2. Kapitel

1849 Words
Ich wusste, dass ich eigentlich keinen besonderen Grund hatte, nervös zu sein. Schliesslich hatte ich meinen ersten Schultag an der High School hier in Kalifornien bereits vor einem Jahr gehabt. Doch heute war der erste Schultag als Freundin von Ethan Black, dem berüchtigen Badboy der gesamten Gegend. Das wusste ich auch mit Sicherheit, denn meine Brüder lagen mir am Anfang unserer Beziehung schwer damit in den Ohren. Von Schlägereien über illegale Autorennen und sogar Drogen war alles in ihren Erzählungen mit dabei gewesen. Ich konnte mir jedoch auch gut vorstellen, dass meine Brüder sich da noch so einige pikante Details dazugereimt hatten.  Jedenfalls war Ethan an unserer Schule bisher als der Play Boy bekannt gewesen, der einfach alles flachlegt, das Brüste und einen geilen Arsch hatte.  Was die anderen wohl sagten, wenn sie erfuhren, dass er nun in festen Händen war?  Die bessere Frage war vermutlich eher, ob sie es überhaupt erfahren würden. Denn ich wusste, dass Ethan seinen Ruf und was die anderne über ihn dachten sehr wichtig war. Wollte er möglicherweise gar nicht, dass unsere Mitschüler etwas über uns erfuhren? Diese Frage wurde mir direkt auf dem Parkplatz vor der Schule abgenommen, als Ethan meine Hand ergriff, kaum war ich aus dem Wagen gestiegen. Es ging nur wenige Sekunden bis die ersten uns zusammen gesehen hatten, und ich verspannte mich schlagartig. „Süsse? Was ist denn los?", fragte mich Ethan leise, der mein Unbehagen bemerkt hatte.  „Sie tuscheln" antwortete ich knapp.  Der Badboy neben mir lachte. „Wieso wirft dich das so aus der Bahn? Im letzten Jahr gab es deinetwegen schliesslich mehr als genug Getuschel." Da hatte er recht. Ich hatte meinen Mitschülern im letzten Schuljahr mehr als genug Gesprächsmaterial gegeben. Zum Ersten hatte ich mich mehrere Male mit der Schulbitch und Cheerleaderkapitänin Tessa Hollister angelegt, ich hatte mich vom hässlichen Entlein in einen Schwan verwandelt (sehr übertrieben und selbstüberzeugt ausgedrückt), ich war dem Cheerleaderteam beigetreten - und zudem das 'beste Pferd im Stall' geworden - und nach wenigen Wochen war ich wieder ausgetreten. Ausserdem erfuhren meine Mitschüler erst nach einigen Monaten, dass ich die Schwester der Badboys Nummer zwei, drei, fünf und sechs war. Zusäztlich wollte ich gar nicht erst wissen, was alles für Gerüchte herumgegangen waren, nachdem ich drei Wochen vor den Sommerferien mitten im Unterricht zusammen gebrochen und danach für die restlichen drei Wochen von dem Unterricht suspensiert worden war.  Ethan zog mich sanft zu seinem drei Kumpels Jacob, Jason und Derek, die Badboys Nummer vier, sechs und sieben. Sie sahen alle gut aus, wie der Rest der Gruppe, doch Ethan konnte niemanden übertreffen. Er war gross, hatte duneklbraunes Haar und braune Augen, in die ich mich jeden Tag aufs Neue verliebte. Er war braun gebrannt, sehr muskulös und ausserdem der Kapitän des Footballteams der Schule. Für mich war es kein Wunder, dass ihn so ziemlich jedes Mädchen der Schule anhimmelte... „Nati, unsere Kriegerin! Wie geht es dir?" Derek kam uns mit einem riesen XXL Grinsen entgegen und drückte mich an seine Brust. Dabei liess ich Ethans Hand nicht los und ich hatte das Gefühl, dass er meine noch fester hielt als zuvor.  Derek, Jason, Jacob und meine beiden besten Freunde Roxie und Logan waren die Einzigen, die von meiner Krankheit wussten und was ich alles durchmachen musste. Seitdem nannte Derek mich eben Kriegerin. Insgesamt war er mir wahnsinnig ans Herz gewachsen, was eventuell damit zu tun hatte, dass er selber auch einen an der Klatsche hatte.  Ich antwortete ihm mit einem genau so fetten Grinsen:„Alles palletti, danke. Und bei dir?" Derek legte mir seinen Arm um die Schultern, sodass ich zwischen ihm und Ethan stand.  „Jetzt da du da bist, scheint die Sonne schon viel heller." Er wuschelte mir mit der Hand durch die Haare, worauf ich lachen musste. „Derek!"  