„Ja, er ist positiv! Ich kann es gar nicht glauben!“, jubelte Franziska in ihr Telefon. Sie hielt den Schwangerschaftstest noch in den Händen und strahlte über das ganze Gesicht. Sie hatte es geschafft. In ihr wuchs das Kind dieses schönen Erzeugers heran.
„Das freut mich für dich. Ich habe erst in ein paar Tagen meinen Termin.“ Anna wirkte auch sehr ausgelassen und schien sich hörbar zu freuen. „Hoffentlich ist es ein Mädchen. Hast du vor einen Frühtest machen zu lassen? Wegen dem Geschlecht?“
„Jein. Ich habe mal kurz überlegt, aber eigentlich sind mir die Risiken zu hoch. Außerdem kann ich ihn ja immer noch verkaufen. Jetzt, wo sein Erzeuger tot ist, haben sie bestimmt erhöhtes Interesse an seinem Erbgut.“ Franziska lächelte in sich hinein und strich sanft über ihren Bauch. Es fühlte sich richtig an und auch wenn ihr immer mal wieder ein wenig schlecht war. So wusste sie doch, dass es dazu gehörte. Auf den Weg zu ihrem eigenen Kind.
„Aber willst du dir dann einen anderen Erzeuger aussuchen und es noch einmal probieren? Dir hat doch sonst irgendwie keiner gefallen. Das hab ich doch beim Durchblättern bemerkt.“ Anna war skeptisch und Franziska lächelte nur kurz. Sie war sich nicht sicher, ob sie dann noch einen anderen Versuch starten würde, aber an sich war es ja auch nicht wichtig. In ihrem Bauch wuchs ein Mädchen heran und somit war die Sache erledigt. Da war sie sich ganz sicher.
„Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Mal schauen, aber das wird bestimmt ein Mädchen.“ Sie lachte auf und schon hörte sie, wie ihre Wohnungstür aufgesperrt wurde, wodurch sie sich kurzerhand von Anna verabschiedete: „Du, Anna, meine Mitbewohnerin kommt gerade nach Hause. Wir reden später weiter, okay? Ich drück dir für deine Insemination auf jeden Fall die Daumen.“
„Ja, danke. Man hört sich.“ Sie legten beide auf und Franziska drehte sich freudestrahlend zu Tia um, die gerade ein wenig geknickt ihren Schlüssel in die Schale warf. Kurz irritierte sie die Laune ihrer Mitbewohnerin, doch dann schob sie den Gedanken beiseite und stand übermütig auf, um ihr freudestrahlend entgegen zu laufen.
„Hallo, Tia. Weißt du was? Ich bin schwanger!“ Sie grinste wie ein Honigkuchenpferd und Tia sah sie erst kurz verdutzt an. Schien ein paar Sekunde zu brauchen und dabei begann das Hochgefühl Franziska zu verlassen. Sie spürte, wie sich ein eisiger Klotz in ihrem Magen bildete, als keine Freude in dem Gesicht ihrer Mitbewohnerin entstand, sondern pure Abscheu.
„Ernsthaft?! Du machst bei diesem kranken System mit?!“ Franzi wusste, dass Tia die Kinderwunschzentren nicht gut hieß, aber nur weil sie diesen Weg für sich nicht wollte, musste er ja nicht generell schlecht sein, wodurch Trotz in ihr erwachte.
„Ja! Ich mach bei diesem System mit, weil ich ein Kind möchte und das ist nun einmal der Weg, den man nehmen muss, um sich diesen Wunsch zu erfüllen! Außerdem ist es so viel angenehmer! Das hat gar nicht weh getan und war sehr schnell vorbei!“ Sie wollte sich die gute Laune nicht von ihr zerstören lassen. An sich hatte sie gehofft, dass sie ihre Freude teilen würde, aber da hatte sie sich wohl verkalkuliert.
„Oh, mein Gott!“, stöhnte Tia und fuhr sich durchs Gesicht, weshalb Franzi kurz knurrte und sie korrigierte: „Du meinst wohl Göttin, hm?“
„Ach, hör auf damit. Diese konsequente Ausgrenzung alles Männlichen nervt langsam! Woher hast du überhaupt das Geld für die Geschichte.“ Tia deutete an Franzis Körper entlang und diese spürte, wie ihr das unangenehm war. Ihr Kind war keine Geschichte, sondern ein lebendes Wesen.
„Ich hab die Insemination gewählt und die ist kostenlos. Außerdem musste es schnell gehen, weil ich den Flüchtling als Erzeuger wollte. Die heben Sperma nämlich nicht lange auf und es wird nur bei Bedarf von den Männern geholt.“ Sie fühlte sich intelligent. Zumindest für ein paar Sekunden, bevor sie sah, wie Tia das Gesicht angewidert verzog.
„Krank. Einfach nur krank“, nuschelte Tia, als sie an Franzi vorbeiging und sich in der Küche einen Kaffee einschenkte und einen Toast röstete. Die Blondine sah ihrer Mitbewohnerin irritiert hinterher, bevor sie dann zur Verfolgung ansetzte. „Wieso krank? So ist die Welt nun einmal. Männer haben es nicht anders verdient.“
„So, Männer haben es nicht anders verdient. Dann sag mir doch mal, bei der Insemination ist das Geschlecht doch ungewiss, nicht wahr?“ Sie nickte als Antwort und Tia grinste breit.
„Okay, was tust du also, wenn du einen Jungen zur Welt bringst? Wirst du ihn ans Zuchthaus verkaufen, wo man ihn in eine Zelle sperrt, nackt, nur mit einem zusätzlichen Käfig um seinen p***s? Ihn nur das Nötigste gibt damit er am Leben bleibt und nicht krank wird? Damit man ihn dann melken kann, sobald irgendeine Frau ein Kind von ihm will? Oder wirst du ihn der Regierung geben, damit sie ihn am Waldrand entsorgen, wo er verhungern muss oder wenn er Glück hat vorher von wilden Tieren zerrissen wird? Was wirst du tun, Franzi?“
Franzi spürte, wie ihr eiskalt wurde, alleine bei dem Gedanken und sie instinktiv schützend ihre Hände vor dem Bauch legte. Klar, es könnte sein, dass ein Junge in ihr heranwuchs. Ein Monster, das irgendwann Frauen nur noch schaden würde und man es deswegen wegsperren musste, aber sie wusste, dass sie ihn nicht sterben lassen konnte. Nicht dieses Kind. Ihr Kind.
„Es wird kein Junge.“ Ihre Stimme zitterte und sie wünschte sich, dass sie wirklich hundertprozentig dahinter stehen könnte, doch es ging nicht. Sie fühlte sich schwach und sie wusste, dass diese Möglichkeit bestand.
„Du hast eine fünfzig-fünfzig Chance. Also, solltest du dir überlegen, was du tust, wenn dieser Alptraum doch wahr wird.“ Tia klopfte ihr nur kurz auf die Schulter und ging dann an ihr vorbei, um sich mit ihrem Toastbrot und dem Kaffee auf die Couch zu setzen und ein wenig fern zu sehen. Franzi selbst blieb zurück. Ihre Hände lagen zitternd auf ihrem Bauch. Das Alles war nicht wahr. Es konnte nicht sein. Es durfte nicht sein. Sie trug ein Mädchen aus. Es musste ein Mädchen werden, denn ansonsten würde sie das Kind nicht behalten dürfen.
Oh, liebe Göttin. Lass mich ein Mädchen zur Welt bringen. Ich flehe dich an. Lass es ein Mädchen sein...