Begierde oder Liebe? 1/2

1255 Words
Ich hing meinen Schlüssel an den Haken am Brett, als die Tür schon mit einem leisen Klicken ins Schloss fiel. Noch auf den Weg in mein Zimmer schlüpfte ich aus dem Gurt meiner Schultasche und ließ sie dann neben meinem Schreibtisch zu Boden gleiten. Das freudige Quieken und Rascheln von Akirai begrüßte mich und ich lächelte leicht. „Ja, dir auch ein herzliches Hallo, Akirai. Aber du weißt, ich esse erst noch etwas, dann kannst du raus.“ Diese Begrüßung war Standard und gehörte zu unserem täglichen Ritual, denn kaum verklang die letzte Silbe, beruhigte sie sich und sah mich nur noch mit ihren großen Augen an. Ob du diesen Dackelblick auch beherrschtest, wenn du irgendetwas haben wolltest? Oder warst du jemand, der sich nahm, was er wollte, ohne groß zu fragen und somit kein Nein akzeptierte? Wie würde sich mein Leben verändern, wenn ich dich hineinlassen würde? Ich schnaubte. Schon wieder warst du in meinen Gedanken. Wieso konntest du daraus nicht verschwinden? Das konnte doch nicht so schwer sein. Du solltest mich endlich gehen lassen. Ich wollte mir all diese Fragen nicht mehr stellen. Hatte ich mir doch geschworen, dass ich in dieser Schule niemanden mehr vertrauen würde. Tsuki. Deine Stimme hauchte leidenschaftlich meinen Namen und ich erschaudere unter einem Luftzug, der über meinen Nacken strich. Die Haare an meinen Armen stellten sich kribbelnd auf, als die Erinnerung an deine Berührung zurückkam. Deine starken Hände, die mich vor dem Fall bewahrt hatten. Diese sorgenvolle Blick, der mir zeigte, wie wichtig ich dir in diesen wenigen Tagen schon geworden war. Er versprach mir so viel, doch ich wollte nichts davon annehmen. Akirai fiepte kurz und nagte dann an den Gitterstäben. Zerriss so meine Gedanken und ich lächelte sie kurz an. „Ja, ich geh schon essen. Hast ja Recht, dass ich nicht rumtrödeln soll. Bis gleich, Süße.“ Ich strich mir auf den Weg in die Küche kurz durch die Haare und seufzte schwer. Dort war die Erinnerung an deine Wärme, die sich wie ein Buschfeuer in meinem Körper ausbreitete und alles verschlang, was ich so verzweifelt aufgebaut hatte. Ich wollte solch eine Nähe nicht mehr, doch du wolltest auch nicht verschwinden. Egal, wie oft ich dich von mir stieß. Du kamst immer wieder zurück. Wie ein Bumerang. Der Kühlschrank schmatzte kurz, als ich ihn aufzog und meine heutige Mahlzeit herausholte. Eine Schüssel mit Spaghetti Bolognese. Es war mein Lieblingsgericht und dennoch fühlte es sich mehr nach Pflicht an als nach Genuss, sie in die Mikrowelle zu stellen. Ich hoffte darauf, dass mein Hunger erwachte, wenn der Duft deutlicher wahrnehmbar wurde. Das leise Surren erfüllte den Raum aber es konnte meine Gedanken auch nicht festhalten, denn erneut warst dort du. Die Wut in deinem Gesicht, als du Timmy von mir stießt. So lange hatte ich mir jemanden gewünscht, der an meiner Seite stand. Konnte ich dir wirklich vertrauen? Oder spieltest du ein abartiges Spiel mit mir? Wäre so etwas wie Freundschaft wirklich möglich? Wollte ich überhaupt Freundschaft mit dir schließen? Dort waren wieder dein lustverschleierter Blick und dieses aufregende Kribbeln in meinem Bauch. Deine fordernden Berührungen und deine heißen Küsse auf meinem Körper. Unbewusst berührte ich meine Lippen, als ich an unserem traumhaften Kuss dachte. Würdest du jemals einen anderen Jungen küssen? Mich? Das kurze, laute Signal der Mikrowelle zerschlug meine Gedanken und holte mich in die Wirklichkeit zurück, sodass ich mein Essen herausholte. Sofort erfüllte der aromatische Duft nach Oregano und Tomate den Raum, doch das erhoffte Hungergefühl blieb aus und so ließ ich mich mit meiner Mahlzeit am Tisch nieder. Der heiße Dampf stieg vor mir auf, doch ich sah nur auf meinen silbernen Ring, drehte ihn leicht und dort erschien das Bild von deinem