Szene 27

902 Words
All diese Sachen waren so süß und schön. Franziska konnte sich kaum entscheiden. Am Liebsten hätte sie jeden Strampler oder Body mitgenommen. Sie war sich sicher, dass ihr Kind in allem bezaubernd aussehen würde. „Diese Sachen sind alle so süß. Da kann man sich gar nicht entscheiden, nicht wahr Franzi?“ Anna lachte neben ihr und hielt gerade ein Kleidungsstück mit einer süßen Ente darauf hoch. Die meisten Sachen waren pink, aber es gab auch etwas neutralere Farben, doch Franziska konnte sich nicht wirklich entscheiden, wie sie ihr Kind anziehen wollte. Die kritische Zeit war mittlerweile herum und bald würde sie auch das Geschlecht erfahren. Auch wenn sie vor diesem Moment ein wenig Angst hatte. „Es ist doch richtig toll, dass wir beide schwanger geworden sind, oder?“ Anna stupste sie leicht in die Seite und strahlte weiter. Ja, auch bei ihr hatte die Befruchtung funktioniert. Sie würden also bald zusammen ihre Kinder großziehen können und es fühlte sich richtig gut an, dass man diese wunderbare Zeit mit jemanden teilen konnte. „Ja, aber noch ist es ja nicht sicher.“ Franzi sprach nicht weiter. Sie hatte sich schon öfters diese Frage gestellt, aber sich niemals wirklich weiterdenken getraut, doch Anna lachte neben ihr und klopfte ihr kurz auf die Schulter. „Ach, komm. Das wird schon. Wir werden beide ein Mädchen bekommen und dann ist es gut so.“ „Ja, aber was wenn nicht. Ich meine, könntest du?“ Sie sprach nicht weiter, sondern legte ihre Hände nur auf ihren Bauch. Es war ein seltsames Gefühl darüber nachzudenken, ob sie das Leben, das in ihr heranwächst einfach so weggeben konnte nur weil es ein Junge war. „Natürlich. Ich will kein Monster.“ Anna blieb hart und nüchtern. Diese Gefühlskälte erschrak Franziska sogar kurz. Wie konnte sie nur so über ihr Kind sprechen? Liebte sie es denn nicht? Franziska konnte spüren, dass es ihr mit jedem Tag gleichgültiger wurde, was für ein Geschlecht da in ihr heranwuchs. Es war ihr Kind und sie liebte es jetzt schon abgöttisch. „Aber...“ Sie wurde sofort von Anna unterbrochen: „Nichts aber. Ich kann mir keine Kastration leisten. Also muss ich es dann verkaufen. Es ist zwar blöd, aber dann werde ich mir mit Hilfe von In Vitro ein Mädchen von den Erzeuger holen. Ich hab damit kein Problem.“ „Ja, du hast es gut. Deiner existiert ja noch. Aber meiner.“ Erneut verstummte Franzi. Was sollte sie sagen? Ihr gefiel sonst kein anderer Erzeuger und der Gedanke, dieses Kind wegzugeben, schmerzte ungemein. Es war ihre einzige Möglichkeit und es musste funktionieren. „Dann musst du dir halt einen anderen aussuchen. Als wäre das nicht möglich. Sei halt nicht so verbohrt, Franzi. Die haben wirklich schöne Erzeuger. Nur gutes Material. Sie alle werden dir bezaubernde Kinder ermöglichen.“ Anna legte ein paar Kleidungsstücke in ihren Einkaufswagen und auch Franzi suchte sich das ein oder andere aus. Sie hatten von der Regierung einen Gutschein bekommen für die Erstausstattung, aber ihre anfängliche Freude wurde leicht getrübt. Klar, es wäre schön, wenn sie wüsste, dass es ein Mädchen war und sie es so behalten durfte. Aber was tat sie, wenn es nicht der Fall war? „Oh, schau mal, Franzi! Das Bettchen ist doch richtig süß!“ Anna blieb vor einer Wiege mit Rüschenhimmel stehen. In das Holz waren kleine Bären eingearbeitet, die auf Wolken schliefen und auch die Bettwäsche und der Himmel waren mit schlafenden Babytieren verziert. Ja, es war wirklich süß. „Ja.“ Sie lächelte kurz gequält und legte noch einmal ihre Hand auf den Bauch. Warum konnte sie sich auf das Kind nicht freuen? Es würde noch ein paar Wochen dauern bevor sie das Geschlecht erfuhr. Aber mit jedem Tag, der verging, spürte sie, dass es ihr immer unwichtiger wurde. Hauptsache das Kind war gesund. Doch sie schwieg. Schließlich wusste sie, wie unbeliebt man sich mit solchen Aussagen machen konnte. „Das nehme ich. Willst du es auch?“ Franzi nickte nur als Antwort und Anna nahm zwei Bestellkärtchen aus dem Ausstellungsstück, bevor sie zusammen weitergingen. Sie brauchten noch ein paar andere Sachen und mit jeder Sekunde, die sie Anna länger zuhörte, wurde ihre Laune schlechter. War es richtig sich schon so stark hinein zu steigern? Was wenn sie die Kinder nicht behalten konnten? Ja, Anna machte dann einfach eine In Vitro. Aber sie? Was würde Franzi tun? Sie war sich da nicht mehr so sicher. Sollte sie wirklich? Konnte sie? Sie wollte doch niemand anderen. Warum musste er auch ausbrechen und sterben? Hätten sie ihn nicht wieder einfangen können? Das wäre doch viel besser gewesen! Es war lächerlich. Warum wollte sie kein Kind von einen anderen? Wieso nur von ihm? Alleine bei dem Gedanken an ihn schlug ihr Herz schneller und wenn sie ein anderes Kind austrug, fühlte es sich wie Verrat an. Alleine der Gedanke daran wirkte falsch auf sie. Franzi schüttelte den Kopf und folgte Anna weiter. Suchte Spielzeug, Kleidung und Möbelstücke aus. Ja, vielleicht hatte sie ja Glück und es wurde ein Mädchen. Aber wenn nicht. Dann... Franzi wollte nicht weiterdenken, denn sie wollte diese Optionen vergessen. Sie sollten nicht existieren und trotzdem waren sie da. Eiskalt und erbarmungslos legten sie sich auf ihren Nacken und flüsterten ihr immer wieder ins Ohr, dass es so war. So und nicht anders. Niemals würden sie verschwinden. Denn das war ihre Welt. Ihre Wahl. Ihr Utopia...
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