Ruhig ging sie mit Anna durch die Stadt. Sie wollten sich ein wenig die Beine vertreten und vielleicht auch ein wenig shoppen gehen. Auch wenn Franziska immer noch ein wenig nervös war, was den flüchtigen Mann anging, so fühlte sie sich doch in der großen Gruppe von Frauen wohl.
Es waren so viele von ihnen hier in den Straßen unterwegs, dass der Mann es niemals wagen würde auch nur eine von ihnen anzugreifen. Alleine der Versuch würde wohl schon scheitern. Dennoch wünschte sie sich, dass sie den Flüchtling bald wieder einfingen, denn in diesem Moment wirkte jede halbwegs dunkle Gasse unendlich bedrohlich auf sie und sie konnte nicht ganz so entspannt durch die Stadt gehen, wie sie gerne würde.
„Hey, da ist das Kinderwunschzentrum! Los, Franzi, lass uns da kurz hingehen. Vielleicht können wir uns die Karteien der Erzeuger anschauen und mit noch ein bisschen mehr Glück uns sogar von einem Arzt beraten lassen. Was meinst du?“ Anna deutete aufgeregt auf das eher unauffällige Gebäude, obwohl es eine so große Bedeutung in ihrer Gesellschaft hatte. Denn ohne ihm würde die Menschheit nicht mehr existieren.
„Ich weiß nicht. Normalerweise macht man sich dafür doch einen Termin.“ Sie war unsicher und wollte nicht negativ auffallen. Schließlich wusste sie nicht, wie stark der Andrang war und sie wollte wirklich keine Umstände machen. Außerdem ging ihr das Ganze jetzt doch fast ein wenig zu schnell.
„Ach, komm schon. Falls es nicht geht, dann werden wir halt weggeschickt. Das ist doch nicht so schlimm, oder? Wir haben also nichts zu verlieren.“ Anna griff nach ihrer Hand und Franziska ließ sich ein wenig widerwillig zu dem Gebäude führen.
Sie hatte ein seltsames Gefühl, als sie durch die Glastür ging. Auf ihr war die Silhouette einer Frau, die ein Baby in den Armen hielt. Ob es wirklich okay war, dass sie so einfach reinkamen? Was wenn sie doch nur störten? Sie war aufgeregt und bekam sogar kurz Zweifel. War es wirklich die richtige Zeit und was würde auf sie zukommen? Besaß sie schon die Kraft sich um ein Kind zu kümmern?
„Anna. Ist es wirklich richtig, was wir tun?“ Sie stoppte ihre Freundin, doch diese lächelte sie sanft an. „Ja, es ist richtig. Wir wollen doch beide ein Kind und hier wird uns das ermöglicht.“
„Aber müssen wir nicht vorher noch etwas erledigen? Mit unserer Arbeitgeberin sprechen oder so?“ Sie spürte, dass ihre Nervosität begann sie zu lähmen. Ja, sie wollte ein Kind, aber nur weil sie es wollte, musste es nicht heißen, dass sie auch wirklich schon bereit dazu war.
„Nein, das macht doch alles die Regierung. Jetzt komm, wir wollen es doch.“ Anna griff nach ihrer Hand und zog sie dann hinter sich her. Am Empfangstresen saß eine lächelnde Frau, die nicht viel älter war als sie selbst, wodurch sie Franziska fast sofort sympathisch war. Ihr rotes Haar fiel in Locken über ihre Schultern und die grünen Augen strahlten Offenheit und Gutmütigkeit aus.
„Hallo, wie kann ich euch helfen?“ Ihr Blick blieb offen, genauso wie das Lächeln auf ihren Lippen und so verschwand Franziskas Nervosität langsam Stück für Stück. Hier schien es wirklich nett zu sein. Alles perfekt, oder?
„Wir wollen uns schwängern lassen und deswegen mal informieren, was wir da so alles beachten müssen.“ Anna sprach mit der Empfangsdame, die dann auch kurz zu Franziska sah, wodurch diese nickte. „Ja, und auch das Angebot an Erzeugern anschauen, ob es denn jemanden gibt, der uns interessiert.“
„Habt ihr denn einen Termin?“ Auch jetzt blieb sie freundlich und das wirkte nicht einmal aufgesetzt, wodurch sich Franziska weiter entspannte, bevor sie dann den Kopf schüttelte. „Nein, haben wir nicht. Wir sind zufällig vorbei gekommen und dachten, dass wir mal unser Glück versuchen.“ Es fühlte sich gut an hier zu sein und ihr Entschluss verfestigte sich langsam wieder, wodurch sie Anna glücklich anlächelte.
„Kein Problem. Heute ist nicht so viel los. Jedoch müsst ihr noch diesen Anmeldebogen ausfüllen und sobald das erledigt ist, werde ich der Ärztin Bescheid geben.“ Sie reichte jeder von ihnen ein Klemmbrett mit einem kleinen Fragebogen und die zwei Freundinnen gingen ins Wartezimmer, um diesen auszufüllen.
