Dein Lachen ist das schönste Lachen der Welt. Und es ist in echt viel schöner, als auf deinem f*******:-Profil. Ich weiß nicht, wie lange wir hier in deiner Wohnung sitzen, Geschichten und Erinnerungen aus unserem Leben teilen. Wir haben gemeinsam eine Pizza gegessen und sitzen nur auf deiner Couch, dicht beieinander. Dein altes antikes Radio füllt den Raum mit einem Lied, dessen Namen ich nicht kenne. Unsere Wangen sind leicht gerötet und dank dem Weißwein finden wir irgendwie alles ein wenig komisch. Ich fühle mich berauscht und es gefällt mir, wie du ab uns zu meine Hände in deine nimmst. Du scheinst, genau wie ich, jede meine Handlungen genau zu beobachten. Ich merke, dass du mich auch anziehend findest. Du magst mich.
Gerade hast du mir erzählt, dass du aus Florida kommst. Den Strand, deine Freunde und deine Camping-Wochenenden vermisst. Ich sehe, die Trauer in deinen Augen. Ich will dich gerade fragen, warum du überhaupt hierhin gezogen bist, doch du bist schneller.
"Du hast also noch vor ein paar Monaten in Paris gelebt. Warum bist du wieder zurückgekommen, obwohl es mit deiner Schneiderei so gut lief?"
Mir kommt Jack in die Gedanken und für einen Moment bin ich still. Wie soll ich dir das bloß erklären? Würdest du mich vertstehen?
Doch du scheinst zu bemerken, dass ich mit meiner Antwort zögere.
"Ich meine, ich freue mich, dass du wieder zurückgekommen bist. Schließlich hätten wir uns ansonsten gar nicht erst kennengelernt. Ich war nur neugierig."
Es ist süß, wie du versuchst, die Stimmung, meine Laune zu bessern. Aber dennoch kann ich dir dies jetzt noch nicht anvertrauen. Erst dann, wenn ich weiß, dass du mich verstehen wirst.
"Ich denke, ich habe Dave einfach vermisst. Für mich ist er besonders, weißt du."
"Also wagst du für andere, die dir besonders sind, große Schritte? Das gefällt mir."
Wenn du nur wüsstest, wie groß. Ich würde alles für dich tun.
Ich lächele als Antwort und mittlerweile ist auch das Kissen zwischen uns verschwunden. Wir sitzen so dicht beieinander, ich könnte direkt auf deinen Schoß klettern. Für einen Moment ist es still und ich weiß nicht, wie lange wir uns einfach nur in die Augen sehen. Dein Gesicht kommt mir näher, dein linker Arm hat sich um meine Taille geschlungen, zieht mich näher an dich und ich will meine Hand an deine Wange legen, während du mich küsst. Unsere Lippen trennen Zentimeter und dein warmer Atem prallt auf meine Lippen. Und gerade als unsere Lippen sich fast berühren, unterbricht uns ein Klopfen oder eher ein Hämmern an deiner Wohnungstür. Wir gehen wieder auseinander und du murmelst ein sorry, während du dir kurz durch die weichen Haare fährst und genervt zur Tür gehst. Auch ich seufze leise. Können wir nicht einfach weitermachen, wo wir stehengeblieben sind?
"Hey, Kumpel! Lust auf 'ne Runde? Hab auch Wodka parat."
Ein junger Mann unseres Alters hält eine PlaySi-Konsole hoch und sieht dich fragend an. Er hat eine schwarze Brille auf der Nase und kurze Afro-Locken.
"Also davon hatte ich eben reichlich."
Du zeigst hinter dich, auf die leeren Gläser in der Küche. Und nun scheint dein Freund mich auch zu bermerken. Ein vielsagendes Grinsen erscheint auf seinem Gesicht und er sieht von mir zu dir.
"Und ich hatte mich eben gefragt, warum es Theo heute so laut mit seinen Mädels treibt."
Sein Grinsen fällt, als du ihm kurz auf den Kopf haust.
"Sorry, war nur'n Witz. Ich bin übrigens Calvin, Henry's Nachbar. Und ich glaube, außer dir noch, sein einziger Freund hier in New York. Zum ersten Mal treffe ich hier auf jemanden."
Während er lacht, kratzt sich Henry nur am Kopf und weiß wohl nicht recht, was er darauf antworten soll. Vielleicht verflucht er seinen Nachbarn, dass er unseren Moment zerstört hat. Ich stehe auf und reiche deinem Freund die Hand. Deine Freunde sind auch meine, darling. Und dass ich wohl dein einzigster weiblicher Gast in deiner Wohnung war, hat meine Laune erhoben.
"Freut mich. Ich bin Nora Brooks."
Er ergreift sie und sieht mich überrascht an.
"Die Nora Brooks von NOOKS? Henry hatte mir erzählt, dass er heute dort anfängt. Ich muss zugeben, eure Kleidung ist spitze. Auch wenn ich sie mir finanziell nicht leisten kann. Aber Henry bekommt bestimmt Mitarbeiter-Rabatte. Vielleicht könnte ich davon profitieren?"
Bevor Henry ihm wieder auf den Kopf schlagen kann, antworte ich ihm ehrlich.
