Der Blick des Lehrers streifte mich kurz und als er wie immer ein Nicken von mir bekam, entspannte er sich. Kurz nach mir kamst auch du mit Timmy in die Halle. Diese Verzögerung nahm der Erwachsene nicht so kommentarlos hin, wie mein Auftauchen: „Schön, dass ihr euch auch mal bequemt zu erscheinen. Dann sind wir ja jetzt endlich vollzählig und können anfangen.“
Du tratst sofort wieder an meine Seite. Dein Duft drang zu mir durch und ich konnte noch die Nachwehen meines Schlages auf deinem Gesicht sehen. Schmerz durchzog in feinen Bahnen deine Gesichtszüge. Doch bei mir stellten sich keine Schuldgefühle ein. Ich wollte dein Verhalten nicht tolerieren und nachdem du für Worte nicht zugänglich warst, musste ich Taten sprechen lassen.
Dennoch bliebst du und ich sah mich dir gegenüber. Dein perfekter Körper, der sich unter den Aufwärmübungen bewegte. Das weiße T-Shirt hob sich bei bestimmten Bewegungen und entblößte einen Teil deines Bauches. Der Anblick deiner zarten Haut, unter der sich deine Muskeln eifrig anspannten, erweckte den Wunsch in mir, dich zu berühren und jeden Zentimeter zu erkunden.
Deine orangen Shorts machte es nicht besser. Sie entblößte seine Beine, die ebenfalls zeigten, dass Sport bei dir nicht nur in der Schule stattfand. Wieso musstest du so perfekt sein? Ich wollte dich und den Traum nur vergessen und jetzt standest du neben mir, bewegtest dich so aufreizend und ich hatte Mühe mit den Anweisungen mitzukommen.
Immer wieder stoppte ich in meiner Bewegung, um dich anzustarren, bevor ich mich dann ruckartig zum Weitermachen zwang. Ich wollte nicht, dass du mitbekamst, wie sehr du schon in meinen Gedanken warst. Ich wollte dich hassen für dein übertriebenes Verhalten mir gegenüber und konzentrierte mich lieber auf dieses Gefühl. Klammerte mich daran fest, um so den Bildern der Nacht zu entkommen.
„Okay, das reicht erst einmal. Heute steht wieder Volleyball an. Die letzte Übungsstunde bevor wir nächste Wochen in die Benotung übergehen. Bildet Zweier-Teams und dann können wir loslegen“, erlöste mich unser Lehrer vorerst von deinem Anblick. Doch als du dich mit einem breiten Grinsen zu mir umdrehtest, wurde mir bewusst, dass ich dich nicht los war.
„Wollen wir zusammen spielen? Ich habe das Gefühl, dass ich dir am meisten hier vertrauen kann, und irgendwas sagt mir, dass wir ein super Team sein könnten.“ Dein Lächeln war wie vor meinem Schlag. Keine Spur war mehr davon zu sehen. Als wäre es nie passiert. Das konnte doch nicht dein Ernst sein? Wieso klammertest du dich so an mich? Ich verstand es nicht, doch ich sah ein, dass sonst niemand mit mir spielen würde, den ich haben wollte. Was daran lag, dass ich keinem hier vertraute.
„Ja, warum nicht.“ Ich zuckte mit den Schultern, um die Freude, die versuchte erneut zu entstehen, nieder zu knüppeln. Nein, solch ein Gefühl wollte ich nicht haben. Du warst lästig und ich sollte dir nicht zu nahe kommen. Teamarbeit war okay, aber alles darüber hinaus wollte ich vermeiden. Es würde uns beiden nur schaden.
Das strahlende Lächeln, das mir dadurch entgegenkam, ließ mich sofort an meiner Entscheidung zweifeln. Ich wollte keine Hoffnung schüren. Wieso verstandest du nicht, dass unser Kontakt nicht sinnvoll war? Wir sahen zwar gleich aus, aber ich brachte meinen Menschen nur Unglück und so würde es auch dir ergehen.
Ich atmete einmal tief durch um meinen Körper zu beruhigen, bevor ich dann auf meine Position ging. Nachdem wir gleich groß waren, machte es keinen Unterschied, wo wer stand, doch ich mochte es nicht direkt am Netz zu stehen und so hatte ich nun einen perfekten Ausblick auf deinen Rücken. Ich hätte mich doch anders entscheiden sollen.
Ein kurzer Blick mit einem Lächeln kam von dir, bevor du mir mit deinem hochgestreckten Daumen signalisiertest, dass alles okay war. So fühlte es sich für mich nicht an. Ich wollte verschwinden und unterdrückte den Impuls dich, um einen Platzwechsel zu bitten. Doch bevor ich ihn nachgeben konnte, eröffnete der Lehrer schon das Spiel mit einem Pfiff.
Ich warf den Ball in die Luft und spielte ihn kraftvoll über das Netz. Timmy nahm ihn an, bevor ihn sein Mitspieler, ich glaube, sein Name war Valentin, wieder zu uns zurückspielte. Sofort warst du da. Deine Muskeln spannten sich an, als du sprangest und den Ball sofort wieder zurückschicktest.
