Jade's Pov
Nachdem Damon die Tür hinter sich geschlossen hatte, stieg meine Nervosität weiterhin, auch wenn ich dachte, dass das schon lange nicht mehr möglich ist.
Unruhig strich ich mir über meine dunkelgraue Jeans und versuchte Falten zu glätten, die nicht existierten. Doch ich versuchte so professionell, wie möglich zu sein oder zumindest so rüber zu kommen. Eindruck ist das A und O. Okay, das kann schon keiner mehr hören.
Also griff ich nach dem Macbook unter dem Tisch und meldete mich bei diesem an.
Schließlich öffnete ich das Grafikprogramm und lehnte mich zurück in den Stuhl.
„Was hast du für Vorstellungen?", fragte mich Damon mit ungewohnt konzentrierter Stimme und blickte den Bildschirm interessiert an.
„Genaue Vorstellungen habe ich noch nicht gesammelt“, gab ich zu und redete dann begeistert in meinem Element weiter, „Jedoch bin ich der Meinung, dass diese Möbelstücke den Stilen von Adore und Pyper entsprechen sollten. Es sollte ein Hauch von beiden direkt zu finden sein. Außerdem sollten wir definitiv einen besonderen Charakter finden, ein gewisses Extra. Dies sollte dann ein weiterer Grund zur Entscheidung des Kaufens sein und besonders überzeugend sein.“
„Was meinen sie, Mr Stone?", fragte ich in meiner professionellen Stimmlage und sah nun ihn interessiert an. Ich war ehrlich gesagt selbst darüber erstaunt, dass ich so professional klang und mich nicht nervös unter dem Tisch versteckt hatte. Ziemlich erstaunt.
Damon war wahrscheinlich etwas überrumpelt über mein Siezen und meine Professionalität, jedoch sollte mich das nicht weiter stören. Wenn er die nicht zeigen konnte, dann sollte das nicht mein Problem sein. Er wird im Endeffekt darunter leiden, nicht ich. Gottes Willen, jetzt höre ich mich wie das nächste herbeigerannte Möchtegern-It-Girl an. Jade, was bist du nur?
Schließlich räusperte sich Mister Stone aka Damon aka Damon Elliot Stone laut.
Warum konnte ich mich noch an seinen verdammten Zweitnamen, der ihn immer anwiderte, erinnern? Warum? Ich sollte viel mehr die Fakten über die Geschichte der Mode kennen, als solche unwichtige Tatsachen.
,,Die Idee des Mischens der Stils von Pyper und Adore finde ich außergewöhnlich. Das würde definitiv ein Profit für beide Seiten sein. Doch wenn ich fragen darf, wie genau würden sie denn den Stil von Pyper definieren?", fragte Damon, der sich anscheinend wieder gefangen hatte. Er stützte seine Arme vorsichtig auf der Tischplatte ab und sah mir tief in die Augen. Das machte er sowas von absichtlich. Er wollte mich definitiv nervös machen. Leider funktionierte dies sogar teils.
Mein Atem fiel schwerer und nervös biss ich die Zähne zusammen. Ich werde ihm zeigen, welche Stärke Jade Hodgens besitzt. Gott, jetzt rede ich auch schon von mir in der dritten Person. Es wird schlimmer.
,,Pyper ist modern, fröhlich, elegant, frisch und steht in Allgemeinen für fröhliche Eleganz, wie ich es bezeichnen würde“, antwortete ich mit einem sanften Lächeln.
Damon nickte zögerlich. Es wurde deutlich, dass er angespannt war, denn seine Kiefer ragte mehr heraus. Nun stellte ich die Gegenfrage natürlich mit dem Hintergrund ihn auch etwas aus der Reserve zu locken. Das sollte ja eigentlich nie schaden.
„Wenn ich fragen darf, für was steht Adore?“, fragte ich neugierig und blickte ihn erwartungsvoll an.
Der inzwischen Mann mit den dunkelbraunen Haaren vor mir holte tief Luft, bevor er antwortete. Anscheinend sammelte er seine Gedanken. Vielleicht aber auch lediglich seine Fassung.
Anschließend antwortete er mit einer rauchigen Stimme: ,,Adore steht für Produkte, die elegant, modern, unverwechselbar sind und gleichzeitig natürlich eine gewisse ausstrahlen und ganz klar High-Fashion sind.“
High Fashion und Damon Stone. Da konnte man nur lachen. Sein Anzug von gestern betonte das ja besonders.
