1. Als ich sie das erste Mal sah ...
Mein erstes Date. Mein erstes Date mit einer Frau. Ich saß im Zug und ließ meinen Blick aus dem Fenster gleiten, aber ich sah kaum etwas von der Umgebung, denn meine Gedanken waren bei ihr. Sie ging mir schon lange nicht mehr aus dem Kopf und ich war so aufgeregt.
Wir hatten uns im Internet kennen gelernt, dann Handynummern getauscht und seit dem viel über w******p geschrieben. Und jetzt wollten wir uns endlich treffen, dass erste Mal.
Ich schloss die Augen, sah ihr Bild vor meinem inneren Auge, hörte ihre Stimme. Dabei stahl sich ein Lächeln auf meine Lippen und ich spürte, wie mein Puls sich beschleunigte. Ich hatte das Gefühl, sie schon eine ganze Ewigkeit zu kennen, wenn wir uns schrieben, war sie mir so nah. Ein wenig machte mir das Angst. Würde es auch so sein, wenn wir uns trafen? Würde da immer noch diese Vertrautheit sein? Diese Zuneigung? Würde sie mich mögen – mein Aussehen, meine Art?
Ich seufzte innerlich und atmete tief ein.
Mein Handy vibrierte in meiner Hand. Eine Nachricht von ihr! Noch 10 lange Minuten und wir würden uns endlich gegenüber stehen. Trotz aller Aufregung und Unsicherheit überwog dieses zarte und doch schon tiefe Gefühl der Sehnsucht. Wir wollten uns endlich begegnen, nicht nur virtuell, sondern im wirklichen Leben. Wir wollten uns überzeugen, ob auch das Gefühl, dass in unseren Herzen keimte, echt war oder nur eine Schwärmerei, ein Traum.
Wir brauchten Gewissheit.
Aus dem Lautsprecher kam die Ansage der nächsten Haltestelle.
Mein Ausstieg, unser verabredeter Treffpunkt.
Wir wohnten nicht gerade nah beieinander, was uns trotzdem nicht vom Kennenlernen und Verabreden abhielt. Wir hatten uns für eine Stadt etwa auf halber Strecke von jeden entschieden. So war es nicht zu weit, für keinen von uns und wir konnten uns auf neutralem Boden begegnen.
Der Zug wurde langsamer, mein Herzschlag dagegen schneller. Die Bremsen quietschten und es ging ein Ruck durch den Zug. Ich hielt meinen Rücksack fest, als befände sich darin mein Leben. Dabei war ich nur froh, irgendwo Halt zu finden. Ich stieg im Fluss der vielen Menschen aus und kämpfte mich durch bis zum Ausgang des Bahnhofs Richtung Innenstadt. Dort hatten wir uns verabredet. Als ich sie noch nirgends entdecken konnte, warf ich einen Blick auf die Anzeigentafel. Ihr Zug hatte 15 Minuten Verspätung. Nervös trat ich auf der Stelle und schaute immer wieder, ob sie unter den Menschen war, die gerade den Bahnsteig verließen.
Und dann sah ich sie und mir traf es wie einen Blitz, vielleicht war es auch Amors Pfeil, ich kann es nicht sagen, aber ich war einfach wie verzaubert und brachte kein Wort heraus, als sie schließlich vor mir stand. Sie begrüßte mich mit einem „Hi!“, lächelte und nahm mich einfach in die Arme, was das Eis bzw. meine Schüchternheit brach. In diesem Moment, den ich so lange herbei gesehnt hatte, sie endlich und wirklich zu spüren, ihren Duft einzuatmen, ihre Stimme zu hören, kam mir alles wie ein Traum vor, der doch Wirklichkeit war.
„Es ist so schön dich zu sehen.“ gestand sie mir und ich musste schlucken, so sehr zog sie mich in ihren Bann. Mehr als ein ehrliches „Ja!“ brachte ich nicht heraus und verfluchte heimlich meine Unsicherheit. Sie hatte ihren Hund dabei, den ich schon von ihren Erzählungen und Fotos kannte, eine helle Labrador Hündin, die interessiert an mir schnupperte. Mit Hunden hatte ich bisher keinerlei Erfahrung, aber ich mochte sie vom ersten Moment an, genauso wie ihr Frauchen.
Zuerst suchten wir uns ein nettes Café in der Innenstadt, nicht weit vom Bahnhof entfernt. Wir entschieden uns für einen Tisch draußen, an dem zwei Stühle standen und eine kleine Bank für zwei. Wir tauschten nur einen Blick mit einem Lächeln und wählten beide diese aus. Ihr Hund legte sich ganz entspannt unter den Tisch zu uns. Es war ein warmer Tag und wir bestellten uns zusammen einen Eisbecher mit Früchten und etwas zu trinken. Mit ihrer freundlichen, offenen und natürlichen Art holte sie mich aus meinem Versteck und ließ meine Unsicherheit nach und nach verschwinden. Ich fühlte mich einfach wohl in ihrer Nähe. Wir redeten über Gott und die Welt und lachten viel. Und da war nicht ein einziges Mal dieses peinliche Schweigen, vor dem sich jeder fürchtet. Doch zwischen uns stimmte einfach die Chemie. Da gab es eine Harmonie, die ich zu dem damaligen Zeitpunkt noch gar nicht begriff, aber spürte.
