Chapter five

1382 Words
„Sehe ich etwa so aus, als wäre ich mir unsicher?" Wieso antwortet sie immer mit einer Gegenfrage? Kann sie nicht einfach mit ja oder nein antworten? Ist das so schwer? Es schafft doch sonst jeder andere Mensch, warum dann nicht auch sie? „Sie sind gar nicht in der Lage zu beurteilen, was wichtig und was unwichtig für Sie ist", höre ich mich sagen und würde mir selbst am liebsten eine Kopfnuss dafür verpassen. Weshalb mache ich es nur schlimmer und provoziere sie weiter? Kann ich nicht einfach die Klappe halten und unnötigen Konfrontationen aus dem Weg gehen? Das gleiche denkt sie sich anscheinend auch, da ihre ordentlich gezupften Augenbrauen in die Höhe schießen und meine Aufmerksamkeit auf die kleine Narbe an ihrem Haaransatz lenken. Selbst in dem dumpfen Licht der Lampen kann man die weiße dünne Linie erkennen, die wenige Zentimeter vor ihrer Kopfhaut beginnt und dann in ihrer braunen Mähne verschwindet. Eine braune Mähne, die ich gerne um meine Hand wickeln würde, während sie mir mit ihren vollen Lippen einen... „Ach und das wissen Sie woher?" „Nennen Sie es Lebenserfahrung." Halt die Fresse, bevor... „Dann haben Sie also mehreren Frauen an den Kopf geworfen, dumm zu sein?" „So habe ich das jetzt nicht gesagt. Ich habe bloß..." „Aber gemeint. Sie haben es genauso gemeint", entgegnet sie stur und sieht mir erbarmungslos in die Augen. Sie weicht wieder nicht zurück, sondern geht in die Offensive. Und blöderweise gefällt das einigen Körperteilen von mir besonders. Ich beiße die Zähne zusammen und blende das leichte Ziehen in meiner Leistengegend aus. Wie pervers wäre ich bitte, wenn mich ihre Dickköpfigkeit anturnen würde? „Ich habe lediglich damit gemeint, dass Sie es nicht hinkriegen Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Das zeigen Sie wieder einmal ganz deutlich, da Sie keinerlei Respekt vor mir haben." „Wieso sollte ich Respekt vor Ihnen haben, wenn Sie mich noch nicht einmal tolerieren?" Sie hebt ihren Kopf und streift mit ihrer schmalen Nase fast mein Kinn. „Denken Sie wirklich ich lasse mich wie einen Fußabtreter behandeln?" Das habe ich echt gehofft, das hätte die Situation um einiges leichter gemacht. „Nein", antworte ich in derselben niedrigen Lautstärke wie sie und ignoriere die Tatsache, dass ich ihren warmen Atem auf meinen Lippen spüren kann. Ich versuche einfach die versauten Gedanken, die bei dem Anblick ihres vollen Mundes entstehen zu ignorieren und meinen Schwanz unter Kontrolle zu kriegen. „Dann hören Sie verdammt nochmal auf, mir solche hirnlosen Anschuldigungen an den Kopf zu werfen!", erwidert sie barsch und setzt sich in Bewegung. Das Geräusch ihrer sexy High-Heels hallt in der Tiefgarage wider, während sie an mir vorbei stolziert. Sie lässt mich perplex zurück und scheint nicht zu begreifen, was sie damit angerichtet hat. Woher soll sie auch wissen, dass ich mit meiner geballten Faust am liebsten in das weiße Material ihres Wagens schlagen würde? Dass ich einen animalischen Schrei von mir geben und meiner Wut, über ihren abrupten Abgang, freien Lauf lassen möchte? Dass ich sie an mich ziehen und ihr das Hirn aus dem Schädel vögeln will? All das kann sie nicht wissen, weil sie viel zu hitzköpfig ist. Ehe ich mich versehe und es mir nochmal anders überlegen kann, setze ich mich ebenfalls in Bewegung. Einige lange Schritte später, schlüpfe ich gerade noch rechtzeitig in den Aufzug hinein, bevor sich die Türen lautlos hinter mir schließen. Als hätte sie gewusst, dass ich ihr folgen würde, steht sie in der hintersten Ecke und lehnt ihren Rücken gegen den Spiegel. Den blitzblank polierten Spiegel! „Sie müssen unbedingt an Ihrem Verhalten arbeiten", spreche ich das erste aus, was mir in den Sinn kommt und spüre wie sich der Aufzug kaum merklich in Bewegung setzt. Anstatt locker zu lassen, rücke ich ihr weiter auf die Pelle. Ich brauche unbedingt einen plausiblen Grund, um sie endlich feuern zu können. Obwohl mir Peter deutlich weisgemacht hat, mir darüber keine Sorgen zu machen. Er meinte, ich solle ihm vertrauen und das Mädchen ihr eigenes Schicksal entscheiden lassen. Wenn sie nämlich wirklich so blöd ist und auch nur einen Versuch startet uns zu hintergehen, würde er sich höchstpersönlich um sie kümmern. Ohne jeglichen Zweifel