„Wir hätten uns doch vorher einen Termin geben lassen sollen.“ Franziska kam sich ein wenig wie ein Eindringling vor. „Ach was. Sie sagte doch, dass es kein Problem sei. Es gibt hier auch ruhige Tage. Also, bleib ein wenig locker.“ Anna füllte nebenher das Blatt aus und auch Franziska sah auf den Zettel. Sie wollten viel wissen, aber an sich auch nicht mehr, als jede andere Ärztin. Ruhig beantwortete sie alle Fragen und spürte wie die Nervosität zurückkam. Es war ein seltsames Gefühl hier zu sein. Einerseits unheimlich aufregend, aber auch sehr beängstigend. Anna dagegen lächelte in sich hinein und summte beim Ausfüllen sogar ein leises Lied. Sie schien sich ihrer Sache um einiges sicherer zu sein als Franziska. War das wirklich ihr Wunsch oder hatte sie sich nur anstecken lassen?
Sie horchte tief in sich hinein und suchte nach der Antwort auf diese Frage. Stellte sich vor, wie es sein würde ein Kind in sich zu tragen, wobei sie unbewusst ihre Hände auf den Bauch legte. Bei dieser Vorstellung musste sie leicht lächeln und spürte wie die Zweifel wieder verschwanden. Es war wirklich ihr eigener Wunsch.
Schließlich waren sie beide fertig und brachten die Klemmbretter zurück zu der Empfangsdame. Erneut wurden sie angelächelt. „Okay, danke. Wartet noch einen Augenblick im Wartezimmer. Die Ärztin hat bald Zeit für euch. Ich rufe euch dann auf. Bis dahin könnt ihr gerne schon ein bisschen in unserem Katalog blättern. Einige Exemplare liegen im Zimmer aus.“
Ruhig gingen sie wieder zurück in den Wartebereich. Sie waren die Einzigen dort und Franziska konnte sich das nicht vorstellen. Wollte sich sonst niemand schwängern lassen? Oder kamen die Frauen lieber zu anderen Zeiten?
„Bist du immer noch auf den Geflohenen aus oder willst du dir noch andere Erzeuger anschauen?“, begann Anna ein Gespräch, als sie sich schon einen der Ordner holte. Franziska wusste noch nicht, ob sie ebenfalls nachsehen wollte. An sich gefiel ihr der flüchtige Erzeuger durchaus sehr, aber vielleicht gab es ja wirklich eine bessere Wahl.
„Ich bin mir nicht so sicher. Lass mich einfach mit schauen, okay? Was für einen Erzeuger willst du haben? Hast du bestimmte Vorlieben, die du gerne erfüllt sehen würdest?“ Ruhig blätterte Anna durch die Angebote. Sie hatten alle so ziemlich den gleichen Gesichtsausdruck, doch Franziska wollte ihn nicht deuten. Diese Männer hatten es einfach nicht anders verdient.
„Ich hätte gerne jemanden mit blonden Haaren. Die sind ja mittlerweile sehr selten geworden und ich würde sie ungern aussterben sehen. Es ist so eine schöne Farbe. Ansonsten habe ich da an sich keine Vorstellung. Er muss mich einfach anspringen. Ich werde es schon wissen, wenn ich ihn sehe.“ Immer wieder tauchte ein neues Gesicht auf. Neue Mischungen. Mal weicher. Das andere wieder kantiger. Sie hatten wirklich eine große Auswahl. Franziska wusste gar nicht, dass es so viele Erzeuger in dem Zuchthaus gab. Wie die wohl alle dort Platz hatten? Auch konnten sie froh sein, dass es trotz der hohen Anzahl sehr selten zu einer erfolgreichen Flucht kam.
„Das ist er.“ Franziska stoppte Annas Blättern, als sie in das Gesicht des Flüchtlings sah. Sein Gesicht würde sie immer wieder erkennen und so merkte sie sich sofort die Nummer 56, bevor sie es zuließ, dass Anna weiterblätterte. Es gab so viele verschiedene Gesichter. Selbst vereinzelte Rothaarige waren dabei. Genauso wie welche mit zwei Augenfarben. Etwas, was Franziska durchaus interessant fand, aber bei ihrem eigenen Kind nicht haben wollte.
„Der da!“ Anna stoppte abrupt und Franziska zuckte unter ihrem Aufschrei zusammen, bevor sie in das durchaus weiche, aber mit markanten Wangenknochen ausgezeichnete Gesicht blickte. Er hatte blonde Haare und auch diese unterschiedlichen Augenfarben. Blau und Grün. Irgendwie schauderte es sie bei dem Anblick. Nein, den würde sie definitiv nicht auswählen. Den konnte Anna ganz für sich alleine haben. Eindeutig nicht ihr Fall.
„Und? Seid ihr fündig geworden? Die Ärztin hätte nämlich jetzt Zeit für euch.“ Die Empfangsdame stand in der Tür und lächelte die Beiden ruhig an, wodurch sie dann schon fast synchron nickten. Jetzt wurde es langsam wirklich ernst. Erneut war dort eine leichte Nervosität in Franziskas Magen, doch sie fühlte sich angenehm an und so folgte sie Anna und der Dame in ein Sprechzimmer.