Neue Verbindungen

1066 Words
Der Rest der Woche begann mit den üblichen Routinen, aber in mir hatte sich etwas verändert. Das Gespräch, das ich zwischen meinem Vater und Jenny mitgehört hatte, ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Es war seltsam, aber irgendwie hatte es mir das Gefühl gegeben, dass ich nicht ganz allein war. Jenny’s Worte, ihr Verständnis – das war mehr, als ich erwartet hatte. Am Mittwochmorgen erwachte ich mit einem Hauch von Vorfreude, einer Mischung aus Neugier und Nervosität. Ich zog mich an und ging in die Küche. Jenny saß wieder am Tisch, eine Tasse Kaffee in der Hand, und lächelte mich an, als ich den Raum betrat. „Morgen, Jules! Bereit für einen neuen Tag?“ „So bereit, wie man sein kann,“ antwortete ich mit einem kleinen Lächeln. „Das ist die richtige Einstellung,“ sagte sie und zwinkerte. „Dein Vater ist noch im Bad, aber das Frühstück ist schon fertig. Setz dich doch.“ Ich nahm mir ein Brötchen und schmierte es mit Butter, während Jenny mich musterte. „Weißt du, ich habe gestern über etwas nachgedacht,“ begann sie. „Ich habe deinen Vater gefragt, was dich beschäftigt. Und ich hoffe, das ist okay für dich. Aber ich wollte nur sagen: Wenn du jemals mit jemandem reden willst, ich bin da.“ Ihre Worte trafen mich unerwartet tief. Ich konnte nur nicken, unfähig, etwas zu sagen. Es war nicht unangenehm – im Gegenteil. Es war, als würde jemand eine Hand ausstrecken, nach der ich lange gesucht hatte. Als mein Vater die Küche betrat, verstummten wir beide, aber ich wusste, dass das Gespräch noch nicht zu Ende war. In der Schule verlief der Vormittag weitgehend ereignislos. Doch immer wieder, wie schon in den letzten Tagen, trafen Noah’s und meine Blicke aufeinander. Es war nie geplant, nie bewusst – und doch passierte es. Ein kurzer Moment, ein Lächeln von ihm, ein leichtes Kribbeln bei mir. Jedes Mal schlug mein Herz ein bisschen schneller, und ich fragte mich, ob er es auch spürte. In der Mittagspause setzte ich mich mit Hannah an unseren üblichen Tisch. Sie schien genau zu wissen, was in mir vorging, und grinste mich verschwörerisch an. „Also, Jules, erzähl schon. Was läuft zwischen dir und Noah?“ Ich schüttelte den Kopf. „Gar nichts. Wir haben kaum miteinander gesprochen.“ „Aber eure Blicke sagen etwas anderes,“ erwiderte sie und stützte ihr Kinn auf die Hände. „Er mag dich, das sehe ich doch.“ „Oder er ist einfach nur freundlich,“ murmelte ich. „Vielleicht bilde ich mir das alles nur ein.“ „Du bildest dir gar nichts ein,“ sagte sie entschieden. „Aber wenn du so weitermachst, wirst du es nie herausfinden. Vielleicht solltest du mal mit ihm reden.“ Die Vorstellung, ein Gespräch mit Noah zu beginnen, ließ meinen Magen sich zusammenziehen. „Ich weiß nicht, ob ich das kann.“ Hannah legte eine Hand auf meine. „Du kannst mehr, als du denkst, Jules. Vertrau mir.“ Der Tag ging zu Ende, und ich kehrte nach Hause zurück. Jenny war wieder da, und sie hatte sich mit meinem Vater in der Küche eingerichtet, um zusammen zu kochen. Es war ein seltsames Bild – seltsam, aber auch schön. Das Haus wirkte lebendiger, wärmer. Sie lachten, während sie die Zutaten vorbereiteten, und als ich hereinkam, begrüßte Jenny mich mit einem breiten Lächeln. „Jules! Gerade rechtzeitig. Willst du uns helfen?“ „Ich bin nicht so gut im Kochen,“ gab ich zu. „Dann ist es an der Zeit, das zu lernen,“ sagte sie und reichte mir ein Messer. „Hier, du kannst das Gemüse schneiden. Keine Ausreden.“ Ich lachte leise und nahm das Messer. Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass ich mich zu Hause wirklich willkommen fühlte. Jenny hatte diese Fähigkeit, Menschen in ihrer Umgebung zu beruhigen, sie zum Lächeln zu bringen. Selbst mein Vater wirkte entspannter, glücklicher. Nach dem Essen setzten wir uns ins Wohnzimmer, und mein Vater schlug vor, einen weiteren Film zu schauen. Jenny und ich tauschten einen Blick aus, und sie grinste. „Hast du einen Vorschlag, Jules?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Vielleicht etwas Lustiges?“ „Lustig klingt gut,“ sagte sie, und wir einigten uns auf eine Komödie. Während des Films fiel mir auf, wie sehr ich Jennys Gesellschaft genoss. Sie war nicht nur eine Freundin für meinen Vater, sondern begann auch, ein Teil meines Lebens zu werden. Ein Teil, den ich nicht missen wollte. Am nächsten Tag in der Schule war es wieder dasselbe Spiel: Noah’s und meine Blicke trafen sich immer wieder, und jedes Mal spürte ich dieses Kribbeln. Doch diesmal war es anders. In der letzten Pause nahm er all seinen Mut zusammen und kam auf mich zu. „Hey, Jules,“ sagte er, und seine Stimme klang leicht nervös. „Ich wollte nur sagen, dass du echt cool bist. Ich meine, du hast so eine ruhige, entspannte Art. Das finde ich beeindruckend.“ Ich war so überrascht, dass ich zuerst nichts sagen konnte. Dann brachte ich ein „Danke“ hervor und hoffte, dass ich nicht zu dumm klang. „Vielleicht können wir mal quatschen? Oder so?“ fragte er und strich sich verlegen durch die Haare. „Ja, klar,“ antwortete ich und spürte, wie meine Wangen heiß wurden. Er lächelte, und für einen Moment schien die Welt stillzustehen. Am Abend, zurück zu Hause, erzählte ich Jenny davon. Sie hörte aufmerksam zu, ein warmes Lächeln auf ihrem Gesicht. „Siehst du, Jules? Manchmal passieren gute Dinge, wenn man es am wenigsten erwartet. Vielleicht ist Noah ja jemand, der wirklich versteht, wie besonders du bist.“ Ihre Worte gaben mir Mut, und ich begann zu glauben, dass sie vielleicht recht hatte. Der Rest der Woche verging wie im Flug. Ich wurde mutiger, sprach ein bisschen mehr mit Noah, und jedes Mal fühlte es sich leichter an. Jenny und ich wuchsen immer mehr zusammen, und ich begann, sie als eine echte Vertraute zu sehen. Am Freitagabend, als ich ins Bett ging, hatte ich das Gefühl, dass sich etwas verändert hatte. Mein Zuhause fühlte sich nicht mehr wie ein Ort des Versteckens an, sondern wie ein Ort, an dem ich langsam ich selbst sein durfte. Und vielleicht, dachte ich, war das der Anfang von etwas Neuem – für mich, für meinen Vater und für uns alle.
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