„Die Demonstration ging ja vollkommen nach hinten los. Man will uns nicht zuhören und selbst wenn man es mal schafft, dann wird man gleich weggeführt und eingesperrt.“ Tia sah in die Runde. Sie waren wieder vollzählig. Sogar Thundercat war jetzt da. Ihre schwarzen Haare waren kurz und die stechend blauen Augen fixierten jeden, der das Wort erhob, während sie schwieg und nur zuhörte.
„Ja, wir hatten nicht einmal eine Stunde, um unsere Botschaft zu übermitteln. Dann kam schon diese wütende Furie und kurz darauf wurden wir von den Wächterinnen weggeführt. Das Gefängnis ist echt nicht schön.“ Bunny zog ängstlich ihren Kopf ein und zitterte kurz.
„Glaubt ihr, dass die Männer auch dort gefangen gehalten werden? Ich dachte nämlich, dass ich ab und an ihre Stimmen gehört hätte.“ Kittys Stimme war gesenkt, als hätte sie Angst, dass ihre Worte, wenn sie zu laut ausgesprochen wurden, wahr werden könnten. Ein lächerliches Verhalten in Tias Augen. Sie wollten diese Männer doch befreien. Da durften sie keine Angst vor ihnen haben.
„Selbst wenn. Sie saßen wie wir hinter Gittern.“ Die Brünette, die noch bei ihnen saß, verzog kurz verärgert die Mundwinkel. Ihre grünen Augen blitzten nur so unter den Unmut in ihrem Herzen, doch Tia kannte diese Frau nicht anders. Wonderwoman war schon immer sehr angriffslustig und feindselig. Es wunderte Tia, dass sie nicht hingerichtet wurde, weil sie die Wächterinnen angegriffen hatte. Aber scheinbar schien sie in den richtigen Momenten doch noch einen funktionierenden Verstand zu besitzen.
„Außerdem wissen wir doch selbst, dass von den Männern nicht generell eine Gefahr ausgeht. Es ist die Regierung, die wir fürchten müssen. Sie hat unsere Familien getötet und uns in irgendwelche Pflegefamilien oder gar Heime gesteckt. Also, was sollen wir tun? Wir müssen der Welt doch irgendwie zeigen können, dass es falsch ist, wie die Sachen laufen. All das, was hier stattfindet, scheint schon viel zu normal zu sein.“ Tia grauste es selbst vor ihren Worten, doch das letzte Gespräch mit ihrer Mitbewohnerin hatte ihr erneut gezeigt, wie stark das Denken der Allgemeinheit infiziert war. So falsch etwas so künstliches, als natürlich und die beste Lösung zu empfinden. Es musste gestoppt werden, bevor es kein Zurück mehr gab.
„Wir brauchen nicht noch einmal auf die Straße gehen. Das macht keinen Sinn. Die Stimmung nach eurer Demo war eher gegen uns Rebellen und für die Regierung. Die Aktion hat uns also mehr geschadet als genützt.“ Black Beauty war meistens eine stille Zuhörerin, doch jetzt sprach die junge Dunkelhäutige und ihre weißen Zähne blitzten dabei immer wieder auf. Das krause, schwarze Haar ging ihr bis weit unter die Schultern, während ihre Augen so dunkel waren, dass Tia immer an eine Neumondnacht denken musste, wenn sie in sie sah.
„Da gebe ich Black Beauty recht. Wir müssen im Verborgenen bleiben und die Bevölkerung anders aufrütteln. Daher habe ich mir folgendes überlegt.“ Thundercat wartete ruhig bis alle ihr gebannt lauschten, bevor sie sich dann leicht räusperte und fortfuhr: „Wir werden einige Plakate anfertigen. Genauso wie Flyer. Ersteres werden wir in der Nacht an den Wänden anbringen und die Flyer werden wir in jeden Briefkasten werfen. Die Aktion ist weiterhin riskant. Ich weiß nicht, was passiert, wenn man uns erwischt. Aber ihr wisst alle, was hier auf dem Spiel steht. Unser Leben und eine Zukunft, die uns zurück zur Normalität führt.“
Tia bewunderte ihre Anführerin. Sie wirkte so ruhig und stark. An ihrer Seite hatte sie das Gefühl, dass sie alles schaffen könnten und ja, sie wollte dieses Leben nicht annehmen. Nicht so sein, wie die Regierung sich das wünscht, sondern zurückkehren. Sie will sich wieder richtig verlieben und ein Kind in die Welt setzen, das von seinem eigenen Vater in den Arm genommen werden konnte.
„Ich bin dabei.“ Tia stand auf und sah Thundercat entschlossen in die Augen. Sie würde alles dafür tun, dass die Männer wieder frei kamen. Schließlich wollte sie ihn wiedersehen. Seine Berührung wieder spüren und wissen, dass jetzt alles wieder in Ordnung war. Niemals war es die perfekte Lösung die Männer von diesem Planeten auszulöschen.
„Ich auch.“ Auch der Rest stand auf und Thundercat sah eine nach der anderen an, bevor sie dann zufrieden nickte. „Okay, Mädels. Dann lasst uns die Plakate anfertigen und auch einen Flyer entwerfen. Ich kenne jemanden, der uns die Sachen vervielfältigt ohne blöde Fragen zu stellen. Sobald wir dann alles zusammen haben, werden wir sie in der Nacht aufhängen.“
Tia spürte den Tatendrang in sich und nickte zufrieden, bevor sie sich dann mit den anderen an die Arbeit machte. Es war vernünftig und es war wohl die einzige Möglichkeit, die sie wirklich hatten. Die Öffentlichkeit war noch nicht hinter ihnen und Meinungsfreiheit war auch nur so weit erlaubt, wie sie der Meinung der Regierung entsprach oder diese nicht angriff. Männer sollten Monster sein und für immer bleiben.
Aber Tia konnte diese Gedanken noch nie verstehen. Schließlich kannte sie den ein oder anderen Mann. Ihre damalige Heimat hatte viele Jungen versteckt und sie war mit ihnen aufgewachsen. Jetzt existierte dieser Ort nicht mehr auf der Landkarte. Alle Erwachsenen wurden hingerichtet und die Mädchen in sehr regierungstreue Familien oder Heime gegeben. Die Jungen...
Tia wollte nicht daran denken, wie man die ruhigen weggeführt hatte und die, die es gewagt hatten sich zu wehren einfach erschoss. Noch heute wurde ihr bei diesem Gedanken daran schlecht und sie musste trocken schlucken, um sich nicht zu übergeben. Schon damals hatte sie sich geschworen, dass sie die Männer wieder befreien würde. Dass sie ihn wieder befreien würde.
Und dank Thundercat war das möglich. Dank dieser Organisation konnte sie ihren Drang nach Gerechtigkeit folgen und hatte noch Mitstreiterinnen, die genauso darüber dachte. Alles in ihr schrie danach, dass es wieder so wie früher wurde. Dass sie sich wieder aussuchen konnte, wen sie liebte und nicht irgendwann aus Angst alleine sterben zu müssen sich mit irgendeiner Frau arrangierte.
Alleine bei dem Gedanken begann ihr ein eisiger Schauer über den Rücken zu laufen. Nein, sie konnte dieses Leben, das die Regierung für sie vorgesehen hatte, niemals führen. Es ging einfach nicht und so hoffte sie, dass die Plakate und die Flyer die ein oder andere Bürgerin zum Nachdenken anregten. Es musste sich etwas ändern und zwar schnell. So schnell, wie es nur irgendwie geht, bevor es zu spät war und es keine Männer mehr auf diesem Planeten gab...