Sie strauchelten, doch schafften es den Ball wieder zu uns zu spielen. Ich nahm ihn an und du bereitetest ihn vor, bevor ich ihn zurück über das Netz schmetterte. Er war zu schnell und schlug hart zwischen unseren Gegenspielern auf.
„Super!“, jubeltest du und legtest kurz einen Arm um meine Schulter, um mich dann zu drücken. „Das werden wir gewinnen!“ Dein Duft war da und deine Wärme, die mein Gehirn leer fegten. Dein Schweiß, der leicht auf deiner Haut glitzerte, holte meinen Traum zurück. Ich hörte dein Stöhnen an meinem Ohr und sah deinen lustverschleierten Blick.
Sofort schluckte ich trocken, doch meine Gedanken blieben. Auch als du dich von mir trenntest. Alles blieb und meine Finger kribbelten nach unter dem Wunsch über deine Haut zu streichen. Dieses Shirt nach oben zu schieben und mich über deinen nackten Rücken zu küssen. Höher und dir langsam deine Shorts nach unten zu schieben.
Ein harter Schlag gegen meinen Kopf riss mich aus meiner Fantasie und löschte die Lust gänzlich aus, als gleißender Schmerz all mein Denken befiel. Mir wurde schwarz vor Augen und als ich wieder meine Augen öffnete, waren dort deine Gegenpaare, mit denen du mich besorgt ansahst.
„Tsuki? Alles okay? Was war denn los? Du standst reglos da.“ So voller Mitgefühl und Sorge, doch dort war noch etwas anderes. Deine sanfte Umarmung, in der ich lag und all die neugierigen Blicke unserer Mitschüler. Ich sah sie tuscheln und das einst so warme Gefühl wurde von einer eiskalten Wut verschlungen.
Ich stieß dich von mir und erhob mich mit einem tiefen Knurren. Sofort drehte sich meine Welt kurz um mich, doch ich ließ es mir nicht anmerken, sondern funkelte dich weiter an. „Ja, mir geht es gut. Hör auf mich zu bemuttern. Ich habe dich nie um Hilfe gebeten.“
Ich wollte noch mehr sagen, doch da trat der Lehrer an mich heran: „Ist alles in Ordnung bei dir, Tsuki? Willst du ins Krankenzimmer oder kannst du weiterspielen?“
Hart schluckte ich die Worte für dich herunter und wandte mich zu dem Erwachsenen, um ihn dann zu zunicken. „Ja, es wird schon gehen. Mein Kopf tut ein wenig weh, aber sonst ist alles okay.“
„Du warst kurz ohnmächtig. Bist du dir sicher? Mir wäre es lieber, wenn du zur Krankenschwester gehst.“ Er ließ nicht locker und dort war die Wut wieder, die ich gerade so erfolgreich unterdrückt hatte. Ich mochte das Krankenzimmer nicht und würde lieber sterben, als dorthin zu gehen. Dort waren dann immer die Fragen wegen meinen Narben und ob man mir helfen konnte. Ich wollte sie nur vergessen, aber sie waren da und zeigten meiner Umgebung meine Schwäche.
„Ja, es ist alles in Ordnung. Können wir einfach weiterspielen?“ Meine Stimme zitterte und ich hasste sie dafür. Ich wollte meine Gefühle nicht zeigen. Nicht vor all den Menschen, die mir noch nie etwas Gutes zufügen wollten. Im Augenwinkel erkannte ich das breite, zufriedene Grinsen von Timmy, während Valentin eher genervt wirkte. Er spielte mit seinem langen, schwarzen Haar und schien darauf zu warten, dass es endlich weiterging.
„Wenn du dir sicher bist, dann ja. Aber sobald dir schlecht oder ähnliches wird, sag Bescheid. Dann brechen wir das Spiel ab, okay?“ Die Sorge des Erwachsenen verschwand nicht und ich mied den Blickkontakt zu ihm, sondern ging nur mit gesenktem Kopf zurück auf meine Position. Du hattest dich schon nach hinten gestellt, weil ein Wechsel anstand und so drehte ich mich zum Netz und dir so meinen Rücken zu.
Dort war dein trauriger Blick, der über meine Haut glitt, wie ein eisiger Hauch, doch ich ignorierte ihn. Du solltest endlich deinen Platz kennen und der war nicht in meinem Leben. Ich wollte alleine bleiben. Diese Schule meistern und dann vernünftige Freunde finden. Nicht jemanden, wie dich, der sich nur auf das Äußere beschränkte und mich bestimmt mied, wenn er wusste, dass ich feuchte Träume von ihm hatte. Nein, diese Freundschaft würde kein gutes Ende finden beziehungsweise nicht einmal vernünftig entstehen.
„Tsuki! Der Ball!“ Deine Warnung kam zu spät. Erneut riss mich kurz nach deinem Ruf ein harter Schlag aus meinen Gedanken, doch dieses Mal blieb ich bei Bewusstsein. Nur der Schmerz wurde schlagartig schlimmer und raubte mir sogar kurz die Sicht.