Schmuck vor mir. War es ein lächerlicher Zufall oder stand mehr dahinter? So gleich und doch so verschieden. Fast wie wir. Ich lachte auf und schüttelte den Kopf. Das war bestimmt nur Zufall. Schließlich waren Gold und Silber die meist getragenen Schmuckstücke. Sonne und Mond sind auch sehr beliebte Motive und jeder wusste, dass Rubin besser zu Gold und Saphir zu Silber passte. Das hatte nichts zu bedeuten. Oder? Ein kleiner Hauch von Zweifel blieb. Vielleicht sollte ich dich deswegen fragen, ob dein Schmuck eine Bedeutung hatte oder es an sich nur Willkür war. Ja, so ein kleines Gespräch war ja nicht schlimm. Würdest du wieder im Park unterwegs sein? Könnte ich dich dort vielleicht treffen? Langsam nahm der Dampf vor meiner Nase ab und ich begann zu essen in der Hoffnung, dass sich der Hunger dann einstellte. Ich wollte meiner Mutter keine Sorgen machen, indem ich es nicht anrührte. Denn sie würde Fragen stellen, wenn das Essen unberührt zurück in den Kühlschrank wanderte. Fragen, die ich aktuell nicht beantworten wollte. Vielleicht nicht einmal konnte. Da war ich mir nicht so sicher. Somit wanderte eine Gabel nach der anderen in meinen Mund. Doch meine Gedanken blieben nicht lange bei diesem Tun. Sie beschäftigten sich viel lieber weiter mit dir. Mit dem Spiel deiner Muskeln und deiner so perfekten Haut. Wollte ich Freundschaft? Konnte ich mehr erwarten? Was hatte dein Lächeln zu bedeuten oder gar die Nähe, die du immer zu mir suchtest? Diese Fürsorge und deine Verlangen mich zu beschützen? War das Freundschaft oder sogar schon mehr? Was wünschte ich mir von dir? Erneut waren dort deine Hände, die über meine Haut strichen. Dein heißer Atem, der mir einen Schauer durch den Körper jagte. Tsuki, so viel Lust in diesem einen Wort und vor allem Versprechen. Versprechen, die mich vollständig ausfüllten und in ungeahnte Höhen beförderten. Die Gabel traf klirrend auf den leeren Teller und holte mich somit wieder zurück in die Wirklichkeit, in der mich eine zu enge Hose erwartete. Was tat ich hier? Ich wollte doch gar nichts von dir. Kein Kontakt, keine Freundschaft. Nichts. Und jetzt warst du hier. Überall in meinen Gedanken und Träumen. Ich musste herausfinden, wohin uns dieser Weg führen könnte. Was du wolltest und vor allem, wer du wirklich warst. Wieso du jetzt zu mir kamst und nicht mehr gehen wolltest. All das würde ich am ehesten von dir selbst erfahren und daher ich keine anderen Kontaktmöglichkeiten hatte, blieb mir nur ein Besuch im Park in der Hoffnung, dass ich dir dort wiederbegegnen würde. Ich stellte meinen Teller in die Spülmaschine und ging dann zurück in mein Zimmer, wo mich Akirai schon freudig begrüßte. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich mich zu ihr hinunter kniete und die Käfigtür öffnete. Sofort sprang sie auf meine Hand und ich hob sie auf meine Schulter hoch. „Wir lassen die Hausaufgaben heute mal hinten anstehen. Ich muss da erst noch was klären, Akirai. Deswegen gehen wir sofort in den Park. Aber ich bezweifle, dass du etwas gegen die Planänderung hast.“ Ich lachte leicht auf, als ich sie schon auf meine Schulter setzte und sie sich sofort in meinen Haaren verkroch. So ging ich zurück zur Haustür, schlüpfte in meine Schuhe und nahm meine Schlüssel, um dann schon wieder diesen Ort der Sicherheit zu verlassen. Wärst du dort? Könnte ich zu früh sein? Gingst du auch andere Routen mit deiner Katze? Aber was hatte ich für eine Wahl. In der Schule wollte ich nicht darüber mit dir reden. Ich hatte nur diese Möglichkeit und so schickte ich einen stummen Wunsch gen Himmel, dass wir uns dort trafen. Dort, wo wir ungestört reden konnten und ich all die Antworten auf meine Fragen bekommen würde. Bitte, sei da. Sei einmal dort, wo ich dich haben will. Nur dieses eine Mal. Bitte ...
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