Ethans Händedruck wurde noch stärker, sodass ich mir Mühe geben musste, nicht das Gesicht zu verziehen. Statt dessen stellte ich mich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Ethan sah zu mir herunter und sein starrer Gesichtsausdruck wurde augenblicklich weich. Ich liebte es zu sehen, wie er seine Maske für mich fallen liess und mich so ansah.  Als ich meinen Blick wieder nach vorne wandte, um auch Jason und Jacob zu begrüssen, sah ich in das finstere Gesicht von Jacob. Wie der genau drauf war, wusste ich immernoch nicht. Manchmal war er richtig freundlich zu mir, doch es gab auch Tage, da hatte ich das Gefühl, dass er mich nicht ausstehen konnte.  Jason war immer eher ruhig und hielt sich zurück (ausser wenn es darum ging Mädchen flachzulegen). Auch jetzt zwinkerte er mir einfach lächelnd zu und ich lächelte schief und etwas errötend zurück. Kaum konnte jemand noch etwas sagen, wurde ich schon vom nächsten Wirbelwind umgeworfen - im wahrsten Sinne des Wortes! Denn ein mir allzu bekannter Braunschopf warf sich auf mich, sodass ich Ethans Hand loslassen musste. Der Schwung, den meine beste Freundin mit sich brachte liess uns nach hinten fallen, worauf Aiden uns auffangen musste.  Wieder kam ich nicht dazu irgendetwas zu sagen, da sich noch jemand auf uns stürzte, uns beide hochhob und schrie:„Das goldene Trio ist wieder vereint!"  „Logan, Luft!", hechelte ich als Antwort. Sofort stellte Logan uns wieder auf den Boden und ich betrachtete meine beiden besten Freunde grinsend. Roxie hatte vom Aussehen her eine grosse Ähnlichkeit mit Bella aus Twilight. Braune, brustlange Haare, kastanienbraune Augen, doch vom Charakter war sie, wie bereits erwähnt, ein regelrechter Wirbelwind. Logan hatte schwarze Haare und grün-braune Augen. Vor allem wenn er grinste, hätte er locker als einen Kobold durchgehen können (wenn es Kobolde geben würde jedenfalls). Logan war wie meine Brüder und die Badboys im Footballteam, während Roxie bei der Schülerzeitung arbeitete. Ausserdem waren die beiden nun schon seit fast einem halben Jahr zusammen.  „Wir übernehmen hier jetzt. Danke, dass ihr so gut auf sie aufgepasst habt!", meinte Roxie locker, packte meinen Arm und zog mich weg von den Jungs. Als ich über die Schulter zurück schaute, sah mich meine grinsenden und Kopf schüttelnden Brüder, drei irritiert Badboys und einen verdutzt guckenden Ethan. Ich musste lachen und winkte ihnen über die Schulter hinweg zu.  Was sollte ich sagen? Das waren meine Freunde.  „Und? Wie ist es gestern Abend gelaufen?", fragte Roxie mich zwinkernd und Logan nickte wissend. Ich hatte ihnen erzählt, was ich vorhatte oder besser gesagt, was ich vermutete, was passieren würde. Ich seufzte. „Meine geliebten Geschwister sind reingeplatzt und haben den Abend mit uns zusammen verbracht", erklärte ich ihnen etwas schmollend.  „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?", fragte Roxie misstrauisch.  „Ich wünschte, ich würde mir mit euch bloss einen Spass erlauben, aber so ist es leider nicht. Plötzlich waren sie einfach da und erklärten mir, dass wir den Abend gemeinsam verbringen würden. Ich weiss genau, dass Dylan dahinter steckt! Jedenfalls haben sie mich nach dem Essen gleich mit nach Hause genommen und liessen mir keine Zeit mehr mit Ethan allein zu sein. Ende der Geschichte", sagte ich frustriert und fuhr mir mit den Fingern durch die Haare.  „Argh! Ich kann Dylan einfach nicht ausstehen! Der geht mir so richtig auf den Keks!" Roxie war nun sichtlich wütend.  Nicht nur sie konnte meinen Bruder nicht ausstehen, sondern auch umgekehrt. Dylan mochte Roxie auch nicht besonders und machte sich bei jeder Gelegenheit über sie lustig oder lässt abfällige Bemerkungen fallen. Ich hatte keine Ahnung, weshalb er sich bei ihr so daneben verhielt, aber ich war mir auch nicht sicher, ob ich das wirklich wissen wollte.  „Hast du gerade etwas zu mir gesagt?!", kreischte eine weiblich Stimme, die ich über die Sommerferien wohl am wenigsten vermisst hatte. Meine Freunde verdrehten bloss die Augen, doch ich marschierte zielstrebig in die Richtung, aus der die Stimme kam. Die Quelle war nicht schwer ausfindig zu machen, da sich hinter ihr etwa zehen Cheerleaderinnen befanden und abfällig kicherten oder böse guckten.  „Ich wollte dich doch bloss fragen, wo das Sekretariat ist", murmelte ein Mädchen, das ich hier noch nie gesehen hatte. Definitiv gehörte sie zu den Neuen und somit jüngsten an dieser Schule.  Dass Tessa wieder nur auf die Schwachen ging, war so typisch für sie, und es machte mich wahnsinnig wütend.  Vor ziemlich genau einem Jahr hatte ich diese Situation auch schon einmal erlebt. Tessa hatte damals auch schon eine jüngere Mitschülerin runtergemacht, worauf ich eingeschritten war, da ich selbst schon oft an der Stelle des schwachen Opfers gestanden hatte. Das war jedoch nur auf meiner alten High School in Phoenix so. Deshalb waren wir hier her gezogen. Damit ich mir eine neue Persönlichkeit aufbauen konnte. Jetzt konnte ich mich wehren und ich wusste auch die anderen zu verteidigen.  „Tessa. Tessa. Tessa...", tadelte ich sie und lief vom Rand des Kreises, der sich aus schaulustigen Schülern geblidet hatte, die teilweise sogar schon ihre Handys gezückt hatten, auf sie zu. Diese Gesellschaft von heute. „Es scheint dir gar nicht gut getan zu haben, dass ich drei Wochen früher in die Sommerferien entlassen worden bin. Du führst dich ja auf, als gehöre dir die Schule! Hast du denn im letzten Jahr gar nichts gelernt?" Ich stellte mich schützend vor das Mädchen und verschränkte die Arme vor der Brust.  „Sie mal an. Nati ist wieder da! Und wie immer vollkommen in der Beschützerrolle derjenigen, die sich nicht selbst wehren können. Wie rührend", meinte Tessa abschätzend und mit einer eiskalten Stimme, die ich bereits oft bei ihr gehört hatte.  „Und du bist wieder in der Rolle der möchtegern Mächtigen an dieser Schule. Du solltest dir vielleicht ein anderes Image zulegen. Dieses hier kommt einfach nur armselig rüber", überlegte ich und tat so, als wäre es eine gutgemeinte Beratung.  „Das sagt ausgerechnet die mit dem entstellten Gesicht!", lachte Tessa böse und ich zuckte zusammen. Ich musste mich sehr zusammenreissen, damit ich nicht ins Schwanken kam.  Vor einigen Monaten, als ich Ethan noch nicht so sehr mochte wie jetzt, hatte ich ich einen Surfwettbewerb mit ihm angezettelt. Leider war ich etwas unvorsichtig und geriet in einen riesengrossen Quallenschwarm. Drei Quallen hatten mich an der Wange, am Hals und am Fuss erwischt. Den ganzen Rest des Jahres hatte ich die Narben abgeklebt gehabt, damit sie in der Sonne nicht erbleichten. Ich hatte völlig vergessen, dass ich mich hier vorher noch nicht ohne Pflaster im Gesicht hatte blicken lassen. Die Narben waren zwar nicht besonders auffällig, aber dennoch konnte man sie gut sehen. Die eine zog sich von meinem rechten Auge über die Wange bis zum rechten Ohr. Die andere nahm fast meinen gesamten Hals in Anspruch. Es mag sein, dass sie mein Gesicht etwas verunstalteten, aber meine Freunde liebten mich trotzdem. Ethan liebte mich trotzdem. Was gab es also wichtigeres? „Hab ichs doch gewusst", riss Tessa mich aus meinen Gedanken und lächelte böse.  „Was hast du gewusst?", fragte ich sie provokant. „Dass es mir nichts ausmacht, so auszusehen? Dass die Narben zu mir gehören? Immerhin versuche ich sie nicht mit Tonnen von Make-up zu vertecken! Sag mal Tess: Was versteckst denn du hinter all deinem Make-up?" Tessa sah mich an, als hätte ich ihr ins Gesicht gespuckt und brachte kein Wort mehr heraus. Entweder hatte ich einen wunden Punkt getroffen oder ich hatte sie bloss überrascht. Mir war es eigentlich egal, denn so oder so, ich hatte diesen Kampf gewonnen.  Ich drehte mich zu dem neuen Mädchen um, das mich mit grossen Augen ansah.  „Komm mit. Ich zeige dir das Sekretariat", meinte ich lächelnd und nickte in die Richtung, in die wir langgehen mussten.
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