: „T-R-N 211 … Code 157 … Rückwärtsgang.“
Meine Augen verengten sich, während ich aufmerksam lauschte und versuchte, einen Sinn darin zu finden. „Hey“, rief ich schließlich. „Was sagst du da?“, fragte ich.
„Du bist ein Engel“, hauchte er und sank auf meine nackten Brüste.
„Aber ich bin nicht hübsch“, murmelte ich zurück.
„Du hast mich die Kontrolle verlieren lassen, Engel“, flüsterte er mir ins Ohr, was mich vor Vorfreude erschauern ließ.
Die Leute sagten immer, der Morgen sei ein Mysterium – nur durch die Entscheidungen, die wir jeden Tag treffen, aufgedeckt.
Vielleicht hatten sie recht … oder auch nicht, aber soweit ich wusste, war dies das Ende eines Kapitels.
Am nächsten Morgen, vor Sonnenaufgang, packte ich leise meine Sachen zusammen und war bereit zu gehen, als mein Blick auf einen schwachen silbernen Schimmer fiel, der sich in der Bettspalte eingeklemmt hatte.
Ich ignorierte ihn leichtfertig, aus Angst, noch eine Minute länger zu bleiben.
Doch gerade als ich am Flughafen landete und meine Finger um meinen Hals gleiten ließ, stockte mir der Atem, und meine Augen weiteten sich vor Entsetzen.
Meine Halskette war weg.