„Du solltest nicht so träumen, Tsuki. Hast wohl aus der ersten Begegnung mit dem Ball nichts gelernt, hm?“, neckte mich Timmy sofort und ich verstand, wem ich diesen erneuten Aufprall zu verdanken hatte. Gerade wollte ich etwas erwidern, als du dich wieder einmischtest: „Hör auf, dauernd auf Tsuki loszugehen!“
Ich stöhnte und rieb mir meinen Kopf, der nur noch aus einem hämmernden Schmerz zu bestehen schien. Verzweifelt begann ich ihn zu massieren, doch es half nichts. Die Kopfschmerzen blieben und nisteten sich unter meiner Schädeldecke ein. Alleine die kurze Bewegung zu dir verschlimmerte sie so sehr, dass ich ein Stöhnen nicht unterdrücken konnte.
Deine Worte schürten aber auch die Wut in mir. Ich wollte nicht, dass du mich wie ein kleines Kind verteidigtest. Schließlich konnte ich immer noch für mich selbst sprechen und niemand hatte dich zu meinem Bodyguard ernannt. Zumindest ich nicht. Warum verstandest du das nicht? All das machte es doch nur schlimmer.
Meine Hände ballten sich zu Fäusten und gerade wollte ich dich anfahren, doch da sah ich, wie sich der Lehrer wieder zu mir bewegte und sein besorgter Gesichtsausdruck gefiel mir gar nicht. Ich wusste schon, was er sagen würde, bevor auch nur ein Wort über seine Lippen kam.
„Tsuki! Was machst du, Junge? Jetzt solltest du wirklich aufs Krankenzimmer gehen“, drängte er, doch erneut hob ich abwehrend meine Hand. „Nein, es geht schon. Ich werde mich einfach hinsetzen und dann passt das schon.“
Er holte Luft, um etwas zu sagen, doch dann entschied er sich dagegen, als ich schon auf einer der Bänke am Rand Platz nahm. Sofort fiel ich nach vorne zusammen und begann meinen Kopf, so gut es ging, zu massieren. Jede kleine Bewegung schmerzte und manche ließ sogar Übelkeit entstehen.
Die Wut in meinem Bauch wurde langsam von den Schmerzen überschattet und ich war froh über diese Ruhe. Ich hörte nur noch die Bälle und das Quietschen der Schuhe auf dem Boden. Dort war dein Stöhnen, wenn du mit vollem Einsatz das Spiel fortsetztest. Dieser Laut, der mich wieder an meinen Traum erinnerte, doch ich stoppte meine Gedanken sofort, denn alleine dadurch wurden meine Kopfschmerzen schlimmer und auch die Übelkeit krallte sich unbarmherzig in meinen Magen. Ob ich vielleicht eine leichte Gehirnerschütterung hatte?
Nein, das war Schwachsinn und außerdem wollte ich nicht auf das Krankenzimmer. Die Kopfschmerzen wurden auch langsam besser. Also konnte es gar nicht so schlimm sein. Der Unterricht war bestimmt nicht mehr so lange. Bis dahin hielt ich noch durch und zuhause konnte ich dann eine Schmerztablette nehmen.
„Wie geht es dir? Ist es arg schlimm, Tsuki?“ Deine Stimme ließ mich impulsiv meinen Kopf heben und sofort explodierte der Schmerz hinter meiner Schläfe von Neuen. Ich keuchte und verfluchte dich dafür, was sich in einem tiefen Knurren entlud.
„Nein, es geht schon und würde um einiges besser verlaufen, wenn man mich einfach in Ruhe lässt.“ Wieso konntest du nicht von mir ablassen? Was war so schwer daran? Warum zog ich dich an wie einen Magneten? So stark, dass jedes Aufeinandertreffen schmerzte und Spuren hinterließ.
„Ist okay, ich habe verstanden.“ Erneut war dort die Trauer, die sich wie ein dunkler Schatten über dein Gesicht legte und die unendliche Weite des Himmels in deinen Augen einschränkte. Ein leichter Stich fuhr in mein Herz, doch ich ignorierte ihn. Es war besser, wenn du endlich verstandest und sich unsere Wege nicht mehr kreuzten. Ich brauchte niemanden in meinem Leben. Keinen und vor allem nicht dich.
Die restliche Stunde kam niemand mehr und ich konnte die Schmerzen durch Massagen auf ein erträgliches Minimum herunterfahren, sodass ich mich kaum, dass der Gong erklang, erhob und in die Umkleide ging. Weder dir noch Timmy würdigte ich dabei eines Blickes, sondern fixierte mich nur auf mein Ziel: Mich umziehen und dann so schnell wie möglich nach Hause.
So zog ich mich im Rekordtempo um und packte meine Sachen, um dann ohne ein Wort die Umkleide zu verlassen, bevor nur irgendein anderer so weit war, dass er mir folgen konnte. Was mir nur recht war, denn so verließ ich sowohl den Raum, als auch das Gebäude und schließlich das Gelände unbehelligt. Endlich schwiegst du. Endlich.
Bitte rede mit mir ...