"Komm wann immer du willst vorbei. Ich lass was einrichten."
"Super! Vielen Dank, Nora! Ich sollte gehen, euch einen schönen Abend noch."
Calvin will sich gerade umdrehen, doch ich halte ihn auf.
"Ich wollte sowieso gerade aufbrechen. Es ist schon spät und ich habe Zuhause noch etwas zu erledigen."
Ich muss dich auf Twitter und auf anderen sozialen Medien suchen, Henry. Denn in dem Thema Einsamkeit kann ich dir noch nicht so wie dein Nachbar glauben. Warum bist du aus Florida in eine Stadt gezogen, in der du keinen kennst? Bist du auch wie ich etwa weggelaufen?
"Danke für Alles, der Abend war sehr schön."
Ich ziehe dich in eine Umarmung und rieche noch einen letztes Mal an diesem Abend dein Parfüm. Wie kann man so gut riechen?
"Wir sehen uns dann, Calvin."
Ich winke deinem Nachbarn kurz zu, der sich mittlerweile auf der Couch niedergelassen hat.
"Warte, ich rufe dir ein Taxi."
Gemeinsam verlassen wir das Appartement und warten am Straßenrand. Das Wetter ist kühler, als am Nachmittag und während ich mir meinen Blazer überziehe, steckst du deine Hände in die Taschen deiner Jeans.
"Mir hat der Abend auch sehr gefallen, Nora. Vielen Dank dafür."
Meinen Namen aus deinem Mund zu hören. Himmlisch.
Du machst einen Schritt auf mich zu und ich bete innerlich, dass du mich einfach an dich ziehst und diese wunderschönen Lippen auf meine presst. Doch natürlich hält nun das Taxi neben uns. Wir umarmen uns nur kurz, bevor ich dann wehmütig in den Wagen steige. Bevor wir losfahren, klopfst du noch einmal gegen die Fensterscheibe, die ich für dich herunterkurbele.
"Morgen komme ich mit unserem Scooter."
Du zwinkerst und ich lächele dir zum Abschied. War das eine indirekte Einladung für den nächsten e-Scooter-Ausflug nach Feierabend?
Während der Fahrt, schalte ich mein Handy an, welches ich ausgeschaltet hatte, um mit dir ungestört zu sein. Sieben Anrufe in Abwesenheit. Einer von Barbara, meiner Freundin, die ich auf später verschiebe. Denn die anderen Anrufe sind von Dave. Und das kann nichts gutes heißen. Er hat mir eine Nachricht dagelassen.
"Nora, wo bist du, verdammt?! Wir haben ein Problem! Komm sofort nach Hause, unser lieber Vater terrorisiert hier wieder herum!"
Also nenne ich dem Taxifahrer die Adresse unseres Hauses. Alle Lichter brennen und ich bin mir sicher, dass es wieder Probleme mit der Arbeit gibt. Ansonsten würde Dave mich nicht nach Hause bestellen, denn unser Vater rastet nur aus, wenn ihm etwas im Geschäft nicht passt. Schließlich muss er ja einen Ruf wahren. Und nur das ist ihm wichtiger, als seine dreckigen Liebhaberinnen.
Cherry öffnet mir die Tür und sie scheint erleichtert, als sie mich sieht. Mein Vater scheint wohl auf mich gewartet zu haben und funkelt mich böse an. Skizzen, Kataloge, liegen zerstreut auf dem Boden und Dave sitzt auf dem Sofa reibt sich entnervt über die Augen.
"Da ist das Fräulein ja endlich! Kannst du mir mal bitte erklären, für wen du arbeitest, Nora?!"
Was?
Was soll das denn jetzt heißen?
"Dad, für wen soll sie denn arbeiten! Natürlich für uns!", brüllt Dave und ich höre aus seiner Stimme heraus, dass er fertig mit den Nerven ist.
"Und wie wollt ihr beide mir dann erklären, wie diese beschissenen Versager von HAWKER an unsere Entwürfe kommen?!"
Dad knallt sein Whiskeyglas auf den Glastisch.
"Was ist los?", frage ich die Beiden und manchmal glaube ich meinen Vater nicht wieder zu erkennen. Was ist aus ihm geworden, als ich weg war?
"Klär das", befiehlt er Dave scharf, bevor er dann wütend die Treppen hochmarschiert. Ohne mich noch einmal anzusehen. Fragend sehe ich Dave an, der aufsteht und die Entwürfe vom Boden sammelt. Er scheint nachzudenken.
"Was soll das heißen? Was meint Dad?"
"Thomas Hawker, unser größter Rivale in dieser Branche, das Arsch, hat unserem liebevollen Vater eine Mail geschrieben, inder steht, dass er sich auf die Modenshow freut. Er wäre neugierig auf andere Themen als Retro."
Vielsagend sieht mein Bruder mich an.
"Das heißt-"
"Das heißt, dass er von unseren Entwürfen und Kollektionen für die Show nächste Woche Bescheid weiß. Denn unser Thema ging nur über Retro-Anzüge. Also hat jemand aus unseren Leuten entweder die Seite gewechselt oder den Mund nicht gehalten."
"Ein Spion", schlussfolgere ich und du nickst zustimmend.
"Na, herzlichen Glückwunsch."