Kapitel 2: Verrat

918 Words
Kapitel 2: Der Verrat Jason Am nächsten Tag begab ich mich in ein kleines Dorf am Rand der verwüsteten Gebiete, einen Ort, an dem sich die Überlebenden meines Clans nach dem Angriff versammelt hatten. Der Staub und die Asche lagen in der Luft, ein lebendiges Gedächtnis an das Massaker, das über uns hereingebrochen war. Das Dorf war noch von Leiden gezeichnet. Aber es war nicht mehr als ein Symbol dessen, was wir verloren hatten. Ich schlich heimlich zwischen den Ruinen umher und vermied die Blicke der ehemaligen Mitglieder meines Clans. Ihre Anwesenheit machte mich unbehaglich, denn jedes Gesicht erinnerte mich daran, was ich verloren hatte. Was ich geschworen hatte zu rächen. Ich hatte nur ein Ziel vor Augen: Alistair. Aber vorher gab es Informationen zu sammeln, Verbündete zu überzeugen und Bewegungen vorauszusehen. Ich fand Kalen in der Dorfschenke, einen vertrauenswürdigen Mann, einen alten Krieger, der den Angriff überlebt hatte. Sein Gesicht war von den Jahren gezeichnet, aber seine Augen bewahrten den gleichen Glanz der Entschlossenheit. "Jason," sagte er, während er ein Glas Wein hob, um mich zu begrüßen, "Du bist nicht gekommen, um Wein zu trinken." Ich setzte mich ihm gegenüber, die Atmosphäre war schwer. "Ich brauche Informationen. Alistair ist nicht weit weg, und ich bin bereit, ihn zu finden. Aber wir brauchen mehr Informationen über seine Bewegungen." Kalen nickte langsam, sein Blick durchdrang den leeren Raum hinter mir. "Er ist viel gerissener, als du denkst, Jason. Sein Einfluss reicht weit über das hinaus, was man glaubt. Aber... ich kann dir in dieser Suche nicht helfen, noch nicht." Ich runzelte die Stirn, gestört von seiner Antwort. "Warum nicht?" Kalen seufzte und senkte den Blick auf sein Glas. "Es gibt etwas, das du nicht weißt. Etwas Größeres als die bloße Rache. Hier sind Mächte am Werk, Mächte, die sich nicht durch Gewalt lösen lassen. Und deine Sturheit könnte uns noch mehr kosten." In seinen Worten lag eine Wahrheit, aber sie schürten nur die Verwirrung, die in meinem Geist wuchs. Ich ballte die Fäuste und versuchte, die Impulsivität zu kontrollieren, die drohte, mich zum Ausbruch zu bringen. "Wenn du Informationen hast, will ich sie jetzt hören, Kalen." Er fixierte mich einen langen Moment, bevor er flüsterte: "Alistair ist nicht allein. Es gibt einen Zirkel, eine Gruppe alter Vampire, die ihn unterstützen. Und es gibt einen unter ihnen... einen Verräter unter den unseren." Mein Herz zog sich zusammen. Ein Verräter unter meinen Leuten. Das änderte alles. "Wer?" fragte ich, während mein Geist bereits die Gesichter derer durchging, die ich kannte. Kalen beugte sich vor und murmelte die Worte, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließen: "Es ist Freya." Ich erstarrte. Der Name traf mich wie ein Schlag. Freya... die einzige Person, in der ich begonnen hatte, ein wenig Menschlichkeit zu sehen, kaum mehr als eine Feindin. Aber die Vorstellung, dass sie in den Verrat an meinem Clan verwickelt sein könnte... Das schien mir unmöglich. "Nein," antwortete ich mit rauer Stimme. "Du irrst dich. Sie hat damit nichts zu tun." Kalen schüttelte den Kopf. "Ich weiß, was du denkst, aber du musst die Augen öffnen, Jason. Sie ist mit Alistair verbunden, mit seiner Vergangenheit, mit seinen Plänen. Sie wird manipuliert, ja, aber sie kann sich nicht davon befreien. Noch nicht." Eine schwarze Wut überkam mich. Ich wollte ihn anschreien, ihm zurufen, dass das alles ein Fehler war, aber tief in mir war ein Samen des Zweifels gesät worden. Ein Zweifel, dem ich mich bis jetzt nicht stellen wollte. Und wenn Kalen recht hatte? Und wenn Freya auch ein Opfer von Alistair war, dazu verurteilt, seinen Befehlen zu folgen? Ich stand abrupt auf und warf Kalen einen letzten Blick zu, dessen Augen eine schwere Besorgnis zu tragen schienen. "Ich werde die Wahrheit finden. Und ich werde wissen, auf welcher Seite sie steht." Kalen sah mir nach, ohne ein Wort zu sagen. Aber in seiner Stille lag eine Warnung. Eine Warnung, die ich noch nicht bereit war zu hören. Noch nicht. Als ich die Dorfschenke verließ, spürte ich eine vertraute Präsenz hinter mir. Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, wer es war. Freya. Sie hatte das Gespräch gehört oder vielleicht hatte sie es gespürt. Ihr Schatten zeichnete sich im schwindenen Licht der Sonne ab. "Spionierst du mich jetzt?" fragte ich, meine Stimme kälter, als ich gewollt hatte. "Ich spioniere nicht, Jason," antwortete sie ruhig. "Ich mache mir Sorgen um dich." Ich antwortete nicht sofort, meine Gedanken wirbelten. Aber schließlich drehte ich mich um und sah ihr direkt in die Augen. "Es gibt Dinge, die du mir nicht gesagt hast, Freya. Dinge, die ich anfange zu verstehen… Und einige davon lassen mich an dir zweifeln." Sie blieb einen Moment lang still, bevor sie tief seufzte. "Ich bin die letzte Person, an der du zweifeln solltest, Jason. Aber ich weiß, warum du das tust, ich weiß, warum du alles zerstören willst. Und genau deshalb werde ich dir die Wahrheit sagen." Sie trat näher zu mir, und ich spürte diese seltsame Spannung, sowohl vertraut als auch fremd. "Alistair ist nicht das, was du glaubst. Auch ich nicht. Du kennst nicht die ganze Geschichte. Und wenn du mich wirklich kennenlernen willst, musst du aufhören, alles in Schwarz und Weiß zu sehen." Ihre Worte trafen mich ins Herz, und ich fühlte diesen tiefen Schmerz, diese Verwirrung, mich im Inneren quälen. Aber ein Teil von mir wusste, dass ich ihr die Chance geben musste, alles zu erklären. Ein anderer, dunklerer Teil sagte mir, dass es nur eine weitere List war. "Also, sag mir alles," murmelte ich.
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