Auch das Wetter meinte es an diesem Tag sehr gut mit uns. Es schien, als strahlte die Sonne nur für uns zwei an einem freundlich blauen Himmel. Ich konnte nicht anders, als immer wieder in ihre wunderschönen Augen zu schauen. Wie magisch zogen sie mich an.
Da ich wusste, dass sie lieber in der Natur als im Gewimmel der Stadt unterwegs war, schlug ich einen Spaziergang durch den Park in der Nähe vor. Ich hatte mich ein wenig mit Google informiert und lotste uns dahin. Wir liefen einfach den Fluss entlang, der sich durch den Park schlängelte. Hier gab es viel Wiese und große Bäume säumten den Weg. Es war einfach perfekt. Ich mochte es, ihr zuzuhören, wenn sie begeistert von etwas sprach und genoss ihre Aufmerksamkeit, wenn ich ihr etwas erzählte. Wir verstanden uns, als würden wir uns schon ewig kennen. Es war unglaublich. Hin und wieder begegneten wir ein paar anderen Leuten, doch nahm ich diese kaum wahr. Ich hatte nur Augen für sie.
Schließlich kamen wir an einem Bootsverleih vorbei. Als wir danach den Fluss über eine weiße Bogenbrücke überquerten, blieben wir in der Mitte stehen und lehnten uns an das Geländer. Unsere Arme berührten sich ganz zufällig und allein das ließ mein Herz schneller schlagen. Zusammen blickten wir auf den Fluss, während ein Kanu unter uns hinweg fuhr. Wir sprachen nichts, sondern genossen nur den Augenblick und die Nähe, die wir teilten. Der Fluss führte uns weiter zu einem kleinen See. Dort entdeckten wir eine Bank unter einer großen Trauerweide, deren Äste bereits das Wasser berührten. Ein paar Enten, die sich am Ufer ausruhten, fühlten sich von unserer Anwesenheit oder die des Hundes gestört und zogen sich vorsichtshalber ins Wasser zurück. Dabei war ihre Hündin so brav und hörte aufs Wort. Sobald wir uns auf die Bank gesetzt hatten, legte sie sich wieder zu uns, so als wäre sie einfach nur froh dabei sein zu können. Während wir uns über dieses und jenes unterhielten, lagen unsere Hände auf der Sitzfläche ganz nah beieinander. Immer wieder überlegte ich, ihre zu berühren, aber traute mich nicht. Doch ich wusste auch, dass der Tag sich langsam dem Ende zu neigte und wir uns bald voneinander verabschieden mussten. Unsere Zeit zu zweit verging viel zu schnell und machte mir das Herz schwer.
Wir amüsierten uns gerade über eine Streiterei unter den Enten, da passierte es. Ich spürte eine hauchzarte Berührung. Ihr kleiner Finger streichelte mich kurz. Wie ein Blitzschlag traf es mich und ging mir durch und durch. Daraufhin nahm ich all meinen Mut zusammen und wagte es, diese Geste zu erwidern. Ich glaube, in diesem Moment hielt ich meinen Atem an, so bewegte es mich. Mein Puls fühlte sich an wie auf 180. Ich hoffte, dass sie meinen Herzschlag nicht hören konnte, denn ich vernahm ihn ganz deutlich in meinen Ohren. Es war nur eine winzige Berührung und bedeutete doch soviel.
Etwas später mussten wir, auch wenn wir es beide nicht wollten, uns auf den Weg zum Bahnhof machen. Bevor wir jedoch den Park verließen, blieb ich stehen und sah ihr direkt in die Augen. In zwei wundervolle, blau strahlende Augen. Ich musste schlucken und fürchtete meine Sprache verloren zu haben.
„Ich möchte dich wiedersehen.“ gestand ich vorsichtig, denn ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie sie darüber dachte. Doch dann strahlte sie mich mit einem Lächeln an, als würde die Sonne für mich aufgehen und mir war, als bliebe mein Herz genau in dieser einen Sekunde stehen.
„Ich auch. Unbedingt.“
Drei Worte.
Es waren nur drei Worte, aber ich fühlte, wie eine Woge von Glück meinen ganzen Körper durchflutete.
„Es war so wunderschön mir dir heute.“ sprach sie weiter und ich brachte nur ein unbeholfenes Nicken zustande, denn da war einfach nur ein unglaubliches Gefühl in mir. SIE WOLLTE MICH WIEDERSEHEN!
Als wir den Bahnhof erreichten, brachte ich sie noch zu ihrem Gleis.
Abschied.
Noch nie zuvor in meinem Leben hatte ich es so schwer empfunden, jemanden gehen zu lassen. Als sich die Türen ihres Zuges schlossen und er den Bahnhof verließ, sah ich ihm traurig nach. Ich konnte es nicht beschreiben. Es war, als fuhr ein Teil von mir davon, den ich gerade erst gefunden hatte. Aber eines wusste ich genau: Ich wollte sie wiedersehen! Ich musste sie wiedersehen! Ich würde sie wiedersehen und die Hoffnung begleitete mich auf der ganzen Rückfahrt.
Wenn ich auch noch nicht verstand, was da an diesem Tag mit uns geschah, wusste ich doch genau, dass ich mich ihr nicht mehr entziehen konnte und es auch gar nicht wieder wollte.