„Okay, du bist wieder frei. Aber mach jetzt keine Dummheiten mehr. Wir können verstehen, dass du deinen Kameraden befreien willst, aber wir haben nun einmal nur begrenzte Möglichkeiten. Sollten die Frauen erkennen, dass es Gruppen von uns gibt, dann werden wir nicht mehr glücklich werden. Versteh das doch bitte.“ Ted ließ Rick aus seinem Gefängnis.
„Ich habe doch nicht vor euch zu verraten. Aber... ihr versteht nicht, was sie mit uns Männern dort tun. Von klein an bekommen wir nur das Nötigste. Wir sehen keinen Himmel, keine Bäume, keine Pflanzen, kein Gras. Mein ganzes Leben war ich eingesperrt. Erst in mehreren Zimmern mit anderen Kindern und sobald die Pubertät einsetzt, werden wir in Zellen geworfen, die wir uns mit einem Altersgenossen teilen. Dort kommen wir nie wieder raus. Nur zu einem Zweck: Gemolken zu werden, weil eine Frau ein Kind von uns möchte. Ihr begreift nicht, was ihr für ein Glück habt frei zu sein.“ Rick sah, wie Teds Miene trauriger wurde und stoppte seinen Redefluss. Es hatte keinen Sinn. Sie würden ihm niemals helfen und er würde nie wieder von hier wegkommen. Er würde Stefan nie wiedersehen.
„Du verstehst das falsch. Wir wissen, was für kranke Sachen die Frauen tun, aber wir haben nicht die Möglichkeit etwas daran zu ändern. Sollten wir wirklich einen Sturm auf das Zuchthaus wagen, werden sie uns töten oder gar gefangen nehmen, bevor wir überhaupt die Mauern erreichen. Sie haben die Technik auf ihrer Seite und mit unserer puren Kraft können wir das nicht ausgleichen.“ Ted legte sanft eine Hand auf Ricks Schulter und lächelte ihn kurz an. Rick selbst konnte diese Hand nur kurz tätscheln, bevor er die Berührung dann abbrach und an ihm vorbei zu den anderen Männern ging.
Er wollte nicht mehr hier sein, doch er wusste, dass er keine andere Wahl hatte. Alle Augen waren auf ihn gerichtet und auch wenn es einen Moment dauerte, so war Ted schon bald wieder neben ihm und wich ihm nicht mehr von der Seite. Scheinbar hatte man ihm zu seinen Wachhund ernannt. Lächerlich. Er sah ein, dass es jetzt kein Entkommen gab. Außerdem sollte er vielleicht den Winter abwarten, bevor er wieder in Aktion trat. Solange konnte er hier bleiben und von den Männern Dinge lernen, die er brauchte, um dort draußen zu überleben.
Das war besonders wichtig. Er wollte mit Stefan irgendwohin gehen, wo man sie nicht mehr quälte, aber auch nicht zu einem Leben zwang, das sie nicht wollten. Vielleicht gab es doch irgendwo eine Gruppe Männer oder Frauen, die sich dafür einsetzten, dass sich dieses Leben endlich änderte. Dass die Welt wieder gerecht wurde.
„Ich hoffe, du hast jetzt verstanden wie wichtig es ist, dass wir unentdeckt bleiben. Die nächsten Tage wirst du dir einzelne Berufe anschauen und wir werden sehen, wo dein Geschick liegt. Denn Schmarotzer können wir nicht gebrauchen. Jeder packt an und hilft, wo er kann. Keiner liegt hier auf der faulen Haut. Auch sind meine Worte noch immer ausgesprochen und solltest du noch einmal einen Fluchtversuch starten, der dir misslingt, wirst du als Stressventil dienen bis du deinen Platz und die Ernsthaftigkeit meiner Worte endlich verstehst.“ Herbert stand vor ihm und sah auf ihn herunter. Rick wollte nicht aufsehen. Nicht in dieses kantige Gesicht blicken und die ausgesprochene Drohung auch noch körperlich fühlen.
All das war nicht das, was er sich gewünscht hatte, doch er hoffte, dass es ihn dennoch weiterbrachte. Gerade fühlte es sich eher an, als wäre er von einer Gefangenschaft in die nächste gerutscht. Nirgends war er frei. Hier hatte er zwar mittlerweile keine Gitter mehr vor der Nase, aber irgendwie schrieb man ihm dennoch vor wie sein Leben zu laufen hatte und man ließ ihn nicht gehen, wenn er wollte.
Im Moment fühlte es sich an, als würden sich Männer und Frauen nichts schenken. Sie wurden alle von jemanden angeführt, der unterdrückte und mit Gewalt drohte. Es war lächerlich. Auch der Fakt, dass sie die Gefahr immer noch ignorierten. Doch auch wenn sich Protest in seinem Hals hocharbeitete, so schluckte er ihn runter und nickte dann stumm.
Ja, er hatte 24 Jahre das Spiel der Frauen mitgespielt, dann konnte er auch für ein paar Monaten nach den Regeln der Männer tanzen und irgendwann... ja, irgendwann würde er tatsächlich frei sein...