Verständlich nickte ich dennoch und sah ihn genauer an. Seine Gesichtszüge sind in den letzten Jahren definitiv markanter geworden und nun keinesfalls mehr auf irgendeine Weise jugendlich. Trotzdem sieht man ihn noch etwas Jugendlichkeit an, wenn man etwas tiefer sucht.
„Was halten Sie davon, wenn wir dieses Meeting für heute beenden und unsere Ideen noch einmal sammeln, sonst kommen wir nicht weiter. Morgen werde ich dann ein weiteres Meeting organisieren", schlug ich dieses Mal in einer mehr oder weniger lockeren Stimmlage für diese Situation vor.
Damon nickte und wir standen augenblicklich beide von unseren Plätzen auf.
Ich meldete mich vom MacBook ab, versetzte es in den Ruhezustand und legte es auf dem Tisch ab. Dann lief ich voran zum Aufzug.
Es würde jetzt total passen, wenn ich einen grauen Bleistiftrock und eine babyblaue Bluse mit einem ebenso grauen Blazer tragen würde, denn das würde mein Gesagtes wahrscheinlich noch aufwerten. Doch ich war 23 und noch nicht Mitte fünzig, also weshalb sollte ich mich nicht auch frisch und elegant kleiden können? Schließlich vertrat ich somit Pyper. Wahrscheinlich sah ich sonst mit meinem Gesicht und der Kombination wie eine Lehrerin aus. Aber eigentlich konnte ein Bleistiftrock auch ein Fashion-Statement sein mit einem gewissen Ausdruck. Man muss ihn nur richtig kombinieren und schon hat man den neusten Laufsteg-Trend kopiert.
Heute gehörte mal wieder eine dunkelgraue Jeans und ein weißer Oversize Pullover zu meinem Outfit. Dazu trug ich heute meine ebenfalls weißen Nike Schuhe, die ich liebte seitdem ich sie in meinem Besitz hatte. Seitdem ich Pyper gegründet hatte, hatte sich meine Schuhsammlung, beziehungsweise noch viel mehr meine Sneaker-Sammlung um einiges enorm vergrößert. Andere Frauen besaßen nun mal fünfzig paar High Heels und vielleicht ein Paar Sneaker für den Sportkurs jeden Mittwoch. Ich besaß um die fünfzig paar Sneaker und ziemlich genau fünf paar High Heels. Am Ende hatte jeder so seine Vorlieben. Auch wenn Sneaker meiner Meinung nach definitiv cooler sind als es der schönste und außergewöhnlichste Pump je sein könnte. Ausgenommen ist da natürlich mein Wasser-Pump. Der ist schon besonders auf seine eigene Art.
Plötzlich bekam ich allerdings noch eine weitere Idee. Sie kam in Form eines Gedankenblitzes in mein Gehirn geflogen. Warum sollte Pyper nicht auch noch Sneaker herstellen? Nur der Fakt, dass Pyper ein High-Fashion Unternehmen war, ließ mich nicht davon abbringen keine Sneaker zu produzieren. Vielleicht könnten Sneaker ja tatsächlich die neuen High Heels werden? Nur besser als High Heels. Also gemütlicher auf jeden Fall. Die Sneaker mit der Gemütlichkeitsgarantie. Das wäre ja wohl schon etwas.
Versunken in meinen Gedanken betrat an der Seite von Damon den Aufzug. Im HQ von Pyper befanden sich natürlich zahlreiche Aufzüge im Inneren des Gebäudes, aber auch je ein Aufzug an den Außenseiten des rechteckigen Gebäudes. Mit diesen Aufzügen zu fahren war ein Erlebnis für sich, denn die Fahrt ist einfach total außergewöhnlich, denn diese Aufzüge gehören zu den neusten und modernsten Modellen der Branche. Man konnte zwischen den verschiedenen Geschwindigkeiten langsam, normal und schnell wählen. Mit 'langsam' konnte man sich demnach also besonders gut New York aus einem anderen Blickwinkel ansehen, was ich so gerne immer wieder aufs Neue tat, um mich neu in die Großstadt zu verlieben. Außerdem hatte der Aufzug einen Wasserspender und die Möglichkeit zwischen Songs zu variieren per Sprachsteuerung.
Es gab vom Unternehmen der Aufzüge mittlerweile eine App, die es möglich machte, sich mit dem Smartphone zu konfigurieren und dann die Playlist des Aufzugfahrenden abzuspielen, aber das war natürlich nur mit meinem Smartphone gekoppelt.