würde er sie zerstören, sie ihr Familie und alles was ihr wichtig ist. Aber ich will nicht, dass erst etwas Schlimmes passieren muss, damit sie von der Bildfläche verschwindet. Ich will sie hier und jetzt loswerden, denn ihre pure Anwesenheit geht mir gewaltig gegen den Strich. Ihre freche Art, ihr überlegener Gesichtsausdruck und ihr sexy Körper sind nicht gut für die Firma. Und für mich. Entweder kann sie meine Gedanken lesen oder sie sieht es in meinen Augen, da ihre Mundwinkel zucken kaum merklich und sie legt ihre Hände um die silberne Stange hinter ihr. Ihre schwarze Handtasche, die gefühlt so groß ist wie meine Hand, baumelt an ihrem Handgelenk herunter und stößt sanft gegen ihren Oberschenkel. „Dann sollten Sie mir mit einem guten Beispiel vorangehen, finden Sie nicht?" „Ich bin nicht Ihr Vater, um Ihnen zu zeigen, wie man sich älteren Menschen gegenüber verhält." Mit diesem Konter hat sie wohl nicht gerechnet, da sie für einen Moment wie erstarrt ist. Die Stärke, diese verdammte Überlegenheit, weicht aus ihren blauen Augen und macht Platz für etwas Verletzliches, etwas Verwundbares. Wer hätte denn gedacht, dass die furchtlose Sage Harrington auch eine empfindliche Seite hat? Kann es sein, dass sie ihren Vater doch nicht so verehrt, wie sie tut? In den Medien schwärmt sie immer in höchsten Tönen von ihm – als ich sie an ihrem ersten Tag bezüglich William konfrontiert habe, hat sie ihn ebenfalls in Schutz genommen –, doch jetzt kann sie sich nicht einmal ein Lächeln aufzwingen. Sie kann es nicht mehr rückgängig machen, denn ich kenne ihren wunden Punkt. Einen Punkt, den ich nur zu gut kenne. Einen Punkt, der definitiv unter die Gürtellinie geht, mir aber dennoch wie gelegen kommt. „Wenn mir diese Menschen aber keinen Respekt erweisen, tue ich es genauso wenig. Es ist doch ein Geben und ein Nehmen. Außerdem sind Sie mit Ihren vierundzwanzig Jahren nicht sehr viel älter als ich." „Sechsundzwanzig, wenn ich bitten darf." „Ach, verzeihen Sie", sagt sie und platziert eine Hand auf die Brust. Die gespielte Entrüstung steht im totalen Gegensatz zu ihrem emotionalen Ausrutscher von gerade eben. Ob ich ihr einen weiteren entlocken kann? „Ich wollte Ihnen eigentlich kein Kompliment machen. Vergessen Sie einfach, was ich gesagt habe. Das war unangebracht und wird nicht wieder vorkommen, versprochen." Die Verabscheuung in ihren Augen unterstreicht ihren Sarkasmus nur. Passend zum hohen Ton des Aufzugs öffnen sich die Metalltüren und sie rauscht an mir vorbei. Dabei streift sie meinen Arm ganz leicht und hinterlässt eine unsichtbare Spur ihres Parfüms. Ich folge ihrem Duft mit ein paar Metern Verzögerung, bin drauf und dran sie an ihrem Handgelenk zu packen und umzudrehen, bis sie in den Gemeinschaftsbereich abbiegt und ich abrupt stehenbleibe. Die Mitarbeiter, die sich im Gang verbreitet haben, drehen ihre neugierigen Köpfe zu mir, wundern sich wieso ich hier bin. Normalerweise lasse ich mich bis zur Mittagspause weder in der Küche noch im Aufenthaltsraum blicken. Ich laufe schnurstracks in mein Büro und meide die Menschen bis frühestens zehn Uhr. „Alles in Ordnung?", fragt ein Typ im grauen Anzug. Keine Ahnung wie er heißt oder welchen Posten er hat, aber das ist mir auch völlig egal. Er soll sich um seinen eigenen Mist kümmern und aufhören mich so anzustarren, als wäre ich verrückt geworden. „Ja, ich wollte Sie nur daran erinnern, an die Arbeit zu gehen. Zeit ist Geld." Mit diesen Worten mache ich auf dem Absatz kehrt und stürme den Gang hinunter zu meinem Büro. Ich gebe mein Bestes keine Szene zu machen, die Tür nicht so laut zuzuschlagen wie mehrere Minuten zuvor und es gelingt mir auch. Es ist nicht das erste Mal, dass ich meine Wut und meine Frustration unterdrücken muss, ich bin darin fast schon ein Profi. Trotzdem geht mir die eingebildete Miss Harrington nicht aus dem Kopf. Kann sie ihren Vater wirklich nicht ausstehen oder habe ich bloß etwas falsch aufgegriffen? Ist das vielleicht der Knackpunkt und ich muss ihn nur clever genug benutzen? Kann ich sie so aus der Firma werfen, sie dazu bringen die Kontrolle zu verlieren oder gar von allein zu kündigen?
Free reading for new users
Scan code to download app
Facebookexpand_more
  • author-avatar
    Writer
  • chap_listContents
  • likeADD