Ich hatte wirklich eine mehr oder weniger ungewöhnliche Liebe zu diesen Aufzügen entwickelt. Im Aufzug drückte ich dann auf die Zahl des höchsten Stockwerkes.
Die Türen schlossen sich und ich lehnte mich locker gegen eine der vier Wände.
Der Aufzug fuhr im normalen Tempo hoch. Doch zwischen dem siebzehnten und dem achtzehnten Stock setzte plötzlich die Fahrt aus. Das Licht ging aus und der Elevator blieb stehen.
,,Verdammt", fluchte ich laut und blickte mich verwirrt um. War das jetzt ein schlechter Scherz? Nun bekam ich schon etwas Angst, dass der Aufzug gleich unkontrolliert nach unten rasen würde. Doch ich hatte gelesen, wenn man im rechtzeitigen Augenblick hochspringen würde, konnte man das hier überleben. In dem Horrorfilm von letzter Woche hatte das nicht funktioniert.
Ich hatte mal gelesen, dass in Europa ein Mann ganze vier Tage lang in einem Aufzug verbringen musste, da ihn einfach niemand hörte oder vielleicht sogar auch hören wollte. Doch wie sollte ich das aushalten? Ohne Wasser? Auf das Essen könnte ich ja vielleicht noch verzichten, jedoch nicht auf Flüssigkeit. Jade, reg dich ab. Zum Glück ging nach weiteren Sekunden das Licht an.
Belustigt sah mich Damon an und fragte schließlich amüsiert: ,,Warum sitzt du auf dem Boden?“ Ich räusperte mich und stand schnell auf. Warum genau saß ich auf dem Boden?
Dann antwortete ich mit relativ wenig Überzeugung und zusammengebissenen Zähnen: ,,Hier war es nun mal gemütlich! Und die Aussicht erst.“
Seufzend setzte ich mich schließlich wieder hin und freute mich insgeheim, dass meine Entscheidung heute Morgen nicht auf eine weiße Hose fiel, die ich sonst eigentlich hätte tragen wollte.
Schließlich setzte sich Damon neben mich. Ich spürte direkt seine wohlige Wärme um mich, genauso wie früher. Jetzt hören sich meine Gedanken, wie die eine 16jährigen Teenagerin mit Hormoneinfluss ein oder einer Frau, die ihren Enkeln von nunmal früher erzählt. Ich sinke immer tiefer und tiefer.
Die Notfalltaste hatte ich inzwischen schon unzählige Male gedrückt und auf sie ein gehämmert. Echt eine gute Art seine Aggressionen loszuwerden. Jedoch nicht ganz so empfehlenswert, denn am Ende muss ich das bezahlen. Doch kein Drücken half. Der Aufzug fuhr nicht weiter. Hieß das jetzt Stromausfall oder was passierte gerade?
Ich sah mich im Raum genauer um, der ja nicht mit seiner Größe prahlen konnte. Mein Blick fiel auf die kalten und silberschimmernden Wände, den Boden und meine wundervollen Nikes. Also schaute ich auch auf Damon's Schuhe, die so grässlich aussehen, wie man es nur selten sah.
,,Hab ich dir eigentlich schon einmal gesagt, dass deine Schuhe grässlich aussehen?", sprach ich meine Gedanken laut aus und grinste ihn belustigt an. Die angespannte Stimmung schien vergessen zu sein.
,,Nein, noch nicht. Doch ich muss auch dazugeben, dass diese Schuhe aus feinstem Leder in Italien handgemacht wurden", antwortete Damon arrogant, was nicht zu ihm passte. Also konnte ich nicht ganz einordnen, ob dass eine Art schlechter Sarkasmus war.
,,Für deine hässlichen Schuhe sind Tiere gestorben", stellte ich mit ernster Stimme fest und schüttelte schockiert den Kopf.
,,Es lebt sich bestimmt schön an meinen Füßen", gab Damon dazu, worauf ich ihn nur schlagen konnte. Das war eklig. Wer lebte schon gerne an seinen Füßen? Niemand, ganz genau.
Ich schlug ihn mit meinen Ellenbogen in die Rippe und meinte genervt: ,,Boar Damon!" ,,Ja, Prinzessin?", fragte er unschuldig und fing an zu grinsen. ,,Klappe", zischte ich zurück. Hätte ich ihn gerade eben wirklich Damon genannt? Hatte er mich gerade eben wirklich Prinzessin genannt? Was machte ich da nur wieder? Jade, du musst Charakter und Stärke beweisen und dich nicht um den Finger von buchstäblich einen Idioten wickeln lassen. Over and out.